Konservative lassen Nationalisten im Stich
Mitte Oktober schlossen Spaniens Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero und der kanarische Regierungspräsident Paulino Rivero das „Abkommen über politische Stabilität“. Laut der Vereinbarung sicherte die kanarische Partei Coalición Canaria (CC) der regierenden Partido Socialista (PSOE) ihre entscheidende Unterstützung in der Abstimmung zum Staatshaushalt 2011 zu.
Im Gegenzug machte Zapatero den Inseln diverse Zugeständnisse, u.a eine Erhöhung der staatlichen Investitionen, die Beibehaltung der gesenkten Flughafengebühren, die Zuweisung eigener Gewässer und die Übertragung von Kompetenzen (das Wochenblatt berichtete). Noch am selben Tag richtete sich Mariano Rajoy, Vorsitzender der Partido Popular (PP), an seine kanarischen Parteimitglieder mit der Anweisung, das bestehende Regierungsbündnis mit der Coalición Canaria platzen zu lassen. Und so erklärte José Manuel Soria, Präsident der kanarischen Partido Popular und Leiter des Ressorts für Wirtschaft und Finanzen, seine Partei werde aus der kanarischen Regierung ausscheiden. Laut Soria könnten sich die Konservativen nicht länger die Regierungsbank mit den Nationalisten teilen, da diese den „verheerenden“ Staatshaushalt 2011 ermöglichten. Zudem würden die Kanaren im Gegenzug „nichts“ vom Staat bekommen. Im nächsten Jahr würden die staatlichen Investitionen nicht steigen sondern um ganze 216 Millionen gekürzt werden, seit Jahren befänden sich die versprochenen Kompetenzen im Bereich Arbeit bereits in Händen der Kanaren und die Einrichtung eigener Gewässer wäre fraglich.
Reaktionen auf den Bruch
Coalición Canaria bedauerte das Ausscheiden der kanarischen Partido Popular und vermutete, wahrer Grund für den Bündnisbruch seien die in sieben Monaten bevorstehenden regionalen Wahlen.
Sowohl die Nationalisten als auch die regionale Oppositions-Partei Partido Socialista (PSC) warfen den Konservativen vor, ihre parteilichen Interessen zu verfolgen und die der Inselbewohner außer Betracht zu lassen.
Eine kanarische Tageszeitung bezeichnete die Argumentation von Vizepräsident Soria als „die perfekte Entschuldigung“. Die Konservativen hätten nur auf eine derartige Gelegenheit gewartet, um sich angesichts der in Kürze stattfindenden Wahlen von den Nationalisten distanzieren zu können. Coalición Canaria ständen harte Zeiten bevor, denn die Unterstützung des umstrittenen Präsidenten Zapatero und die unabwendbaren Kürzungen in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales im Jahr 2011 würden den Canarios schwer zu verkaufen sein.
Ricardo Melchior, Präsident der Regierung Teneriffas und auch im Bündnis mit der Partido Popular, warf der Partei vor, eine „aggressive Wahlkampagne“ zu führen statt in einem derart harten und kritischen Moment für die kanarische Regierung zu arbeiten.
Sowohl Melchior als auch Antonio Alarcó, Vertreter der Konservativen in der Inselregierung, versicherten, der regionale Konflikt gefährde nicht den eigenen Regierungspakt.
Neues Kabinett
Nach Veröffentlichung erster Zahlen des kanarischen Haushaltsentwurfes für 2011 am 22. Oktober [Soria war als Leiter des Wirtschaftsressorts für die Erstellung zuständig] verließ die Partei Partido Popular die kanarische Regierung. Vizepräsident José Manuel Soria räumte den Chefsessel des Ressorts für Wirtschaft und Finanzen; Pilar Merino machte den ihrigen im Ressort für Land- und Viehwirtschaft, Fischerei und Ernährung frei. Mercedes Roldós verließ das Gesundheitsressort; Rita Martín verabschiedete sich als Leiterin des Ressorts für Tourismus.
Präsident Paulino Rivero nutzte die Gelegenheit zur Umbildung der Regierung. Das Ressort für Tourismus wurde von seinem eigenen übernommen während das Ressort für Land- und Viehwirtschaft, Fischerei und Ernährung nun dem Umwelt- und Territorialressort angehört.
Rivero berief María del Mar Julios zur Vizepräsidentin und Leiterin des Ressorts für Arbeit, Industrie und Handel, die die negative Tendenz der Arbeitslosigkeit stoppen und Arbeit schaffen will. Jorge Rodríguez sitzt nun im Chefsessel des Ressorts für Wirtschaft und Finanzen und beabsichtigt, erneut den Dialog zwischen Institutionen und Wirtschaft zu eröffnen, die Bedürftigen zu unterstützen, aber von Steuererhöhungen abzusehen. Neuer Leiter des Gesundheits-Ressorts ist Fernando Bañolas, der trotz geringerem Budget die Qualität steigern will. Domingo Berriel übernahm das Ressort für Umwelt und Landwirtschaft. Am 25. Oktober wurden die neuen Regierungsmitglieder in einer offiziellen Zeremonie eingesetzt.
Rivero bezeichnete sein neues Team als „stärker, fähiger und nüchterner“. Hauptziel sei die Senkung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Laut dem Nationalisten interessiere sich Coalición Canaria für die Inseln und weder für Rajoy noch für Zapatero.
Tourismus
Bis zum letzten Moment lüftete Rivero nicht das Geheimnis, wen er als höchsten Verantwortlichen für den kanarischen Tourismus einsetzen werde. Schlussendlich fiel die Entscheidung auf Ricardo Fernández de la Puente, ehemaliger Geschäftsführer des Hotelverbandes der Provinz Teneriffa Ashotel.
Sowohl Ashotel als auch die Regierung von Teneriffa bezeichneten die Ernennung von Fernández de la Puente als „positiv“. Seine 10-jährige Erfahrung als Geschäftsführer des Verbandes fördere den Dialog zwischen touristischem Gewerbe sowie öffentlichen Institutionen und verbessere die Unterstützung der Regierungen und Rathäuser beim touristischen Marketing. Während der Zeit von Rita Martín als höchste kanarische Verantwortliche im touristischen Bereich hätte es in diesen Bereichen Spannungen gegeben.
Gegenüber einer kanarischen Tageszeitung hob José Fernando Cabrera, Präsident von Ashotel, hervor, Fernández de la Puente sei „ein Mann des Sektors“, der „gute Arbeit bei Ashotel“ geleistet hätte. „Er war auf Messen, hat mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften verhandelt und bei Turismo de Tenerife [Tourismusamt von Teneriffa] mitgewirkt.“ Kurz nach seiner Ernennung habe der neue Mann sofort alle Präsidenten der touristischen Verbände der Inseln angerufen und sich ihnen zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Arbeit von Rita Martín hielt sich Cabrera bedeckt mit den Worten: „Sie ist eine hart arbeitende Person.“ Auch José Manuel Bermúdez, Leiter des Ressorts für Tourismus der Regierung von Teneriffa, befand die Einsetzung von Fernández de la Puente als „sehr positiv“. Hinsichtlich der Meinungsverschiedenheiten mit Rita Martín in Marketing-Fragen äußerte Bermúdez, „eine bessere Abstimmung, Information und Beteiligung der Inselregierungen“ sei notwendig, und hofft auf eine Verbesserung.
Stimmen zur neuen Regierung
Die Oppositions-Partei Partido Socialista (PSC) bezeichnete die neue Regierung als „schwächer, unsicherer und unbeständiger“.
Tatsächlich besetzten die Nationalisten nur 19 der 60 parlamentarischen Sitze, während die Sozialisten ganze 26 Sitze innehätten. Um die eigenen Projekte voranzubringen werde Coalición Canaria an Partido Popular oder Partido Socialista herantreten müssen.
Der Abbau von Ressorts wurde seitens der PSC begrüßt.
In Übereinstimmung mit der Opposition befand eine kanarische Tageszeitung, Paulino Rivero hätte bei der Aufstellung seiner neuen Regierung die regionalen und lokalen Wahlen 2011 im Sinne gehabt. Drei der vier neuen Ressortleiter stammten aus Gran Canaria. Auf der Insel hätten traditionell die Konservativen die Nase vorn, doch die Wahlergebnisse der Nationalisten während der letzten Jahre seien regelrecht desaströs gewesen.
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]