Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Derzeit sieht man sie recht häufig: die Frauen und Männer, die allüberall herum- und hinaufklettern. Kein Treppenhaus, keine Fassade ist vor ihnen sicher und deshalb sind in der Zwischenzeit viele Kommunen dazu übergegangen, separate Kletterwände aufzustellen – sogar in Hallen – um ja allen Begeisterten dieser Sportart die Ausübung derselben zu ermöglichen.
Als ich in diesen Wochen in Deutschland die Möglichkeit hatte, mich mal an einer solchen Kletterwand zu betätigen, da ist mir recht schnell bewusst geworden, wie anstrengend und kraftraubend dieser Sport ist. Einer, der das schon über viele Jahre praktiziert und vor dem im Donautal keine Felswand sicher ist, hat mir deutlich zu verstehen gegeben: „Dieses Klettern ist nicht nur etwas für den Körper, sondern auch für den Geist. Überhaupt gehört Klettern zu den kreativsten Dingen, die ich je getan habe. Es ist ein ununterbrochener Problemlösungsprozess. Du starrst die Felswand an und sagst Dir: Wahrscheinlich gibt es eine direkte Route. Aber beim Klettern musst Du sie erst finden oder sogar erst selbst erfinden.“ Eine interessante Aussage und Feststellung, denn das macht mir auf Anhieb klar, dass das Klettern, wenn man es mal so betrachtet, natürlich auch die Kreativität in vielen anderen Lebensbereichen schult.
Diese Gedanken verleiten mich jetzt dazu zu sagen: An solchen Kletterkünstlern hätte Jesus wohl seine helle Freude gehabt. Was er sich für die Umsetzung seiner Botschaft ja immer wieder gewünscht hat und bis auf den heutigen Tag wünscht, das sind kreative und einfallsreiche Freunde; Menschen, die geistig beweglich und auch bereit sind, mal ganz andere und unkonventionelle Wege zu gehen. Er selbst hat ja auch immer wieder Geschichten erfunden, die die Fantasie seiner Zeitgenossen und Freunde angeregt und zum mutigen Handeln provoziert haben. So erzählte er zum Beispiel die Geschichte von einem gerissenen Verwalter, der das Vermögen seines Herrn veruntreut hat. Bevor dieser nun die erwartete Kündigung erhält, lässt er – weil ihn die Vorahnung treibt – schnell die Schuldner seines Herrn zu sich kommen und fordert sie auf, die Schuldscheine zu ihren Gunsten zu fälschen. Eine clevere Idee – finden Sie nicht auch? Auf diese Weise will sich der betrügerische Verwalter für die Zeit nach seiner Entlassung Macht und Einfluss sichern – bei Menschen, die er dann in der sprichwörtlichen „Hand“ hat. Wobei Jesus nun mit der Erzählung dieser Geschichte nicht im Sinn hat, die Unehrlichkeit des Verwalters zu loben oder als vorbildlich darzustellen, sondern vielmehr sollen uns sein pfiffiger Einfall an sich und sein entschlossenes Handeln zu denken geben.
Oder anders ausgedrückt. Jesus wendet sich mit solchen Geschichten an Sie und an mich und will uns damit sagen: „Mach was aus Deinem Leben! Stell Dir doch einfach mal vor, was Du noch alles leisten und tun kannst. Nicht die Hände in den Schoß legen ist angesagt, sondern sich umzuschauen, sich vorzustellen, was in Deinem ganz persönlichen Leben noch alles möglich ist.“ Das will Jesus Ihnen und mir ans Herz legen. Er könnte uns damit auch sagen: „Spiel doch einfach mal die Wege durch, die da noch vor Dir liegen. Du hast so viele Talente, die Du nur entfalten und nutzen musst. Du hast dabei die Freiheit abzuwägen, wofür Du Deine Kräfte einsetzen willst. Du bist doch nicht festgelegt, nur das zu machen, was „man“ so macht oder schon immer so gemacht hat. Lass Dir was einfallen, wie Du das Zusammenleben mit anderen gestalten möchtest!
Es gibt so viele und mehr als genügend Gelegenheiten, zu trösten und Mut zu machen, Vertrauen aufzubauen und Frieden zu stiften. Mein Gott, Du musst doch nicht nur um Dich selbst kreisen. Und – überleg Dir dabei doch bitte auch, wie Du Deine Beziehung zu Gott lebendig halten willst. Probier doch einfach mal aus, welche Form des Betens oder auch des Meditierens Dir gut tun; finde heraus, mit wem Du über die Bibel und den Glauben reden kannst; und wenn Du schon immer mal was an der Feier des Gottesdienstes zu mäkeln hattest, dann hilf doch einfach mit, dass diese Feiern wirklich zu Festen werden; zu Festen, die das Prädikat „froh“ auch tatsächlich verdienen. Du siehst, es gibt genügend Möglichkeiten, wie Du etwas aus Deinem Leben machen kannst. Du musst nicht nur oberflächlich in den Tag hineinleben oder schauen, wie Du den Tag in irgendeiner Form bewältigt bekommst.“
So könnte Jesus wirklich zu uns sprechen. Und wenn ich jetzt an die Fassaden- und Felsenkletterer denke, die mich zu Beginn beschäftigt haben, dann würde ich mir – auch und gerade für meine Kirche – wünschen, dass wir Christen auf allen Gebieten fantasievolle Menschen sind, deren Devise immer wieder lautet: Kletterkünstler in die Kirchenleitungen – ausgenommen solche, die nur an der eigenen Karriereleiter herumturnen.
Und: Kletterwände an alle Kirchen, damit wir neue Wege finden, die Botschaft Jesu überzeugend zu leben und andere damit zu begeistern!
Herzlichst Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
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