„Luxusmiezen“ als Vorbild


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Wie oft ist in unseren Zeitungen die Rede davon, dass wieder einmal einen unserer Politiker seine Vergangenheit eingeholt hat – also irgendwelche Jugendsünden aus den „wilden 68ern“.

Ganze Zeitungsbranchen sind darauf aus, solche unappetitlichen Vergangenheiten aus dem Dunkel zu heben, und in der Politik warten die Gegner nur darauf, dass sich eine solche Gelegenheit ergibt. Allerdings: Die Gelegenheiten für einen solchen journalistischen Voyeurismus sind selten, weshalb man sich eben auch anderer Gegebenheiten bedienen muss.

So gibt es ja nicht nur Politiker, denen man ganz gerne am Zeug flicken möchte; nein, selbst Zeitungen, die sich sonst gerne einen moderaten „Qualitätsjournalismus“ bescheinigen, die kommen in ihren Rubriken „Aus aller Welt“ oder auch „Vermischtes“ nicht ohne sie aus: Ich meine, die Luxusmiezen oder auch die sogenannten „Teppich-„ oder „Boxenluder“. Wer mehr von ihnen wissen und natürlich vor allem sehen möchte, dem steht auf dem Zeitungsmarkt eine ganze Fülle von bunten Blättern zur Verfügung. Luxusmiezen, Luder und Schlampen erregen noch immer das Interesse des brav-biederen Bürgers; sie lassen viele neidisch werden und wecken oft schon in jungen Mädchen den Wunsch nach dem „idealen“ Körper, den man heute anscheinend nur mit Implantaten erreichen kann. Und warum das Ganze? Weil genau diese Frauenbilder in jenen besagten Zeitungen das Gefühl vermitteln: So ist es doch viel, viel besser. Nur wer so ist wie ich, der hat eine Chance in seinem Leben.

Nun haben wir vor wenigen Wochen im Sonntagstext des Evangeliums eine Stelle zu hören bekommen, die in mir diese Gedanken ausgelöst hat. Denn anscheinend kommen nicht einmal die Evangelien ohne diese Luxusmiezen aus. Erinnern wir uns: Da ist Jesus bei einem vornehmen Herrn der Stadt und einem höchst offiziell bekannten Vertreter der etablierten, religiösen Leitungsebene eingeladen, und er nimmt diese auch gerne an. Doch was dann passiert, das haut in den Augen vieler der damaligen Zeit, einfach dem Fass den Boden aus. Denn da tritt doch tatsächlich eine „Luxusmieze“ in Erscheinung. Auch wenn der Evangelist Lukas ihren Namen diskret verschweigt – wieso und warum auch immer – dürfen wir in der Tradition der katholischen Schriftauslegung seit Papst Gregor dem Großen davon ausgehen, dass es sich bei dieser Frau um Maria Magdalena handelt, der Schwester des Lazarus, die wir auch noch an anderen ganz markanten Stellen der Evangelien wiederfinden. Diese Frau gilt wegen ihres Lebenswandels, der sich wohl kaum im Verborgenen abgespielt hat, als Sünderin.

So wie sich diese Frau um die öffentliche Meinung über ihren Lebenswandel hinweggesetzt hat, so scheut sie auch jetzt in keinster Weise die Öffentlichkeit. In ihren eigenen Augen hat sie öffentlich gesündigt, also bereut sie auch eindringlich und öffentlich. Was da abläuft ist keine Show zur Melodie „Ein paar Tränen werd‘ ich um dich weinen“; vielmehr bereut eine Frau hier ganz öffentlich ihr verfehltes Leben. Sie tut das mit den Mitteln, die in diesem Leben eine bestimmte Rolle gespielt haben mögen: ihren prächtigen langen Haaren, die so manchen Kirchenvater zu reizvollen Spekulationen veranlassten, und einer Körperlotion im Alabaster-Luxusdesign. Diese war nun wirklich Luxus pur, denn bei einem solchen Alabasterfläschchen geht es mal kurz um einen Wert von rund 300 Denaren – dem Jahresgehalt eines römischen Legionärs.

Jesus wehrt sich in keinster Weise gegen diese Luxusbehandlung. Im Gegenteil. Er stellt die Sünderin in ihrem Verhalten dem „frommen“ Gastgeber als Beispiel gegenüber, denn von ihm fühlte er sich nicht wirklich korrekt und höflich behandelt. Diesen Defekt aber hebt die Sünderin durch ihr Verhalten auf und Jesus sieht darin nicht nur ein Zeichen tätiger Reue, sondern auch ein offenes Glaubensbekenntnis dieser Frau. Wie sagt er ihr am Schluss: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

Die Luxusmieze also als Beispiel für den Frommen: Jesus erteilt uns allen eine Lektion. Denn er ist nicht der Kumpel, dem man mal kurz wohlwollend auf die Schulter tätschelt; nein, er zeigt sich als derjenige, der Sünden vergibt, wenn er spürt, da tut jemandem sein Verhalten leid; da will sich jemand von Grund auf ändern und ein neues Leben beginnen. Das aber würde er nie verweigern, denn er will ja, dass die oder der Einzelne glücklich ist und auf ein gelungenes Leben schauen kann. Für mich heißt das auch: Wer zu Jesus kommt, darf seine Herkunft und seine Vergangenheit offen zeigen. Und alle, die seine Gemeinde bilden, die müssen damit leben lernen, dass sie in guter und schlechter Gesellschaft sind mit denen, die alle keine reine Weste haben und „vor Gott mit leeren Händen dastehen.“

Übrigens: Die Botschaft dieses Evangeliums kommt auch heute an, wenn wir bei der Begegnung mit den „Luxusmiezen“ der Gegenwart, die uns die Medien immer wieder vor Augen führen, auch mal an Maria Magdalena denken würden. Denn diese „Luxusmieze“ des Evangeliums, die kann uns wirklich zeigen, was „leben“ und „lieben“ heißt und meint.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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