Ein illegaler Einwanderer wurde tot aufgefunden, sieben Flüchtlinge gelten als vermisst
„Ein unvermeidbares Unglück“, so bezeichnete die Guardia Civil den tragischen Unfall, der sich am frühen Morgen des 13. Dezember in den Gewässern vor Teguise (Lanzarote) ereignete. Bisher steht lediglich fest, dass beim Zusammenstoß des Guardia-Civil-Patrouillenbootes „Cabaleiro“ mit einem Flüchtlingsboot die Insassen in die Fluten stürzten, mindestens einer ums Leben kam und weiterhin sieben der illegalen Einwanderer vermisst werden.
Doch da die Behörden in ihren Berichten vom Ablauf des Geschehens voneinander abweichen, erscheint der Unfall immer mysteriöser und wirft vermehrt Fragen auf.
Widersprüchlich
Die erste Fassung über den genauen Ablauf des Unglücks gab María del Carmen Hernández Bento, Vertreterin der Zentralregierung auf den Kanaren. Tage später widersprach ihr der Sprecher der Guardia Civil in entscheidenden Punkten. Demzufolge ereignete sich am frühen Morgen des 13. Dezember folgendes Unglück vor Lanzarote:
Kurz nach Mitternacht wurde ein Flüchtlingsboot vor der Küste von Teguise vom Alarmsystem entdeckt, woraufhin die „Cabaleiro“, ein Patrouillenboot der Guardia Civil, zu den übermittelten Koordinaten aufbrach. Ab hier weichen die Versionen voneinander ab. Laut dem Polizeisprecher fiel kurz darauf ein Wasserstrahlantrieb des Patrouillenbootes aus, sodass die Mannschaft die nur noch sehr schwer manövrierbare „Cabaleiro“ zurück in den Hafen bringen wollten. Doch dann entdeckten sie die Patera auf dem Radar und bemerkten, dass sich diese gefährlich der felsigen Küste näherte. So setzten sie ihre Fahrt in Richtung des Flüchtlingsbootes fort, um den Insassen zu Hilfe zu kommen. Hernández Bento dagegen erwähnte nicht im Geringsten den schwerwiegenden Schaden am Patrouillenboot. Beiden Aussagen zufolge sprang der Bootsführer der Patera von Bord, als er die herannahmende Polizei entdeckte, und überließ die 24 Insassen, die ihm zweieinhalb Tage zuvor in Sidni-Ifni (Marokko) ihr Leben anvertraut hatten, auf dem nun führungslosen Boot ihrem Schicksal. Dem Polizeisprecher zufolge führte der Schaden am Wasserstrahlantrieb dazu, dass die schwer kontrollierbare „Cabaleiro“ mit dem Flüchtlingsboot zusammen-stieß. Nach Angaben von Hernández Bento brachte das Patrouillenboot die Patera aus ungeklärten Gründen zum Kentern. Fest steht nur, dass alle Flüchtlinge ins Wasser fielen. Nach Angaben der Guardia Civil sprang einer der Polizisten ins Meer und rettete mehrere Menschen, während seine Kollegen den anderen halfen, an Bord des Patrouillenschiffes zu gelangen. Die 17 Geretteten informierten die Beamten, dass acht von ihnen fehlen würden. Sofort wurde eine groß angelegte Rettungsaktion gestartet, eine Vielzahl von Booten und ein Hubschrauber begannen, nach den Vermissten zu suchen.
Die Flüchtlinge wurden im Hafen von Los Mármoles in polizeilichen Gewahrsam genommen. Drei von ihnen wurden wegen leichter Verletzungen ärztlich behandelt, ein Vierter wegen einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus Doctor Negrín in Las Palmas geflogen. Noch am selben Tag wurde der Leichnam einer der Bootsflüchtlinge von einem Patrouillenboot geborgen, die übrigen sieben blieben trotz tagelanger Suche vermisst.
Umgehend wurde eine umfassende Ermittlung zur Aufklärung des Unglücks eingeleitet, doch weder die Vertreterin der Zentralregierung noch die Guardia Civil hatten sich bis Redaktionsschluss zu den Abweichungen geäußert. Der Sprecher der Guardia Civil erklärte nur, es handele sich um einen schrecklichen Unfall, die Beamten seien verzweifelt und am Boden zerstört.
Ermittlung läuft
Bei der Befragung durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts von Arrecife, der gegen den vermissten Bootsführer ermittelt und nun auch das genaue Geschehen aufzuklären sucht, gaben die Geretteten an, das Patrouillenboot habe sich mit hoher Geschwindigkeit der Patera genähert und sei seitlich mit dem Flüchtlingsboot zusammengestoßen. Außerdem seien die Lichter der „Cabaleiro“ ausgeschaltet gewesen, was die Guardia Civil jedoch bestritt.
Die geretteten Flüchtlinge wurden in das Immigranten-Auffanglager von Barranco Seco (Gran Canaria) verlegt und sollen in Kürze nach Marokko ausgewiesen werden. Die Suche nach den sieben Vermissten wurde am 17. Dezember eingestellt.
Das Flüchtlingsdrama auf den Kanaren begann im Jahr 1994, als die erste Patera mit zehn jungen Afrikanern an Bord an Fuerteventuras Küste landete. Seitdem haben rund 90.000 illegale Einwanderer auf 3.000 kleineren und größeren Booten die gefährliche Überfahrt auf sich genommen und überstanden, um von den Kanaren in eine bessere Zukunft zu starten. Schätzungen zufolge könnten jedoch bei den Versuchen bis zu 12.000 Menschen ums Leben gekommen sein.
Um die Jahrtausendwende und Anfang des 21. Jahrhunderts zog es besonders viele afrikanische Flüchtlinge auf die Kanaren, doch seit fünf Jahren sind die Zahlen rückläufig. Während 2007 noch 11.750 illegale Einwanderer registriert wurden, waren es 2008 nur noch 8.243.
Gegenüber der Zeitung Diario de Avisos prophezeiten polizeiliche Quellen nun einen Wiederanstieg der Zahlen. Da die Überwachung der Meeresenge von Gibraltar und der spanischen Ostküste zugenommen habe, würden die afrikanischen Schleusermafias vermehrt auf die Kanaren ausweichen.
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