Die von der PP unterstützte Demonstration richtete sich gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs Spaniens
Zwischen 60.000 und 100.000 Menschen folgten am 24. Februar einem Aufruf des Terroropferverbandes AVT und versammelten sich auf der Madrider Plaza de Colón, um gegen die vom Obersten Gerichtshof Spaniens erlassene Haftreduzierung des ETA-Terroristen Iñaki de Juana Chaos zu protestieren
Madrid – Bereits im Vorfeld der Demonstration hatte es einigen Aufruhr darum gegeben, nachdem die konservative Opposition (PP) ihre Teilnahme an dem Protest verkündet hatte. Jedem Bürger stünde das Recht zur Demonstration zu, erklärte Vizeregierungschefin María Teresa Fernández de la Vega in diesem Zusammenhang. Doch die Tatsache, dass eine politische Partei einen Protest unterstütze, der sich gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs Spaniens richte, sei bestenfalls als „Respektlosigkeit“ den Richtern gegenüber zu bezeichnen. De Juana Chaos hat bereits eine Haftstrafe von 18 Jahren wegen des Mordes an 25 Personen abgesessen. Als sich seine Freilassung näherte, verurteilte ihn die Audiencia Nacional im November letzten Jahres wegen „terroristischer Drohungen“ zu weiteren 12 Jahren und sieben Monaten Gefängnis. De Juana Chaos trat daraufhin in Hungerstreik. Vor wenigen Wochen nun wurde seine Haftstrafe auf drei Jahre reduziert, nachdem der Oberste Gerichtshof Spaniens die „Drohungen“, die der Terrorist in zwei Zeitungsartikeln ausgesprochen hatte, als „von allgemeiner Natur“ abstufte. Zwei Jahre davon hat de Juana Chaos bereits in Untersuchungshaft abgesessen. Obwohl der AVT-Verband angesichts der entstandenen Polemik eiligst seinen ursprünglichen Aufruf modifizierte und es jetzt auf einmal angeblich nur noch darum gehen sollte, der rund 25 Todesopfer von de Juana Chaos zu gedenken und zu verlangen, dass der ETA-Terrorist zumindest die vollen drei Jahre absitzen muss und keinerlei Hafterleichterungen zugestanden bekommt, sorgte die Absicht der PP an der Demonstration teilnehmen zu wollen, weiter für Entrüstung. Die Konservativen ließen sich jedoch nicht beirren. Anders als sonst üblich nahmen allerdings nicht die absoluten Spitzenpolitiker der Volkspartei teil wie Mariano Rajoy und Ex-Ministerpräsident José María Aznar. In Vertretung der Konservativen erschienen nichtsdestotrotz unter anderem PP-Generalsekretär Àngel Acebes, die Madrider Regionalregierungschefin Esperanza Aguirre sowie die baskische PP-Chefin María San Gil. Und wieder einmal richteten sich die Spruchbänder und Protestrufe eher gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero als gegen das eigentlich erklärte Ziel des Protestes.
Aus Sorge um sein Leben wird de Juana Chaos die Hafterleichterung zugestanden
Hausarrest erhungert
Auf „persönliche Entscheidung“ des spanischen Innenministers Alfredo Pérez Rubalcaba wurde dem hungerstreikenden ETA-Terroristen Iñaki de Juana Chaos am 1. März letztendlich die geforderte Hafterleichterung zugestanden. Im Klartext bedeutet das für den Häftling, dass er den Rest seiner bereits reduzierten Haftstrafe – noch etwa 12 Monate – in Form eines Hausarrestes in seiner baskischen Heimatstadt San Sebastián absitzen darf. Weit davon entfernt, die vor einigen Wochen zugestandene Haftreduzierung von über zwölf auf drei Jahre zu akzeptieren, hatte Iñaki de Juana Chaos Ende Februar seinen Zustand noch einmal verschlimmert, in dem er die Magensonde, über die er zwangsernährt wurde, herausriss. Der Zustand des ETA-Terroristen, der sich seit über 100 Tagen im Hungerstreik befand, um eine drastische Hafterleichterung zu erzwingen, wurde von den Ärzten des Madrider Krankenhauses 12 de Octubre als „äußerst kritisch“ eingestuft. Er werde erst damit aufhören, wenn er „auf freien Fuß“ gesetzt werde, forderte der ETA-Terrorist jedoch. Nach eingehender Überprüfung der Lage hatte sich das Ärzteteam vier Tag später und angesichts der ständigen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes zwar dazu entschlossen, die Sonde erneut zu verlegen. Doch da hatte die spanische Regierung bereits eine der wohl schwierigsten Entscheidungen dieser Legislaturperiode getroffen. Der lebensbedrohliche Zustand de Juana Chaos habe ihnen keine Wahl gelassen, erklärte Innenminister Rubalcaba. Im Gegensatz zu der Vorgehensweise der Terroristen stehe eine demokratische Gesellschaft „für den Schutz des Lebens“ ein. Dabei müsse der Staat konsequent, aber auch „human“ die Gesetze anwenden. Während de Juana Chaos noch am selben Tag den Hungerstreik abbrach und im Krankenwagen nach San Sebastián transportiert wurde, wo ihn jubelnde ETA-Anhänger empfingen, ging die konservative Opposition auf die Barrikaden. Noch am selben Abend wurden die ersten Protestbekundungen in Madrid einberufen, die sich am nächsten Tag zu spanienweiten Demonstrationen in den wichtigsten Städten des Landes ausweiteten. Die Regierung habe sich von einem Terroristen erpressen lassen, so der Vorwurf der Konservativen. Wie schon bei dem massiven Protest nach dem Zugeständnis der Haftreduzierung (siehe Seite 38) machten die Demonstranten wieder Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero persönlich verantwortlich, bezeichneten ihn als „Faschisten und Terroristen“ und forderten seinen umgehenden Rücktritt.
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