Segnungsfeier für Liebende


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Was kann sich dahinter verbergen? Nicht selten höre ich das, wenn Menschen am Portal von San Telmo unseren Anschlag lesen. Und so unterschiedlich und vielfältig wohl die Meinungen dazu geäußert werden, so zahlreich und unterschiedlich sind sie wahrscheinlich auch bei jeder und jedem von Ihnen. Mir persönlich – als Selbstbetroffenem – sind zwei Aspekte oder auch zwei Worte wichtig, die in dieser Ankündigung enthalten sind: Die Liebe und der Segen.

Leider ist es ja so, dass meine Kirche ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Liebenden hat. Denn ein Paar wird erst dann als liebendes Paar akzeptiert, wenn es auch vor dem Traualtar erscheint. Nur: Von denen, die vielleicht dürften, da wollen viele nicht oder zumindest im Moment noch nicht und viele, die gerne wollten, die dürfen nicht und fühlen sich deshalb oft auch aus dieser kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen oder als Menschen zweiter Klasse behandelt. Genau dieses Empfinden bzw. diese nicht sichtbaren, aber doch emotional fühlbaren Schranken möchte diese Segnungsfeier überwinden helfen. Denn: Ob nun eine Partnerschaft schon viele Jahre Bestand hat und immer noch glücklich ist oder ob sich zwei erst vor kurzem gefunden haben; ob zwei Menschen einen neuen Anlauf in eine Partnerschaft wagen oder sich ihrer Bedeutung seit Jahren füreinander bewusst sind … ob nun zwei Menschen sich das Sakrament der Ehe spenden können oder dies nach unserem kirchlichem Gesetz ausgeschlossen ist – uns allen ist doch eines gemeinsam: Wir sind liebende Menschen; Menschen die spüren, was die Liebe der Partnerin oder des Partners für unser Leben bedeutet, wie bereichernd sie für unser je eigenes Leben ist.

Rainer Maria Rilke hat eine Begebenheit überliefert, die uns ein klein wenig erahnen lässt, wie wichtig die Liebe für unser menschliches Leben ist und zu was sie letztendlich in der Lage ist. Rilke wanderte, wenn er in Paris war, häufig mit seinem Freund, einem bekannten Bildhauer, durch die Stadt. Sowohl der Dichter als auch der Bildhauer sammelten auf ihren gemeinsamen Spaziergängen Eindrücke von den Menschen und von den Vorgängen, die ihnen in den Blick gerieten. Fast täglich kamen sie am Hauptportal von Notre-Dame vorbei, und fast täglich sahen sie dort eine Bettlerin sitzen. Es war ein gewohntes Bild, das nicht gleich ihr Innerstes anrührte. Aber eines Tages geschah es: Etwas längst Vertrautes, nämlich das Kirchenportal mit der Bettlerin davor, berührte Rilke so stark, dass er zu seinem Freund sagte: „Ich habe kein Geld dabei – hast Du etwas?“ Er wollte der Bettlerin unbedingt etwas schenken. Geld aber hatten beide keines dabei – und so betrachtete Rilke die Rose, die er schon vor geraumer Zeit gepflückt und in seiner Hand gehalten hatte. Es war ein schneller Entschluss: Er ging auf die Bettlerin zu, verneigte sich leicht vor ihr und legte ihr die Rose in den Schoß. Dann drehte er sich um und setzte seinen Spaziergang fort.

Auch in den darauffolgenden Tagen kamen die beiden Künstler am Portal von Notre-Dame vorbei – aber die Bettlerin, die sonst all die Tage dort gesessen war, die sahen sie in diesen Tagen nicht. Erst eine Woche später tauchte sie wieder auf und sie sahen, wie sie – wie eh und je – ihre Hand nach einer milden Gabe ausstreckte. „Sie ist wieder da“, sagte Rilke’s Freund – um gleich hinzuzufügen: „Von was hat sie in all den Tagen gelebt?“ „Du fragst, wovon sie gelebt hat?“, antwortete Rilke, „Sie hat von der Rose gelebt.“

Die Rose ist nicht umsonst die Blume der Liebenden. Diese Begebenheit macht deutlich, dass wir Menschen mehr zum Leben brauchen als Essen und Trinken, als ein Dach über dem Kopf oder ein paar Euro in der Tasche. Wir leben im Letzten von und durch die Liebe, die wir von und durch andere geschenkt bekommen, die aber auch wir von uns aus anderen schenken. Diese Liebe wird deutlich, sichtbar und erfahrbar, wenn zwei Menschen miteinander leben und einander in Achtung begegnen; wenn sie in Wahrhaftigkeit einander vertrauen und sich durch und in der körperlichen Liebe reich beschenken und so etwas erahnen können von dem, was „Leben in Fülle“ eben auch meint.

Die Liebe – so erlebt und gelebt – lässt uns Menschen aber nicht nur in großer Freude das Leben erfahren und genießen, nein – wer die Liebe so erleben darf, der erlebt auch hautnah Gott, denn Gott ist die Liebe. Die Art und Weise, wie er uns Menschen zugewandt ist und wie er uns Menschen begegnen will, die entspricht nach unseren menschlichen Worten und unserem Vorstellungsvermögen am ehesten dem Bild zweier Liebenden. Von daher hat die Kirche recht, wenn sie sagt, dass die Ehe ein Bild der Liebe Gottes zu uns Menschen ist. Nur: Ich sehe das nicht nur beschränkt auf die Ehe. Die Liebe Gottes, das ist meine feste Überzeugung, ist all-überall dort gegenwärtig und wird dort erfahren, wo Menschen einander liebend begegnen. Nicht nur dort ist die Liebe Gottes zu finden – wo man mit einem kirchliches Gesetz konform geht, sondern wo Menschen seine Liebe zu leben versuchen und so Gott hautnah erfahren. In diesem Sinne lade ich alle Liebenden am Mittwoch, dem 13.02. um 18.30 Uhr zur Segnungsfeier nach San Telmo ein, damit sie Gottes Segen empfangen und spüren, dass ER ihren gemeinsamen Weg begleitet.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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