„Selbstverständlich werden die Menschenrechte verletzt“

Juristin Loueila Mint El Mamy bezeichnet die über 1.000 Todesopfer auf der sogenannten „kanarischen Route“ der Migration als „Morde“. Foto: efe

Juristin Loueila Mint El Mamy bezeichnet die über 1.000 Todesopfer auf der sogenannten „kanarischen Route“ der Migration als „Morde“. Foto: efe

Juristin Loueila Mint El Mamy erklärte vor dem parlamentarischen Migrationsausschuss: „Afrikaner, Migranten und ohne Rechte: Wenn sie weiße Europäer wären, würde das nicht ­passieren“

Teneriffa – Dass auf den Kanaren die Rechte der afrikanischen Migranten verletzt werden, die auf dem Seeweg die Inseln erreichen, steht für Loueila Mint El Mamy außer Frage. „Selbstverständlich werden die Menschenrechte verletzt“, erklärte die junge Anwältin Anfang Dezember vor dem parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung der Migration im Regionalparlament in Santa Cruz de Tenerife. An der Sitzung nahm auch der evangelische Pastor Ángel Manuel ­Hernández Gutiérrez teil, Präsident von „Misión Cristiana Moderna“, die für ein Aufnahmezentrum für Migranten auf Fuerteventura verantwortlich ist. Er spricht von „offizieller Desinformation“ der Regierung, die in der Gesellschaft zu Ablehnung und Fremdenfeindlichkeit gegenüber den Migranten führe.

Loueila Mint El Mamy stammt selbst aus der Westsahara und ist als Betroffene mit der Thematik der Migration vertraut. Sie lebt seit 1999 auf den Kanaren, wo sie als Juristin insbesondere Menschen vertritt, die auf dem Seeweg als „Illegale“ die Inseln erreichen. Sie ist unter anderem Mitglied der Kommission für Ausländer und Menschenrechte der Anwaltskammer von Santa Cruz de Tenerife und des Verbands der Saharauischen Anwälte in Spanien.

Vor dem parlamentarischen Migrationsausschuss beklagte sie, dass die über 1.000 Todesopfer auf der sogenannten „kanarischen Route“ der Migration „Morde“ seien, denn den Menschen werde die Einreise aus Afrika verwehrt, wodurch es ihnen nicht möglich sei, auf würdigem, legalem und sicherem Weg einzureisen. Sie würden dadurch dazu gedrängt, der Schleusermafia 3.000 Euro für eine lebensgefährliche Überfahrt zu zahlen, während ein Flugticket nur einige Hundert Euro kostet.

Außerdem kritisiert El Mamy, dass die Migranten nach der Ankunft, obwohl sie kein Verbrechen begangen haben, von der Polizei festgenommen und festgehalten werden, auch wenn unter ihnen Kranke, stillende Mütter und Kleinkinder seien. Eine persönliche Rechtsberatung bekämen sie nicht, sondern nur gemeinschaftlichen Rechtsbeistand, monierte die Anwältin weiter. Sogar die Vergütung der Pflichtverteidiger würden gekürzt, was das Justizressort der kanarischen Regierung veranlasst habe. „Wenn sie weiße Menschen und Europäer wären, würde das nicht geschehen“, klagte El Mamy an.

Die Anwältin stellte außerdem dem parlamentarischen Ausschuss die Frage, warum in Sachen Migration immer vom Innenministerium und vom Migrationsministerium gesprochen werde, aber nie vom ­Außenministerium, das seine Konsulate vor würdiger Migration verschließe und schließlich die Mafia fördere, weil die ­Menschen dazu gezwungen werden, ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Pastor Ángel Manuel Hernández Gutiérrez prangerte ­seinerseits an, dass es niemanden kümmere, ob die Migranten leben oder sterben. Er ­forderte mehr Einsatz von ­Organisationen und Mitarbeitern in den Herkunftsländern, um diese „Barbarei“ zu bremsen.

Totes Baby auf Fuerteventura

Die Stellungnahme vor dem Migrationsausschuss fand vor dem Hintergrund einer neuen Tragödie statt. Zwei Tage zuvor war erneut ein Baby gestorben, das in einem Flüchtlingsboot unterwegs war. Die Mutter hielt das zwei Monate alte Kind in den Armen, als ihr von den ­Rettern auf Fuerteventura an Land geholfen wurde. Sie dachte, ihr Kind schlafe, doch die Sanitäter stellten einen Atemstillstand fest. Auch im Krankenhaus konnte dem Kleinen nicht mehr geholfen werden. In derselben Nacht kamen insgesamt fünf Flüchtlingsboote mit 283 Menschen auf Fuerteventura an.

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