Nach den Unterbringungen in Notunterkünften am Hafen wurden viele Bootsflüchtlinge nun in Hotels einquartiert
Kanarische Inseln – Der kleine Hafen von Arguineguín im Süden Gran Canarias ist in den letzten Monaten zur Sammelstelle von Cayucos, der Fischerboote, mit denen illegale Migranten aus Afrika die Kanaren erreichen, geworden. Die Reaktivierung der Migrationsroute über den Atlantik zu den Kanarischen Inseln ist längst eine Tatsache. Doch während täglich weitere Boote ankommen und sich die Unterbringung der Migranten immer schwieriger gestaltet, vermissen die regionalen Behörden eine Reaktion und Maßnahmen aus Madrid.
José Luis Escrivá, Minister für Inklusion, Sozialversicherung und Migration, steht in der Kritik, weil er seine für den 9. September anberaumte Reise auf die Kanarischen Inseln, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen, abgesagt hat. Der kanarische Regierungspräsident Ángel Víctor Torres hatte fest mit dem Besuch des Ministers gerechnet und erst kurzfristig erfahren, dass Escrivá den Termin nicht wahrnehmen würde. Daraufhin erklärte Torres sein „tiefes Unbehagen“. Die Antwort von Escrivá kam zunächst auf Twitter: „Ich kann nicht akzeptieren, dass gesagt wird, ich hätte die Inseln versetzt, denn es gab keinen konkreten Termin für meinen Besuch.“ Bei der kanarischen Regierung hatte man dies allerdings nicht so verstanden, und der 9. September war im Kalender dick angestrichen. Gerade vor dem Hintergrund der täglich steigenden Migrantenzahl, für deren Beherbergung mittlerweile Apartmentanlagen und Hotels im Süden Gran Canarias zur Verfügung gestellt werden mussten, war der Unmut groß. Aus dem Ministerium hieß es später, Escrivá werde die Inseln besuchen, sobald es sein Terminkalender erlaube.
Nach dem geplatzten Besuch des Ministers, von dem sich die Regionalregierung Lösungsansätze versprochen hatte, rief Regierungschef Torres bei der spanischen Vizepräsidentin Carmen Calvo an und forderte die Beteiligung verschiedener Ministerien, um dieser Problematik entgegenzutreten. Kanarische Forderungen an Madrid sind eine Verschärfung der Überwachung, die Schaffung von Unterkünften und die Rückführung der Migranten in ihre Heimatländer oder die Weiterreise auf das spanische Festland.
Auf Drängen der kanarischen Senatoren Fernando Clavijo (CC) und Asier Atona (PP), die die Nennung eines Datums für den Ministerbesuch fordern, wollte sich José Luis Escrivá am 22. und 23. September im Kongress und im Senat zur Migrationslage auf dem Archipel äußern. Selbst der kanarische Präsident und sozialistische Parteikollege Ángel Víctor Torres ließ die Äußerung fallen: „In Sachen Migration kann man nicht sagen, dass die Regierung es gut macht.“
Auch von Innenminister Fernando Grande-Marlaska fehlt bislang eine Stellungnahme zum Ergebnis der Verhandlungen in Mauretanien. Marlaska hatte das afrikanische Land, von dem aus viele der Boote der atlantischen Migrationsroute starten, am 18. September in Begleitung der europäischen Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, besucht. Dort traf er sich mit Präsident Mohamed Ould Cheikh El Ghazouani und Ministern seiner Regierung. Bei den Gesprächen ging es um eine Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Migration.
Hotels als vorläufige Bleibe
Während die Lösungen aus Madrid weiter auf sich warten ließen, spitzte sich die Lage im Süden Gran Canarias zu. Im Hafen von Arguineguín wurden die ankommenden Bootsflüchtlinge in Zelten des Roten Kreuzes untergebracht. Zeitweise bis zu 408 Personen, darunter auch Jugendliche und Kinder, verbrachten mehrere Tage in diesen Notunterkünften. Am 11. September bot schließlich die Unternehmensgruppe von Santiago Santana Cazorla das Hotel Las Tirajanas in Tunte für die Unterbringung von 135 Migranten an. In den folgenden Tagen wurden von der Regierungsdelegation weitere Personen, nach Vorliegen der PCR-Testergebnisse, in Hotelanlagen im Süden Gran Canarias und in der Hauptstadt Las Palmas untergebracht. Auch ein Hotel im Herzen von Santa Cruz de Tenerife wurde von Migranten bezogen.
1.277 Migranten innerhalb von 2 Wochen
In den ersten beiden Septemberwochen erreichte die illegale Zuwanderung auf den Kanaren den bislang höchsten Stand seit dem Jahr 2008. Vom 1. bis 15. September erreichten 1.277 Bootsflüchtlinge in 56 Booten aus Afrika die Kanarischen Inseln.
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]