Spanien bremst Autofahrer


© EFE

Die Verschärfung des Tempolimits auf Autobahnen und Schnellstraßen soll sich spritsparend auswirken

Achtung Autofahrer: Seit 7. März gilt in Spanien ein neues Tempolimit. Ende Februar beschloss die spanische Regierung ohne große Vorankündigung aufgrund der befürchteten Erdölknappheit und der gestiegenen Kraftstoffpreise, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und Schnellstraßen von 120 auf 110 Stundenkilometer zu verschärfen.

Kanarische Inseln – Die Maßnahme soll den Benzinverbrauch senken und folglich zu einer Reduzierung des einzuführenden Erdöls führen sowie den Preisanstieg für den Bürger abmildern. Mindestens bis zum 30. Juni soll dieses Tempolimit gelten, danach will die Regierung entscheiden, ob die Maßnahme verlängert wird.

Innerhalb kürzester Zeit wurden spanienweit mehr als 6.100 Schilder überklebt, davon 250 auf Teneriffa. Dann kam der Stichtag und, wie erwartet, halten sich die Autofahrer größtenteils an das neue Tempolimit. Droht doch zwischen 111 und 140 km/h ein Bußgeld von 100 Euro. [Zwischen 141 und 160 km/h werden 300 Euro fällig, zwischen 161 und 170 km/h 400 Euro, zwischen 171 und 180 km/h 500 Euro und bei mehr als 181 km/h 600 Euro; ab 151 km/h gibt es außerdem Punkteabzug.] Auch die Radargeräte wurden auf die neue Geschwindigkeit eingestellt. Die vier auf den Autobahnen Teneriffas fest installierten Verkehrsradare bei Guamasa und El Sauzal (TF-5) sowie bei Las Caletillas und dem Süd-Flughafen (TF-1) knipsen nun bereits ab 111 km/h.

Laut der Regierung soll die gedrosselte Geschwindigkeit den Benzinverbrauch um 15% und den Dieselverbrauch um 11% reduzieren und angesichts steigender Erdölpreise insbesondere den Bürgern zugute kommen. Doch Experten beziffern die tatsächliche Benzineinsparung auf 3%. Die Zeitung El Mundo testete, wieviel Sprit bei 10 km/h weniger eingespart wird, und stellte fest, dass auf 131 km nur ganze 0,1 l weniger verbraucht wurden.

Es wurden bereits Stimmen laut, die der Exekutive unterstellen, nur auf die zusätzlichen Einnahmen durch mehr Bußgelder aus zu sein. Des Weiteren wurden bereits Zweifel in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der von der Regierung durchgesetzten Verordnung erhoben, sieht doch die Straßenverkehrsordnung vor, dass das Tempolimit von der Regierung nur dann geändert werden darf, wenn es aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig ist.        

Spanien hängt zu achtzig Prozent von der Energieversorgung von außen ab. Im Jahr 2010 wurde Rohöl im Wert von 25,5 Milliarden Euro importiert; 10,3 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor, was einer Steigerung von 40 Prozent entspricht. Die Regierung kalkuliert, dass durch die Geschwindigkeitsbeschränkung Importe von etwa 1,4 Milliarden Euro eingespart werden können, 5,4 Prozent von der Summe des Vorjahres. Sollte Tempo 110 lediglich für drei Monate beibehalten werden, können 350 Millionen Euro eingespart werden. Je weiter der Ölpreis steigt, umso mehr wird gespart.

„Es besteht zwar nicht die Gefahr von Lieferengpässen, aber unsere Ölrechnung ist durch die Krisensituation in Nordafrika stark gestiegen. Das betrifft nicht nur Libyen, sondern auch Ägypten“, erklärte Vizepräsident und Innenminister Rubalcaba am Ende der Ministerratssitzung. Die Krise in Libyen macht sich in Spanien besonders stark bemerkbar, denn von dort kommen 13 Prozent der Ölimporte. Es ist der zweitwichtigste Lieferant gleich hinter dem Iran. Die Realität hat die spanische Regierung eiskalt erwischt, denn in den Berechnungen für den Etat 2011 war ein durchschnittlicher Ölpreis von 81 Dollar angesetzt worden.

„In den kommenden Wochen wird es weitere Sparmaßnahmen geben“, kündigte Innenminister Rubalcaba an. Von Einschränkungen für die Beleuchtung öffentlicher Gebäude, Straßen und  Autobahnen ist die Rede. „Das neue Geschwindigkeitslimit dient dazu, Öl zu sparen und zwar 15 Prozent bei Benzin und elf Prozent bei Diesel. Wir werden das System der Geldstrafen anpassen, das Punktesystem dagegen bleibt unverändert.“ Außerdem wird die Beimischung von Biodiesel von 5,8 auf sieben Prozent erhöht. Allein damit sollen jährlich 160 Millionen Euro bei den Ölimporten eingespart werden.

90 km/h sind die optimale Geschwindigkeit, um Treibstoff zu sparen, das hat die Internationale Energie-Agentur mitgeteilt. Doch auch zwischen 120 und 110 km/h senkt sich der Spritverbrauch beachtlich. Pedro Linares, Professor für Industrielle Organisation an der Universität Comillas hat erhebliche Zweifel daran geäußert, dass Einsparungen auch nur annähernd berechnet werden können. „Wenn der Benzinpreis hoch ist, geht der Verbrauch automatisch zurück. So ist es sehr schwer festzustellen, was durch die Maßnahmen eingespart wird und was durch rückläufige Nachfrage.“

Sparpläne werden immer nur in Krisensituationen beschlossen. 1974, als die OPEC die Produktion drosselte, wurde in Spanien die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h festgesetzt. 1976, als der Ölpreis weiter stieg, wurde das Limit auf 100 km/h gesenkt und so blieb es bis 1981. Als im Jahr 2008 der Ölpreis auf einer nie gekannten Höhe stand, hielt es die Regierung nicht für nötig, solche drastischen Sparmaßnahmen zu ergreifen.

Scharfe Kritik gab es an den zahlreichen Maßnahmen und den dazu gehörenden Kosten, welche die Änderung der Geschwindigkeitsbegrenzung mit sich bringt. José Blanco, der zuständige Minister, versuchte die Sache herunterzuspielen und sprach von 250.000 Euro. Man werde die etwa 6.000 Verkehrszeichen mit Aufklebern verändern. Doch auch die Radargeräte an den Autobahnen müssen neu justiert werden.

„Sowjetische Verhältnisse“

Kritik hagelte es von allen Seiten. Partido Popular bezeichnete die Entscheidung als „den neusten Unsinn der Regierung“. Parteisprecher Estéban González Pons sprach von sowjetischen Verhältnissen. Auch die Autofahrerverbände sind strikt gegen die Einschränkung der Geschwindigkeit. Der Königliche Automobilclub RACE bezweifelte, dass durch die Maßnahme tatsächlich Treibstoff gespart wird und der Kommissar des Europäischen Automobilclubs hielt die Beschränkung schlicht für unlogisch. Nur die Organisation der Verkehrsopfer spendet Beifall und hofft darauf, dass aus der vorübergehenden Maßnahme eine definitive wird.

340 betroffene Schilder

Auf den Kanarischen Inseln sind um die 340 Schilder von der Änderung „betroffen“, ca. 300 auf Teneriffa (die Autobahnen TF-1 und TF-5 kommen auf eine Länge von 200 km) und ca. 40 auf Gran Canaria. Auf den übrigen Inseln gibt es keine Schnellstraße oder Autobahn mit dem bisherigen Tempo 120 km/h. In der Nacht vom 6. auf den 7. März, dem Tag des Inkrafttretens der neuen Geschwindigkeitsbegrenzung, wurden die Schilder mit Aufklebern versehen und aus 120 km/h wurde 110 km/h.

Zwar gehören die Autobahnen und Schnellstraßen der autonomen Region, doch da die Inselregierungen für deren Wartung und Instandhaltung verantwortlich sind, müssen diese auch die Kosten übernehmen. Da jeder Aufkleber zwischen 30 und 50 Euro kostet, wird Teneriffa zwischen 9.000 und 15.000 Euro und Gran Canaria zwischen 1.200 und 2.000 Euro dafür aufbringen müssen. Dazu kommen dann noch Personal- und Materialkosten.

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