Einst für verrückt gehalten – jetzt die Ikone der Kochkunst
Der berühmteste Koch Spaniens ist in Berlin mit dem „Lucky Strike Designer Award 2006“ ausgezeichnet worden, der jetzt zum 15. Mal vergeben wurde. Dahinter verbirgt sich Europas höchstdotierter Designer-Preis, der mit 50.000 Euro Preisgeld ausgestattet ist. Verliehen wurde der Preis von der Raymond Loewy Foundation, Deutschland.
Berlin – Damit ging dieser Designer-Preis erstmalig an einen Spanier und zum ersten Mal überhaupt wurde weltweit die Designleistung eines hochdekorierten Star-Kochs durch einen renommierten Preis gewürdigt.
Erst in Kenntnis der früheren Preisträger des „Lucky Strike Designer Award 2006“ und den Namen der Jury, kann man die spektakuläre Ehrung ermessen, die dem Drei-Sterne-Koch Ferran Adrià in Berlin zuteilgeworden ist. Denn auch bei einem weltberühmten Spitzenkoch denkt man nicht unbedingt zuerst an einen Topdesigner.
Die Namen der bisherigen Preisträger sind unschwer als Designer zu identifizieren. So Karl Lagerfeld und Donna Karan für Mode, Peter Lindbergh für Modefotos, Bruno Sacco für Daimler und Patrick le Quément für Renault PKW Design.
Um die Kochkunst von Ferran Adrià zu verstehen, muss man erst einmal wissen, was er nicht ist und nicht sein will. Mit Sicherheit kein Koch für alle Tage und auch nicht ein Koch, der durch raffinierte Zubereitung der Speisen glänzt, aber letztendlich nur den Hunger stillt.
Ein Visionär
Ferran Adrià will viel mehr. Er ist ein Visionär, dessen erklärtes Ziel es ist, seine Gäste mit einem Menü von 30 Gängen in 4 1/2 Stunden absolut glücklich zu machen. Das ist eine hohe Messlatte die er anlegt und mit Bravour erreicht. Sein Geheimnis ist ebenso einfach wie genial. Er spricht alle fünf Sinne gleichzeitig an, die da sind: Fühlen, hören, riechen, schmecken und sehen.
Die Begründung für die Zuerkennung des „Lucky Strike Designer Preis 2006“ durch die Jury lautete daher auch: „Ferran Adrià verleiht dem Essen mit seinem ganzheitlichen Konzept eine neue, nie da gewesene sinnliche und ästhetische Dimension.“
Der heute 44-jährige Ferran Adrià, der auf der Höhe seines Erfolges steht, ist 1962 in Santa Eulàlia geboren, im Bergland der Sierra de Albarracia, östlich von Madrid gelegen, auf halber Distanz zum Mittelmeer.
Vom Tellerwäscher zum Spitzenkoch
Seine Karriere begann zunächst ganz unten, als Tellerwäscher. Bereits 1984 betrieb der damals 22-jährige Ferran Adrià das Restaurant „elBulli“ in Rosas, das er in der Zwischenzeit zu dem bedeutendsten Gourmettempel von Spanien gemacht hat. Rosas liegt 150 Kilometer nördlich von Barcelona an der Küste, unweit der französischen Grenze.
Die Kreationen von Ferran Adrià beeinflussten und prägten nachhaltig eine ganze Generation von Köchen. Er sagt von sich selbst: „Ich habe schon alle Preise, die ein Koch erhalten kann, bekommen.“ Im Jahr 1997 wurde das Restaurant „elBulli“ mit den „Drei-Michelin-Sternen“ ausgezeichnet und 2002 wurde das Restaurant „elBulli“ vom „Restaurant Magazin“ zum „Besten Restaurant der Welt“ ernannt.
Auf der Pressekonferenz in Berlin bekannte Ferran Adrià jetzt zur Verblüffung der versammelten Journalisten freimütig: „Man wollte mich 1993 in Spanien ins Irrenhaus sperren, und das war damals tatsächlich ernst gemeint.“ Von Wolfram Siebeck, Deutschlands beliebtem „Drei-Sterne-Koch“ stammt der Satz über Ferran Adrià: „Er ist der verrückteste, aber auch der genialste Koch der westlichen Welt.“
Das Auftreten von Ferran Adrià in Berlin war trotz seiner Erfolge und vielfältigen Ehrungen äußerst bescheiden. Mit 1,70 Metern mittelgroß, untersetzt, mit hellwachen Augen. Typisch für ihn sein Hemd, das es stets über der Hose mit offenem Kragen trägt.
Dazu blaue Jeans, die Hosenbeine hinten ausgefranst. Er spricht mit fester Stimme und gleichzeitig mit beiden Händen, wenn er über seine Arbeit referiert. Sich selbst sieht er als Avantgardist, der immer auf der Suche nach einem noch nie da gewesenen geschmacklichem Erlebnis ist. Dazu überschreitet er die Grenze der traditionellen Küche und lässt sie weit hinter sich zurück. Er zerlegt Zutaten in ihre Bestandteile, um dann in einer völlig anderen Form eine spektakuläre Neukomposition zu schaffen. (Siehe Kasten unten.)
Es geht dem Kochgenie nicht um Opulenz, sondern die Raffinesse der Reduktion und Einfachheit. Jeder der 30 Gänge seines Menüs ist nur ein großer Löffel voll oder ein bis zwei Happen. Aber alles ist geschmacklich und visuell aufeinander abgestimmt zu einer einzigartigen großen Komposition. Dazu gehören dann auch das Geschirr und das Besteck, welches für jeden Gang extra von Ferran Adrià entworfen wurde. Alles wird abgerundet durch akustische Untermalung beim Essen, Lichtinszenierung des Raumes und duftender Kunstnebel der zu bestimmten Speisen aus den Salzstreuern aufsteigt.
Inzwischen wird das Restaurant „elBulli“ von seinem eigenen Erfolg förmlich überrollt. Anfragen zur Platzreservierung füllen Waschkörbe. Auch der Preis von 150 Euro pro Person für das Menü schreckt nicht wirklich ab. Zwei Mitarbeiter sind allein dazu abgestellt, Anfragen von tausenden von E-Mails zu bearbeiten. Je Saison stehen von den heiß begehrten Plätzen lediglich 8.000 zur Verfügung.
Ferran Adrià versteht es aus Essen Kunst zu gestalten, seine Gäste einen Abend lang absolut glücklich zu machen durch eine einzigartige multi sensorische Erfahrung Dafür erhält er zu Recht den „Lucky Strike Designer Award 2006.“
Wilfried Machens
Einige Beispiele seiner Kreationen:
– Algenkrokant
– Bauchfleisch von der Makrele in Hühnermarinade mit Zwiebel und Essigkaviar
– Caipirinha-nitro: Aperitif gestaltet mit flüssigem Stickstoff
– Curryrisotto aus Zucchinikeimen mit Erdnussölkapseln
– Eisplätzchen:Aus Whisky Sour und Passionsfrucht
– Geeiste Luft aus Parmesan und Müsli weckt Emotionen.
– Geliertes Gemüse an Holzkohleöl, ein Design- und Geschmackserlebnis
– Melonen-Kaviar: „Kaviarperlen“ aus Melonensaft und Alginat
– Schleifen aus Rote-Beete und Essigpulver. Hohe Schule kulinarischen Designs
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