Umstrittene Entscheidung
Während sich immer mehr Städte vom Stierkampf verabschiedet haben, wird die staatliche Fernsehgesellschaft La 1 (TVE) das blutige und umstrittene Spektakel nun wieder übertragen.
Madrid – In den letzten Jahren hatte sich das Blatt für den spanischen Stierkampf gewendet. Zuerst beschloss das zuständige Regionalparlament im Sommer 2010 das Ende des von den Verfechtern als Kulturgut angesehenen, von den Gegnern als Tierquälerei bezeichneten Stierkampfes in Katalonien. Kurz darauf zog die staatliche Fernseh- und Radiogruppe RTVE nach und strich den Stierkampf aus dem Programm. Offiziell aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes, inoffiziell wegen fehlender Geldmittel zum Kauf der Übertragungsrechte. Im vergangenen Sommer entschied sich nun auch der Bürgermeister der baskischen Stadt San Sebastián, Juan Karlos Izagirre, gegen eine Verlängerung des Nutzungsvertrages der Stierkampfarena der Stadt und verbannte das Spektakel so aus der baskischen Stadt. Izagirre erklärte, das Leiden eines Tieres dürfe nicht der Unterhaltung dienen; des Weiteren rechtfertige die sinkende Besucherzahl nicht mehr die Unterhaltskosten. Tatsächlich hat die Wirtschaftskrise auch den Stierkampf erreicht: spanienweit werden immer weniger Stierkämpfe organisiert und Eintrittskarten verkauft. Laut Daten des Innenministeriums nahm die Zahl der Stierkämpfe zwischen 2007 und 2010 um 34,5% ab.
Trotz dieses Trends entschied RTVE im Frühjahr, also kurz nachdem die konservative Partido Popular (PP) an die Regierung gelangt war und den Verwaltungsrat mit den eigenen Leuten besetzt hatte, bald wieder Stierkämpfe zu übertragen. Interne Quellen wiesen damals jedoch darauf hin, dass es wegen fehlender Geldmittel wohl kaum dazu kommen werde (das Wochenblatt berichtete). Dann hatte TVE jedoch angekündigt, der Sender La 1 werde im September einen Stierkampf aus Valencia übertragen, den ersten einer ganzen Reihe von corridas. Die Stierkämpfer, der Züchter und der Veranstalter hatten auf ihren Teil der Einnahmen verzichtet und so das Geldproblem aus dem Weg geräumt. TVE verteidigte die erneute Übertragung von Stierkämpfen damit, dass „eine Festlichkeit dieser Art allen spanischen Liebhabern der corrida zugänglich gemacht werden muss“.
Der staatliche Fernsehsender begibt sich mit dieser umstrittenen Entscheidung auf einen schmalen Grat, denn TVE hat in der letzten Zeit bereits viele Zuschauer verloren. Jahrelang der Sender mit der höchsten Einschaltquote, musste TVE dieses Jahr den ersten Platz an den Privatsender Telecinco abtreten. Die von der Regierung beschlossene Etatkürzung von 204 Millionen Euro hatte die Erstausstrahlung bzw. die Rückkehr vieler Sendungen verhindert, die als Publikumsmagnete galten und den Sender gezwungen, auf Wiederholungen zurückzugreifen.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]