Streifzüge – ein Museum erzählt: Die Kammer mit den Mumien


Museen gibt es viele. Auch auf den Kanaren. Die meisten haben etwas Besonderes. Das Museo de Naturaleza y Arqueología (MUNA) in Santa Cruz de Tenerife ist einzigartig und mehr als nur einen Besuch wert. In einer Artikelserie stellen wir es vor und erklären seine Ausstellungen.

Standort: Zweite Etage, Arqueología, Área 3.2 – El mundo funerario

Viele Besucher dieses Museums kommen vor allem wegen der Mumien hierher. Sie sind die Attraktion des Hauses schlechthin. Schnörkellos, unaufgeregt und ohne jegliche Dramatik liegen sie da – aufgebahrt auf Aluminiumblechen in klimatisierten, sterilen Kammern mit hellweißem Licht. Hier erinnert nichts, aber auch gar nichts an das Grauen, das manche Horrorfilme mit künstlichen Mumien zu erzeugen suchen. Echte Mumien sind außerordentlich friedlich und würdevoll. Jeder, der den Raum betritt, verstummt erst einmal. Der Tod hat auch nach Jahrhunderten noch seine eigenen Regeln. Er flößt hier weder Angst noch Schrecken ein. Er ist, so wie er ist, präsent und beherrscht den Raum. Jeder nähert sich ihm auf seine eigene Weise, beobachtet, überlegt und fragt schließlich. So erleben wir Museumsführer Schulklassen ebenso wie Seniorengruppen. Vor solchen Überresten einstiger Menschen wird jeder auf die gleiche Weise still. Dieses Museum ist überhaupt nicht auf diese kleine Kammer ausgerichtet, die so beiläufig und am Rand positioniert ist, dass man sie leicht verfehlen könnte. Aber hier findet jeder Besuch seinen Höhepunkt.

Vor der Gründung des Museo de la Naturaleza y el Hombre, wie das Haus noch bis vor Kurzem hieß, befand sich das archäologische Museum in beengten Räumen im Gebäude der Inselregierung. Dort konnte man eine Mumie in einer nachgebauten dämmerigen Begräbnishöhle betrachten. Das war durchaus beeindruckend, und möglicherweise wünscht sich manch einer insgeheim auch heute eine solche naturnähere Präsentation. Sie war geheimnisvoller und freundlicher. Für die Erhaltung der Mumien war das allerdings weniger gut. So wie sie jetzt auf ihren Blechen liegen, geht es ihnen besser. Und außerdem können wir so leichter mehr Details erkennen. Der Würde der Verstorbenen tut das keinen Abbruch, und die Frage, ob man mumifizierte Menschen in Museen überhaupt ausstellen sollte oder gar dürfe, stellt sich im Moment der Begegnung eigentlich nicht. Sie vertagt sich von selbst auf später und ist eher etwas für Moralphilosophen und Ethiker – aber natürlich durchaus auch für jeden von uns.

In der größten der kleinen Kammern, die den Mumien gewidmet sind, finden wir sechs Mumien: zwei Frauen, zwei Männer und zwei Neugeborene. Zwei weitere, ein Mann und ein zehn- bis zwölfjähriger Junge, liegen in Vitrinen der Nachbarkammer. Hinzu kommen verschiedene mumifizierte Körperteile: Köpfe, Hände, untere Extremitäten und auch ein paar innere Organe. Viel blieb nicht übrig von Tausenden von Mumien, die es einstmals auf Teneriffa gegeben haben soll. Die Grabhöhlen wurden mehr geplündert denn erforscht. Die dort entnommenen Mumienteile oder ganzen Mumien wurden nur selten den privaten Sammlungen gebildeter Eliten einverleibt, sondern nur allzu oft zerstört oder nach Übersee verkauft. Insgesamt besitzt das Museum weit mehr als 100 Mumien und Mumienteile. Nur einige von ihnen sind in dieser Abteilung ausgestellt. Unter diesen befinden sich zwei „Spät-Heimkehrer“, die sogenannten Momias de Necochea, benannt nach ihrem letzten Aufenthaltsort vor ihrer Rückkehr nach Teneriffa im Jahre 2003. Vorher bewahrte man sie in der Nähe von Buenos Aires (Argentinien) auf, wo sie eher ein wenig beachtetes Schattendasein fristeten. Während des internationalen Kongresses zur Mumienforschung 1995 in Cartagena (Kolumbien) wurden kanarische Fachleute unseres Museums auf sie aufmerksam. Wenige Jahre später reisten sie hierher zurück. Wir werden uns später eingehender mit ihnen beschäftigen.

Angesichts der Mumien ganz unterschiedlichen Lebensalters und beiderlei Geschlechts kommen Zweifel an der schriftlichen Überlieferung der frühen spanischen Quellen zur Mumifizierung auf. Die Aussage, nur die Vornehmsten seien mumifiziert worden, deckt sich nicht mit den archäologischen Befunden. Wieder einmal zeigt sich, dass die Autoren des 16. Jahrhunderts Informationen vom Hörensagen und eigene Vorstellungen und Erfahrungen vermischt haben. Nicht nur diese Wissenschaft steckte damals noch in den Kinderschuhen. Ihre nicht immer verlässlichen Aussagen wirken aber bis heute noch in vielen Ansichten über die Guanchen nach.

Michael von Levetzow

Tenerife on Top

Museo de Naturaleza y Arqueología, C/ Fuente Morales, Santa Cruz.

Geöffnet: Di.-Sa. 9.00-20.00 Uhr; So., Mo. u. Feiertage 10.00-17.00 Uhr.

Eintrittspreise: 5 € (Residenten 3 €); Senioren ab 65 Jahre 3,50 € (Residenten 2,50 €); Kinder unter 8 Jahren frei. Freier Eintritt jeden Fr. u. Sa. 16.00 – 20.00 Uhr (falls Feiertag 13.00 – 17.00 Uhr)

Jeden Mittwoch 11.00 Uhr Führung in deutscher Sprache (ohne Aufpreis). Museums-WiFi auf Deutsch.

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