„Türen auf!“


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„Lichtblicke“ der deutschen Seelsorger auf Teneriffa – diesmal von Pfarrer Roland Herrig, Evangelische Gemeide Teneriffa Süd

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! – Wenn wir – wie jedes Jahr – am Sonntag, dem 1. Advent unser Gemeindefest auf der Finca Aguadulce feiern werden, dann wird auch – wie jedes Jahr – das bekannteste und meistgesungene christliche Adventslied erklingen: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit!

In diesem Jahr mag dieses Lied einen besonderen Klang annehmen. Es schwingt mit, was die Menschen in Deutschland und in Europa seit Monaten am meisten beschäftigt. War Angela Merkel vielleicht schon auf Advent gestimmt und hatte diesen Vers im Kopf, als sie die Tore und Türen für Flüchtlinge und Einwanderer weit öffnete? – Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!

Immerhin hat diese Haltung – wer Hilfe braucht und um Einlass bittet, den können wir nicht wegschicken – einen zutiefst christlichen Hintergrund. Übt Gastfreundschaft, schreibt der Apostel Paulus unter anderem im Römerbrief. Christliche Häuser, Klöster, Kirchen, Pfarrhäuser haben zu allen Zeiten ihre Türen für Hilfsbedürftige geöffnet. Weihnachten werden wir wieder die Geschichte von Maria und Josef hören, die dringend eine Unterkunft suchten – und fanden: Weil ein gutherziger (nicht böser, wie oft dargestellt) Wirt trotz Überfüllung noch das letzte bisschen Platz im Stall für sie frei machte.

Was er dabei nicht wusste: Er machte Tor und Tür weit, und es kam tatsächlich der Herr der Herrlichkeit. Verkleidet als armes Neugeborenes, als Kind von Fremden, die unfreiwillig dort waren, wo sie gerade waren. Und wenig später wurde aus diesem Kind ein Flüchtlingskind: mit seinen Eltern auf dem Weg nach Ägypten. Wie es dort aufgenommen wurde, wie es ihm dort ging, wird uns nicht überliefert. Aber offensichtlich doch so, dass es überleben konnte.

Offene Türen, offene Herzen brauchen Menschen, die aus Not und Elend fliehen. Nicht jedes Kind auf der Flucht ist der Herr der Herrlichkeit, können wir sagen. Aber vielleicht denken wir auch an den Satz Jesu, des Herrn der Herrlichkeit: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern (und Schwestern), das habt ihr mir getan. – Der Herr der Herrlichkeit identifiziert sich mit den Schwachen und Hilfsbedürftigen.

Ein Freund und Kollege berichtet mir aus Mitteldeutschland, wo einzelne sich bereit erklärten, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterzubringen. Als Dorfbewohner vor ihnen ausspuckten und sie als Volksverräter beschimpften, bekamen sie Angst und sagten wieder ab. – Entsetzlich!

Jesus sagt auch: Was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern (und Schwestern) nicht getan habt, das habt ihr mir auch nicht getan. Und er spricht davon, dass diese auch einmal vor verschlossenen Türen stehen werden – vor verschlossenen Himmelstüren.

Man kann über die politischen Entscheidungen, die zu dem nicht abreißenden Flüchtlingsstrom geführt haben, unterschiedlicher Meinung sein; wahrscheinlich kann es auch in dieser Form nicht lange weitergehen. Aber Menschen, die in unmittelbarer Not vor unserer Tür stehen, diese vor der Nase zuzuschlagen, das geht auch nicht.

Offene Türen zeigen an: Hier sind offene Herzen.

Der Advent ist eine gute Zeit, um Herzen und Türen zu öffnen.

Roland Herrig

Evangelische Kirche

Gemeinde Teneriffa Süd

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