Verjährung?


Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Armin Reichmann

Eine der klassischen Fragen, die ein Mandant bei einem Besuch bei einem Rechtsanwalt stellt, lautet sicherlich: „Wann ist denn das verjährt?“. Diese Frage kann einen durchaus unterschiedlichen Hintergrund haben, zum einen eventuell die Sorge, dass man dringend Maßnahmen ergreifen sollte, um bei einem Schuldner die Verjährung zu verhindern, evemtuell aber auch genau umgekehrt die Hoffnung, dass gegen einen selbst gerichtete Ansprüche (hoffentlich!) verjährt sein könnten.

Nun ist die Verjährung ein vertracktes Thema, und der Gesetzgeber hat, natürlich unbeabsichtigt, alles dafür getan, diese Fragen so komplex wie möglich zu halten. Aber eigentlich ist es wie im richtigen Leben: Es gibt eine klare Regel, aber sehr sehr viele Ausnahmen. Hinzu kommt, dass diese eben genannte „klare Regelung“ im Oktober 2015 geändert wurde, als nämlich die allgemein geltende Verjährungsfrist von 15 Jahren auf 5 Jahre herabgesetzt wurde. Ansprüche die bereits vor diesem Zeitpunkt entstanden waren, verjähren aufgrund einer Übergangsvorschrift erst, nachdem die nun neu geltende Verjährungsfrist vollständig abgelaufen ist. Die entsprechenden Vorschriften sind überwiegend im Zivilgesetzbuch (código civil; c.c.) in den Vorschriften Art. 1961 ff. c.c. enthalten, bzw. was handelsrechtliche Vorgänge angeht, in den Artikeln 942 ff des Handelsgesetzbuches (código de comercio; C.com.) 

Einprägsam oder gar logisch nachvollziehbar sind Verjährungsfristen selten (was u.a. schon einmal erklärt, warum man so oft gefragt wird).

Kann man sich überhaupt vorstellen, dass es Ansprüche gibt, die nie verjähren? Das gibt es in der Tat und zwar bei den Ansprüchen auf Auflösung einer Erbengemeinschaft, Aufteilung eines gemeinsamen ideellen Eigentums oder der Grenz- berichtigung mit Grundstücksnachbarn.

Die längste Verjährungsfrist mit 30 Jahren gilt für dingliche Ansprüche bei Immobilien, mit Ausnahme der Hypothek, hier sind es 20 Jahre. Vergleichbare Ansprüche bei Mobilien, beispielsweise auf Eigentumsverschaffung, verjähren in sechs Jahren.

Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt, wie schon oben ausgeführt, 5 Jahre. Ebenfalls in 5 Jahren verjähren Unterhaltsansprüche, Mietansprüche bzw. sonstige Ansprüche, für die regelmäßige Zahlungsfristen gelten.

Innerhalb von drei Jahren verjähren Ansprüche gegen Richter, Rechtsanwälte, Registerführer, Notare und Sachverständige, ebenso die der Händler auf Bezahlung der gelie- ferten Ware.

Bereits nach einem Jahr verjähren Ansprüche auf Wiedereinräumung des Besitzes, sowie außervertragliche zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz.  

Innerhalb von sechs Monaten verjähren Gewährleistungsansprüche aller Art aus Verträgen zwischen Privatpersonen (Art. 1490 c.c.). 

Besonders wichtig sind natürlich Maßnahmen, die ggf. eine drohende Verjährung unterbrechen können. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird. Eine außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs unterbricht zwar auch die Verjährung, aber hier muss man einen hieb- und stichfesten Nachweis des Zugangs beim Schuldner schaffen. Ein Brief, selbst per Einschreiben, wird insoweit nicht ausreichen; hier kann nur eine notarielle Zustellung (requerimiento notarial) in Betracht kommen.

Im Baurecht gibt es eigene Verjährungsvorschriften. Hervorzuheben ist hier die bekannte und gesetzlich vorgeschriebene zehn Jahres-Versicherung (seguro decenal), die bei dem Neubau eines Hauses vom Bauunternehmen vorzulegen ist. Diese umfasst Mängel, die das Fundament, tragende Wände, Balken und Träger sowie sonstige statisch relevante Bauteile betreffen. Innerhalb von drei Jahren verjähren Ansprüche aufgrund von Mängeln an baulichen Elementen oder sonstigen Installationen, welche die Bewohnbarkeit des Hauses einschränken. Eine einjährige Verjährungsfrist gilt hingegen bei  Mängeln in der Ausführung der Arbeiten.

Das Handelsrecht enthält einige Spezialregelungen, so verjähren Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschafter innerhalb von drei Jahren, der Anspruch auf Auszahlung von Dividenden innerhalb von fünf Jahren. Hingegen verjähren Ansprüche gegen Geschäftsführer oder Vorstände einer Gesellschaft innerhalb von vier Jahren.

Ansprüche aus Wechseln verjähren in drei Jahren, hingegen diejenigen aus einem Scheck bereits nach sechs Monaten.

Nach so vielen durchaus verwirrenden Verjährungsfristen kann ausnahmsweise einmal das Steuerrecht mit einer recht einfachen Verjährungsregelung aufwarten.

Hier gilt grundsätzlich eine vierjährige Verjährungsfrist, die in aller Regel mit dem letzten Tag der Abgabepflicht der jeweiligen Steuererklärung beginnt. Beispiel: Die Frist zur Abgabe der Vermögensteuer läuft am 30. Juni des Folgejahres ab. Entsprechend beginnt ab 1. Juli 2016 die Verjährung für steuerliche Verpflichtungen aus 2011.

Geradezu gespenstisch mutet es an, dass die Regierung im Falle von Krieg, Epidemien oder Revolutionen alle Verjährungsfristen außer Kraft setzen kann, auch wenn das in einer solchen Situation die geringste Sorge der Bürger sein dürfte.

Ich hoffe, Sie konnten sich das alles merken.

Dr. Armin Reichmann

Rechtsanwalt / Abogado

Palma de Mallorca

www.dr-reichmann.com

Tel. 971 91 50 40

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