Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Eine junge Frau sitzt vor mir in der Sakristei von San Telmo und klagt mir ihr Leid: „Kein Partner will bei mir bleiben. Immer hauen die Herren bereits nach kürzester Zeit ab. Dabei möchte ich doch einfach nur gerne Nähe und Gemeinschaft, ein wenig Zweisamkeit, Zärtlichkeit und Herzlichkeit. Aber nein! Dabei gebe ich mir so viel Mühe. Ja, ich finde das schon. Schließlich opfere ich all meine freie Zeit, um sie mit dem so sehnlich gewünschten Partner zu verbringen. Ich versuche wirklich alles, damit er es schön hat und bei mir bleibt. Aber nein. Auch er haut wieder ab. Es gibt wohl nur eine Lösung. Ich muss ihn einfach fester binden.“
Vorsicht Falle, sage ich zu der wirklich liebenswerten jungen Frau. Denn je fester Sie halten, umso schneller ist er wohl entflohen. Das ist so wie mit der nassen Seife im Bad. Je fester man sie drückt, umso weiter springt sie fort. Die Falle besteht darin, dass viele aus einer Not heraus genau den falschen Schluss ziehen. Weil sie mir immer weglaufen, sagt sich die junge Frau, muss ich noch fester halten. Ist eigentlich logisch, aber in dem Punkt eben genau falsch. Die Herren laufen der jungen Frau gerade deshalb weg, weil sie sie festbinden will. Je fester sie sich aber an den Partner klammert, umso heftiger werden wohl in ihm Fluchtgedanken hervorgerufen. Also: Nicht klammern, sondern loslassen. Nicht fesseln, sondern freilassen. Und siehe da, die Chance, dass er bleibt, erhöht sich enorm. Denn: Er fühlt sich wohl und frei.
Vorsicht. Nächste Falle!
Ich lebe gern, und ich esse gern. Es schmeckt mir einfach, und ich kann genießen. Ich bin ein überaus lustiger Mensch. Deshalb sind auch Lust und Vergnügen, Spaß und Freude wohl überaus wichtige Motive in meinem Leben. Deshalb heißt aber auch meine Falle nur allzu häufig: Mehr ist besser. Immer nehme ich einen Löffel zu viel. Das geht ganz automatisch und ohne große Überlegung. Und das gilt nicht nur für das Essen. Es gilt für alles Vergnügen, sogar oft für die Arbeit. Und die Falle besteht dann darin, dass ich so gerade mein Vergnügen oder auch die Freude zerstöre. Ich esse dann zu schnell und zu viel, wie mir immer wieder in meiner Familie bestätigt wird. Genieße doch einfach mal, sagte mir unlängst ein Freund. Doch ich kann durchaus all die Menschen gut verstehen, die von sich sagen: Ich kenne nur zwei Zustände, entweder habe ich Heißhunger oder mir ist schlecht…
Also wieder merken: Die Falle besteht darin, dass ich genau das Gegenteil von dem erreiche, was ich eigentlich will. Ich möchte Genuss und Freude und schaffe mir Überdruss und Ekel. Oder bei der jungen Dame. Ich möchte nahe Gemeinschaft und produziere Trennung.
Drittes Beispiel. Nehmen wir den Mann, der sehr führungsbegabt ist und auch bereit zum Leiten. Groß und stark und souverän wirkt er. Er übernimmt Führung, er trägt Verantwortung und tut all das überaus gern. Nach ein paar Jahren sieht es dann so aus: Er hat drei Leitungsposten zugleich. Er kommt zu jeder Sitzung zu spät, weil er mal wieder gerade aus einer anderen kommt. Ab und an kommt es sogar vor, dass er bei einer solchen Sitzung einschläft. Häufig muss er auch früher weg, weil schon wieder ein Termin auf ihn wartet. Nicht allen in seiner Umgebung ist er aufgrund seines Tatendrangs koscher, manche hassen ihn sogar dafür. Gerade weil er gern Führung und Verantwortung übernimmt, verliert er sie mehr und mehr. Weil er alles leiten, kontrollieren und in der Hand behalten will und nichts loslassen kann, läuft er immer öfter Gefahr, schlussendlich alles zu verlieren. Siehe Ferdinand Piëch in diesen Wochen und Tagen. Er wird als Führungsfigur untragbar und wird abgelöst. Tragisch. Und typische Falle.
Kennen Sie vielleicht auch solche Geschichten? Bei anderen ist das ja oft viel leichter zu durchschauen und auch die Lösung leichter zu erkennen. Für die Betroffenen aber ist das oft schwer, sehr schwer sogar. Erstens zu erkennen und dann auch noch zu akzeptieren. Zweitens besser damit umzugehen. Die Falle ist immer eine falsche Lösung für ein berechtigtes Bedürfnis, für eine Sehnsucht oder auch für eine Gabe. Alle diese genannten Fallen haben auch mit Vertrauen und mit Loslassen oder Selbermachen zu tun. Die junge Frau – sie gleicht in meinen Augen der Maria von Magdala, die Jesus nach dessen Auferstehung festhalten will. Sie wird erst in dem Moment wirklich frei, als sie loslässt und vertraut, dass der Geliebte eben nicht wegläuft, wenn sie ihn freilässt. Wer wie ich nach dem Grundsatz lebt: „Mehr ist besser“, muss darauf vertrauen lernen, dass genug da ist, dass er bekommt, was er braucht. Ja, dass er richtig froh wird, wenn er versteht und lebt, dass weniger mehr ist. Der Führungstyp muss darauf vertrauen, dass auch andere einen Job gut machen können und er delegieren darf und dass er besser leitet, wenn er andere mit hineinnimmt und Verantwortung abgibt. Und insofern hat der bessere Umgang mit Fallen damit zu tun, dass ich nicht meinen Urängsten nachgebe – vor dem Verlassenwerden, vor dem Mangel und der Leere, vor dem Zusammenbruch und der Ohnmacht, sondern dass ich darauf vertraue, dass Gott da ist und mir gibt, was ich zum Leben brauche.
Finden Sie einmal heraus, was bei Ihnen solche Fallen sind und üben Sie das Vertrauen, dass Gottes Hand Sie hält und alles Not-Wendige für Sie bereithält.
Herzlichst, Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
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