„Wir sind keine Rassisten und auch nicht unsolidarisch“


© Moisés Pérez

Anwohner protestierten gegen Unterbringung minderjähriger Immigranten in ihrem Dorf

„Fuera, fuera!“ schimpften aufgebrachte Anwohner am 25. Mai in dem zu Garachico gehörenden kleinen Bergdorf La Montañeta, als die 32 minderjährigen Immigranten aus dem Bus stiegen. Die 13- bis 17-jährigen Jungen aus Mali und Senegal, die in den vergangenen Wochen als Bootsflüchtlinge auf Teneriffa angekommen waren, wurden aufgrund der Überlastung aller Immigrantenauffanglager übergangsweise in die Herberge des Roten Kreuzes bei La Montañeta verlegt.

Unter Polizeischutz verließen sie den Bus und liefen schnell durch das Tor auf die Herberge zu. „Es sind ruhige Jungen, die nun verschreckt sind“, berichtete ein Sicherheitsbeamter.

Der Empfang muss auf die Jugendlichen, zum Teil noch Kinder, schockierend gewirkt haben. Schreiende und geifernde Männer und Frauen, die mit dem Finger auf sie zeigten und immer wieder schrien „fuera!“. Sie trugen Plakate mit der Aufschrift „No inmigración“ und machten ihrem Ärger über die Verlegung der Minderjährigen in ihr Dorf Luft.

„Sie hatten uns gesagt, dass es Kinder sind, doch als wir sie aus dem Bus steigen sahen waren wir überrascht, es sind gestandene Männer. Wir wissen nicht ob sie kriminell sind oder Krankheiten haben. Wir sind keine Rassisten und nicht unsolidarisch, aber diese Herberge bietet nicht die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, um einen Ausbruch der Jugendlichen zu verhindern“, sagte Jennifer León, Sprecherin der Anwohner. Eine andere Frau äußerte ebenfalls Bedenken über die möglichen Krankheiten, die diese Jugendlichen übertragen könnten: „Wir haben gesehen, wie die Mitarbeiter des Roten Kreuzes sich mit Handschuhen und Atemmasken schützen.“

Selbst Garachicos Bürgermeister, Ramón Miranda, stellte sich auf die Seite der Anwohner und rechtfertigte ihren Protest. „Es sind fast alles ältere Menschen, die alleine leben und aufgrund von Unkenntnis Angst haben“, erklärte er. Als Bürgermeister habe er zwar die Minderjährigen willkommen geheißen, er werde sich jedoch dafür einsetzen, dass nicht noch mehr Immigranten in seinem Städtchen untergebracht werden.

Canarios – ein Volk der Emigranten

Die Reaktionen auf politischer Ebene ließen nicht lange auf sich warten. Über verschiedene Sprecher forderte die Regionalregierung das Ende der verbalen Angriffe, die schnell als rassistisches Verhalten der kanarischen Bevölkerung gegenüber den afrikanischen Flüchtlingen ausgelegt werden könnten. Der Regierungsdelegierte José Segura rief zur Besonnenheit auf und warnte vor „hysterischen Ausschreitungen“. Immerhin handele es sich bei den Flüchtlingen nicht um „gefährliche Ware oder Sperrmüll, sondern um Menschen“, sagte er.  Er erinnerte außerdem daran, dass die Canarios ein Volk der Emigranten seien und er sich als Canario für ein solches Verhalten seiner Landsleute nur schämen könne. Auch die kanarische Sozialministerin appellierte an die Solidarität der Bürger und erinnerte daran, dass nach dem spanischen Bürgerkrieg viele Canarios auf der Suche nach einer besseren Zukunft nach Südamerika emigrierten.

Schnell beeilten sich auch Bürgermeister anderer Gemeinden im Inselnorden, ihre Solidarität mit den minderjährigen Flüchtlingen zu zeigen. Schon einen Tag nach den Aufsehen erregenden Protesten besuchten die Stadtoberhäupter von Los Silos, La Guancha, Buenavista, Icod und El Tanque die Jugendlichen und unterhielten sich mit ihnen im Plauderton. Auch Ramón Miranda war dabei und zeigte sich äußerst freundlich und verständnisvoll. Solidarität wurde plötzlich wieder groß geschrieben und er räumte ein: „Die Angelegenheit ist uns etwas entglitten.“

Tatsächlich handelte es sich bei den Protestlern um eine Minderheit, zumeist ältere Menschen, deren Befürchtungen in Unkenntnis begründet sind. Die Solidaritätsbekundungen der Canarios halten sich allerdings trotzdem in Grenzen.

Viele sind ähnlicher Meinung wie die Anwohner von La Montañeta. Man will nicht unsolidarisch sein, aber Immigranten bitte nicht in unserem Dorf. „Sollen die Politiker sie doch in ihren Chalets und Zweitwohnsitzen unterbringen“, kommentierte eine Tageszeitung.

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