Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Viele von uns wurden in ihrer Kindheit darin unterwiesen – und zwar konsequent – stets freundlich und lächelnd zu allem „Ja“ oder auch „Danke“ zu sagen. Nicht dass wir uns jetzt falsch verstehen: Ich halte es überhaupt nicht grundsätzlich für falsch, dass man „Danke“ oder auch „Ja“ zu etwas oder jemandem sagt. Nur – für viele bestand doch überhaupt nicht die Möglichkeit, zuerst mal darüber nachzudenken, zuerst mal in sich hineinzufühlen, in sich hineinzuhorchen, um sich dann wirklich in aller Ruhe für ein deutliches „Ja“ oder auch ein konkretes „Nein“ zu entscheiden.
Ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass vielen das Gefühl einer wahren und aufrichtigen Dankbarkeit versagt geblieben ist, weil überhaupt kein Raum für eigene Empfindungen vorhanden war, wenn sie wieder einmal aufgefordert waren, „Danke“ zu sagen. So wurde ein Sprachprogramm mit ganz wenigen Bausteinen in ihnen selbst installiert und das hatte zu genügen. Dabei wurde quasi gratis noch das Gefühl mitgeliefert, nicht tauglich zu sein, Situationen eben nicht selbst richtig einschätzen und somit fundierte Entscheidungen treffen zu können. So entstand eine Unsicherheit gegenüber dem Leben und eine Angst vor dem, was wir „Ich“-sagen nennen.
Ich möchte jetzt nicht dieses Wort Unterdrückung heranziehen um deutlich zu machen, wie sich solche Menschen fühlen müssen; aber ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die genau so empfinden müssen, wenn sie feststellen, dass ihr eigenes „Wollen“ und „Nehmen“, ihr „Kontra“ und „Gegen“ von anderen nicht ernst genommen, sondern unter Verschluss gehalten wird. Je weniger jemand sagt, umso mehr können andere reden und je weniger jemand einen Plan hat, desto mehr können andere über ihn bestimmen.
Wenn Sie ein Mensch sind, der sich genauso fühlt, dann nehmen Sie doch das neue Jahr zum Anlass, damit Schluss zu machen und endlich selbst zu entscheiden, wozu sie „Ja“ oder auch „Nein“ sagen möchten. Jede und jeder von uns kann aus sich selbst, aus seinem Gefühl heraus die richtigen Worte folgen lassen. Ich sage „Danke“, wenn ich dankbar bin. Und wie ich einem Gefühl die richtigen Worte folgen lassen kann, so kann ich einem Gefühl auch die richtigen Taten folgen lassen: Indem ich z.B. Dinge die ich nicht will eben auch nicht annehme, sie ablehne und bestimmt und klar sage: „Nein, das will ich nicht!“ Es ist Zeit, dass wir uns selbst die Möglichkeiten geben, das zu sagen, was wir fühlen, und zu tun, was unserem Gefühl entspricht. Zeit – endlich für sich selbst einzustehen.
Ich will Sie jetzt nicht zu einem Querulanten machen, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Das sind Menschen, die überall und ohne einen nachvollziehbaren Grund stänkern und mosern; sich gegen alles und jeden wehren und gar nicht mehr fähig sind zu unterscheiden, ob ihr Kontra einer Sache oder einer Situation gegenüber überhaupt angemessen ist oder nicht. Ich halte beide Formen für falsch: Den Querulanten, der für seine Umwelt manchmal nur schwer zu ertragen ist, aber auch den ewigen „Ja und Amen-Sager“, der so leicht manipulierbar ist und stetig wohl an sich selbst zweifelt.
Wir müssen uns auf nichts von beidem einlassen. Denn beide Extreme sind ungesund und schaden nur uns selbst. Ich glaube, wir können sowohl lernen, unsere zerstörerische Wut im Zaum zu halten, als auch unsere vorhandene Wut zu spüren und ihr Ausdruck zu verschaffen. Wut muss heraus – am besten gleich da, wo sie entsteht – keine Frage. Aber wenn wir Wut empfinden, dann hat das ja immer einen Grund. Einen Grund, dem wir nachgehen sollten. Und wenn wir ihn kennen, dann sollten wir die Wut ehrlich äussern, mit klaren Worten und stimmigen Handlungen Kontra geben. Das befreit den, der Wut in sich verspürt, aber es wirkt nicht zerstörerisch auf den oder die, welche Anlass für die Wut waren.
So wünsche ich Ihnen für 2006 das Einüben zweier Verhaltensweisen: Sich einmal zu sagen: „Es ist Zeit für mich“ – ohne einem reinen Egoismus zu fröhnen und: „Ich kann Kontra geben!“ Beides richtig wahr- und ernstgenommen führt auch zu einem besseren Verständnis dessen, was wir unter dem Gebot der Nächstenliebe verstehen: Liebe deinen Nächsten – wie Dich selbst!
Ihr Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.wochenblatt-kanaren.com
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