Wut auf Banken, Politik und Justiz


Die Demonstranten bezeichneten Banker, Politiker und Richter als korrupte Verbrecher. Foto: EFE

Hunderte Demonstranten vor dem Obersten Gerichthof geben Bankern, Politikern und Richtern die Schuld an der Dauerkrise

Madrid – Es war nur der Funke, der das Fass zum Überlaufen brachte: Überraschend hatte die dritte Kammer des Obersten Gerichtshofes entschieden, dass eine bei der Eintragung einer Hypothek anfallende Steuer von den Banken zu tragen sei, und dadurch mit der bisherigen Rechtsauffassung des Gerichts gebrochen. Die Banken protestierten, weil sie Rückerstattungen an ihre Kunden in Milliardenhöhe befürchteten und die plötzlich eingetretene Rechtsunsicherheit aktuell anstehende Hypothekenabschlüsse behinderte.

Nur vierzehn Tage später revidierte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung, um zu der bisherigen Auffassung, dass der Kunde steuerpflichtig sei, zurückzukehren. Damit machte der „Tribunal Supremo“ die enge Verzahnung von Wirtschaft, Politik und Rechtsprechung für manche allzu offensichtlich. Am darauffolgenden Wochenende versammelten sich Hunderte Demonstranten trotz Regens und Kälte vor dem Gerichtsgebäude, und es ging ihnen längst nicht mehr nur um die Hypothekensteuer: Es war ein Protest gegen das System selbst. Die Menge sah in den Bankiers, Politikern und Richtern den Grund für die seit 2008 in Spanien herrschende Krise, die – laut einer Umfrage von El País – nach Ansicht von 84,4% der Bevölkerung noch nicht ausgestanden ist.

Ärger und Desillusio­nierung

Auf der Plaza Villa de París hielten die Versammelten, größtenteils Bürger mittleren Alters und Senioren, Schilder hoch und skandierten Sprüche wie: „Un hipotecado es un esclavizado”(Hypotheken sind Sklaverei), „Tenemos la solución, los banqueros a prisión” (Wir haben die Lösung, Banker ins Gefängnis), „El oro del banquero, la sangre del obrero” (Das Gold des Bankiers, das Blut des Arbeiters) und „La justicia es igual para todos, las sentencias no” (Die Justiz ist für alle gleich, die Urteile nicht). Und, mit Bezug auf die Polizisten der Policía Nacional, die das Gerichtsgebäude sicherten: „Detrás de los agentes están los delincuentes” (Hinter den Polizisten befinden sich die Verbrecher).

Verschiedene Demonstranten äußerten sich gegenüber einem Reporter der Tages­zeitung El País. Ein Rentner sagte: „Gibt es Demokratie? Es gibt sie als Karikatur. Das Wichtige wird niemals angefasst. Demokratie ist weder mit Kapitalismus noch mit erblicher Monarchie vereinbar. Doch eines muss man ihnen lassen, der Mechanismus funktioniert perfekt.” Andere sagten: „Die Banken regieren das Land”, „Die Geduld der Spanier scheint unendlich, aber sie ist es nicht. Sie übertreiben es immer wieder und manchmal auf eine Weise, dass nichts anderes übrigbleibt, als auf die Straße zu gehen”. Ein Redner erklärte: „Wir haben nichts Neues entdeckt, aber es hat sich diesmal auf eine sehr grobe Art gezeigt: Die Unterwerfung der politischen Macht unter die wirtschaftliche Macht, die bis in die Justiz hineinreicht.” An diesem Nachmittag erinnerte die Stimmung ein wenig an das Jahr 2011, als die „Indignados”, die Empörten, dem Zwei-Parteien-System in Spanien ein Ende bereiteten, und die Partei Podemos daraus hervorging. Vertreter dieser Partei mischten sich unter die Demonstranten, unter ihnen Parteichef Pablo Iglesias, der aktuell die drittstärkste Fraktion im spanischen Parlament führt.

Der Gesetzgeber greift ein

Schon am Donnerstag vor den obengenannten Protesten vom zweiten Novemberwochenende hat die Politik auf den Skandal im Obersten Gerichtshof reagiert und ein Dekret verabschiedet, das eindeutig klärt und festlegt, dass es die Banken sind, welche die umstrittene Hypothekensteuer zu entrichten haben und nicht, wie bisher, die Kunden. Das Dekret trat schon zwei Tage später in Kraft, sodass die neue Regelung ab sofort für alle neuen Darlehensverträge mit Hypothekensicherung gilt. Es beinhaltet zudem eine Änderung des Körperschaftssteuergesetzes, damit die Banken diese Steuer nicht als Kosten absetzen können. So wird sichergestellt, dass den Kommunen weiterhin alljährlich rund zwei Milliarden Euro aus dieser Steuer zufließen.

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