Zustand der Archive erschwert Suche nach geraubten Babys


Die Opfer des Babyraubes und der illegalen Adoptionen kämpfen und demonstrieren schon seit Jahren mit geringem Erfolg für die Aufklärung der Verbrechen (Archivbild einer Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude in Madrid). Nun arbeitet die Gruppe „Sin Identidad“ daran, einen konstruktiven Beitrag zur Gestaltung des kanarischen Gesetzes für historische Erinnerung zu leisten. Foto: EFE

Archivistik-Experte Víctor Bello hält ein neues Archivierungsgesetz für erforderlich, um die Straftaten der Franco-Ära aufzuklären

Kanarische Inseln – Ende Mai wurde in der Universität von La Laguna eine Tagung abgehalten, um über den Entwurf für ein kanarisches Gesetz der historischen Erinnerung (Ley sobre Memoria Histórica) zu debattieren. Organisiert wurde die Veranstaltung durch die Gruppe „Sin Identidad“ (Ohne Identität), eine Selbsthilfevereinigung, die sich darum bemüht, den Raub und die illegale Adoption von Hunderten von Neugeborenen unter Beteiligung von Krankenhäusern, kirchlichen Einrichtungen und Behörden in der Franco-Ära und auch danach aufzuklären und Familien zusammenzuführen.

Unter den Teilnehmern war auch der Archivistik-Experte Víctor Bello. Er erklärte, ein kanarisches Archivierungssystem existiere praktisch nicht, und diese Tatsache erschwere die Untersuchung der Fälle geraubter Kinder und illegaler Adoptionen auf den Inseln erheblich. Es sei lobenswert, dass man im Rahmen des neuen Gesetzes der historischen Erinnerung ein Dokumentationszentrum einrichten wolle, das die Untersuchung der Straftaten in der Franco-Ära unterstützen soll. Doch dies sei unmöglich, wenn parallel dazu nicht das Archivierungsgesetz (Ley de Archivos) abgeändert und auch befolgt werde.

Ohne System

Nach Ansicht Bellos fehlt auf den Inseln ein Archivierungssystem, das alle existierenden Archive einbindet. Diese seien in der Hand der Regionalregierung, der Inselcabildos, der Gemeindeverwaltungen, nicht zu vergessen die Archive der kirchlichen Einrichtungen, Krankenhäuser, des Militärs, um nur einige zu nennen. Den meisten kanarischen Archiven fehle es an Mitteln und Personal, und auf kommunaler Ebene seien sie oft nicht einmal vorhanden. Dies sei in der Hälfte aller Stadt- und Gemeindeverwaltungen der Fall. Und die Pfarrarchive, so führte Bello weiter aus, seien sehr unzugänglich.

In dieser Situation hätten die Opfer praktisch keine Möglichkeit, Zugang zu den Dokumenten zu erlangen. Zwar gebe es seit 1990 ein kanarisches Archivierungsgesetz, doch selbst die grundlegendsten Werkzeuge seien nicht vorhanden. Er sei zu der Überzeugung gelangt, dass niemand wisse, welche Archive es gibt und was sie enthalten.

Ein Archiv zu organisieren, koste sehr viel Mühe, Zeit und Arbeit. In den entsprechenden Abteilungen arbeite jedoch gewöhnlich nur eine einzige Person, die damit beschäftigt sei, die täglichen Aufgaben zu erfüllen. Für die Digitalisierung und Systematisierung der Dokumente bleibe keine Zeit. So komme es, dass zwar in einigen Fällen ungerechtfertigte Hürden gegen die Recherche der Opfer aufgebaut würden, in vielen anderen jedoch einfach Personalmangel die Unterstützung der Nachforschungen verhindere.

Als weiteres Hemmnis für die Aufklärung werde oft der Datenschutz ins Feld geführt, auch dann, wenn es sich um historische Dokumente handle, die über 50 Jahre alt sind. Spanien habe nicht einmal ein Gesetz, das die Freigabe von Daten regelt. Um Untersuchungen über die Franco-Ära durchführen zu können, mussten mehrere Hundert Historiker erst eine Petition starten, damit die Militärarchive geöffnet werden konnten. Auch Geldmangel und der Schutz der Ehre von Personen, die in den Dokumenten erwähnt sind, werde immer wieder ins Feld geführt, um die Erhaltung der Archive und den Zugang zu den Dokumenten zu blockieren.

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