100 Canarios auf geheimer Mission


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Kanarische Regierung investiert 7 Mio. Euro in moderne Marketingstrategie

Das Tourismusamt der Kanarischen Regierung will pünktlich zum Beginn der grauen und kalten Winterzeit, die vor allem den Menschen in Nordeuropa zu schaffen macht, die Kanaren als ganzjähriges Klimaparadies bekannter machen. Dazu wurde kürzlich ein neuartiges Marketingkonzept gestartet, das die Kanarischen Inseln europaweit ins Gespräch bringen und somit wieder mehr Besucher auf die Inseln locken soll.

Reykjavík – Unter dem Motto „No Winter Blues“ soll der Besuch auf einer der sieben Kanaren-Inseln als perfektes Heilmittel gegen die saisonale Winterdepression vermittelt werden.

Zur Überbringung dieser Botschaft wurden einhundert junge Canarios, die sich aus rund 15.000 Bewerbern über ein Internet-Auswahlverfahren und bei einem Casting durchgesetzt hatten, im Oktober für eine Woche als Tourismus-Botschafter in den hohen Norden geschickt. Die Mission lautete, ihr Glück, auf den Kanarischen Inseln zu leben, mit den Einwohnern eines zunächst unbekannten, nordeuropäischen Landes zu teilen und sie zu überzeugen, dass die Kanaren das beste Heilmittel für den „Winter-Blues“ seien.

Um sich als Botschafter der Kanarischen Inseln zu qualifizieren, mussten die Kandidaten zwischen 18 und 35 Jahre alt sein, auf den Kanarischen Inseln leben und umfassende Kenntnisse über ihre Heimat vorweisen können, sowie gut Englisch sprechen.

Das genaue Ziel wurde bis kurz vor der Reise geheim gehalten. Da es lediglich hieß, die Mission finde in der Hauptstadt eines kalten Landes in Nordeuropa statt, wurde im Vorfeld zwischen Stockholm, Helsinki, Kopenhagen oder Oslo spekuliert.

Kurz vor Abflug des gecharterten Flugzeugs, in dem die Botschafter mit den Organisatoren und Pressevertretern zu ihrem Einsatzort fliegen sollten, fand eine große Pressekonferenz am Flughafen von Gran Canaria statt, bei der die PR-Initiative der Presse vorgestellt wurde. Erst zum Ende ihrer Ansprache gab die Leiterin des Tourismusamts, Rita Martín, endlich das Ziel der Reise bekannt: Reykjavík, Island – ein Land, das durch seinen vulkanischen Ursprung und der Insellage viel mit den Kanaren gemein habe, und das aufgrund seines langen, dunklen Winters besonders schwer vom Winter Blues betroffen sei, wie sie erklärte.

Die Überraschung unter den Anwesenden war groß; mit diesem Ziel hatte wohl kaum einer gerechnet, denn die Isländer machen zwar gerne Urlaub auf den Kanarischen Inseln, aber im Vergleich zu Ländern wie Schweden oder Norwegen ist Island mit seinen knapp 320.000 Einwohnern nur ein kleiner Fisch für den kanarischen Tourismus. Außerdem hat die Finanzkrise kaum ein Land so hart getroffen wie Island, wo die drei größten Banken nach riskanten Bankgeschäften abstürzten und das Land kurz vor den Staatsbankrott brachten.

Doch die Idee der Werbestrategen sollte andere Ziele verfolgen, und so ging es per Direktflug in die Hauptstadt Islands, wo die Mission der Tourismus-Botschafter am nächsten Morgen bereits startete. Eingekleidet in eine auffällige, orangefarbene Uniform, strömten sie wie die Ameisen in ganz Reykjavík aus, um die Isländer von den Vorzügen der Inseln des ewigen Frühlings zu überzeugen und sie zu einem großen kanarischen Freundschaftsfest einzuladen. Dort und an zwei weiteren Tagen konnten sich die Einheimischen bewerben, auf Kosten des kanarischen Tourismusamts die Inselgruppe zu besuchen, um sich von ihren Vorzügen zu überzeugen. Dabei konnten sie wählen, welches der vier spezifischen Tourismus-Produkte, die das Tourismusamt geschaffen hat um das vielfältige Angebot auf den Kanaren besser zu verkaufen, sie testen wollten: Wellness Delight, Volcanic Experience, Water Sports oder Family Welcome.

Dazu mussten sie jedoch zunächst jeweils 20 kanarische Botschafter in einer Art Speed-Dating-Aktion davon überzeugen, dass sie dafür geeignet seien und nach der Rückkehr die Vorzüge der Kanaren in ihrem Land verbreiten würden. Über 500 Isländer absolvierten das Casting und können nun von einer Woche Traumurlaub auf den Kanaren träumen.

Scharfe Kritik

Währenddessen wurde die gesamte Aktion auf den Kanarischen Inseln heftig kritisiert, denn man meinte, das Tourismusamt würde tatsächlich sieben Millionen Euro verschwenden, indem sie das Geld in eine aus­schlie­ßlich auf Island ausgerichtete Werbekampagne stecke. Und das, während auf den Kanaren die Etats knapp werden und allerorten gespart werden muss und die Isländer ohnehin kein Geld mehr haben, um in den Urlaub zu fahren.

Doch dann nahm die Strategie der Verantwortlichen von ganz allein ihren Lauf und immer mehr Medien interessierten sich dafür, was eigentlich Hundert kanarische „Botschafter“ auf Island zu suchen hätten. Die Nachricht verbreitete sich in Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern und vor allem auch im Internet über soziale Netzwerke zunehmend und grenz­überschreitend. Je weiter das Medien­interesse zunahm, umso leiser wurden die Kritiker, denn es wurde zunehmend deutlich, welchen Zweck die Aktion erfüllte. José María Rull, Generaldirektor der Agentur DDM, die hinter der Idee steht, erklärte, Island sei als nördlichstes Ziel in Europa lediglich gewählt worden, um eine maximale Aufmerksamkeit im gesamten nordeuropäischen Raum zu erreichen.

Die Aktion sei zudem nur der Startschuss einer weit reichenden Werbestrategie, die neben den herkömmlichen Medien vor allem das Web 2.0, also soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace mit einbezieht, über die sich Nachrichten virenartig innerhalb weniger Stunden auf der ganzen Welt verbreiten lassen. Gleichzeitig werden weitere gezielte Marketingaktionen in Deutschland, Großbritannien, Dänemark und Schweden durchgeführt, die das Medieninteresse in dem jeweiligen Land erwecken sollen.

Zur Unterstützung startet am 9. November in insgesamt 15 europäischen Ländern eine große Werbekampagne, die bis 15. Dezember nach dem Motto „Sag Nein zum Winter Blues“ die Menschen auf die Inseln des ewigen Frühlings locken soll. Allein diese traditionelle Werbekampagne wird 80 Prozent des Gesamtbudgets verbrauchen.

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