Nein! Wir leben in keiner Bananenrepublik! Hier ist manches anders, ungewohnt für deutsche Neu-Canarios, aber keine Bananenrepublik. Eine Bananeninsel ist Teneriffa aber schon, die wichtigste des ganzen Archipels. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Lieblingsfrucht vieler Deutscher sinkt allerdings von Jahr zu Jahr, was jedoch mehr an den steigenden Gewinnen im Tourismussektor als am Rückgang der Anbauflächen liegt. In der Vergangenheit sind vor allem im Orotava-Tal zahlreiche Fincas urbanisiert worden, aktuell stagniert diese Entwicklung. Sicherlich auch wegen der Wirtschaftskrise. Und natürlich kann man nicht übersehen, dass in den Mittellagen, wo die Banane nicht angebaut wird, der Weinbau expandiert und an Bedeutung den Erträgen aus dem Bananenanbau mehr und mehr den Rang abläuft. In den tieferen Lagen des Nordens und teilweise auch des Südens dominiert aber nach wie vor der Anbau des Plátano, so die richtige Bezeichnung der einheimischen Banane, die wissenschaftlich unter verschiedenen Namen auftritt. Vor allem auf der Isla Baja, aber auch in den Randzonen des Orotavatals beginnen zahlreiche Routen zwischen Plátano-Plantagen – immer auch eine gute Gelegenheit für den Führer, etwas zur Pflanze und ihrer Kultivierung zu erklären. Das interessiert die Gäste, und lockert die Tour etwas auf. Meistens reicht es aus, zu erklären, dass der Plátano keine Samen bilden kann und deswegen nur über Ableger vermehrt wird. Ab und zu – wie gerade erst wieder vor ein paar Tagen – möchte aber jemand genauer wissen, wie das mit den Blüten und der Bestäubung bei der Banane ist. Dann werde ich ganz schnell vom Bergführer wieder zum Biologen. Und merkwürdigerweise hören dann auch die, die diese Frage nie gestellt hätten, sehr genau zu und wollen alles wissen. Also wandern wir erst eine ganze Weile später weiter. Man muss allerdings weit ausholen, damit der Sex der Banane oder besser die Genetik dieser Pflanze verständlich wird. Es lohnt sich.
Zwischen sehr nah verwandten Arten können gelegentlich Kreuzungen auftreten, die in der Regel zu unfruchtbaren (sterilen) Nachkommen führen. Aus dem Pflanzenreich sind solche Hybridisierungen häufiger bekannt als aus dem Tierreich. In vielen Fällen zeigen die Ergebnisse dieser Kreuzungen, sogenannte Bastarde oder Hybride, von ihren Eltern abweichende Eigenschaften. Beispiel: Maultier – Aus der Kreuzung von Esel und Pferd gehen Maultiere hervor, die in mehrfacher Hinsicht leistungsstärker sind als ihre Eltern (Trittsicherheit, Belastbarkeit, Ausdauer usw.). Zahlreiche begehrte Nutz- und Zierpflanzen sind ebenfalls Hybride.
Viele Hybride sind nicht fortpflanzungsfähig, weil sie keine Keimzellen bilden können. Dies beruht häufig darauf, dass sich die beiden Elternarten zwar hinsichtlich ihrer Erbanlagen aufgrund der nahen Verwandtschaft sehr ähnlich sind, diese Erbanlagen aber bei jeder der beiden Ausgangsarten in unterschiedlich viele Chromosomen (=Transporteinheiten der Erbanlagen) verpackt sind. Beim Maultier stammen von der Pferdemutter beispielsweise 32 Chromosomen und vom Eselsvater 31 Chromosomen. Zusammen ergibt das die ungerade Summe von 63 Chromosomen. Bei der normalen Zellteilung spielt das keine Rolle, weshalb das Tier ganz normal heranwächst. Bei der Keimzellbildung bilden die Chromosomen zunächst Paare, bevor von jedem Paar ein Partner auf die entstehenden Keimzellen verteilt wird. Pferde bilden 32 Paare und besitzen demzufolge in jeder Keimzelle 32 unterschiedliche Einzelchromosomen. Esel besitzen in jeder Zelle ein Paar weniger und entsprechend in jeder Keimzelle 31 Einzelchromosomen. Ein Maultier kann aus seinen 63 Chromosomen nur 31 Paare bilden, wobei ein einzelnes Chromosom überzählig bleibt. Dieses unvollständige Paar verhindert die Keimzellbildung und verursacht die Sterilität. Halten wir fest: Ist die Anzahl der Chromosomen pro Zelle in einem Organismus ungerade, so ist dieser steril. Dies gilt unabhängig davon, wie die ungerade Chromosomenzahl zustande gekommen ist.
Es gibt mehr als sechzig unterschiedliche Arten samenbildender Bananen, die sich in drei systematische Gruppen zusammenfassen lassen. Vor allem innerhalb dieser Gruppen sind Hybridisierungen möglich. Die Wildform der Banane, Musa acuminata) besitzt 2 x 11 = 22 Chromosomen und ist selbstverständlich fruchtbar. Wegen ihrer zahlreichen großen Samen und dem eher geringen Fruchtfleischanteil gilt sie als ungenießbar. Anders ist es bei ihrer als Musa cavendishii bekannten Hybridform. Diese ist ausnahmsweise wohl nicht das Ergebnis von Kreuzungen zwischen verschiedenen Arten, vielmehr hat hier ein uns unbekanntes Ereignis dazu geführt, dass bei diesen Pflanzen 3 x 11 = 33 Chromosomen in jeder Zelle enthalten sind. Selbstredend ist diese Sorte steril, kann also auch nach einer erfolgreichen Befruchtung keine Samen bilden. Dafür ist bei ihr aber der Fruchtfleischanteil wesentlich höher, was sie zur begehrten Obstsorte macht. Botanisch gesehen sind sie übrigens Beeren, wie alle Zitrusfrüchte, Weinbeeren oder Tomaten auch.
An den großen Blütenständen der Banane sind die an der Spitze gelegenen Blüten männlich und bilden Pollen, die von Insekten zu den weiblichen Blüten übertragen werden. Diese befinden sich näher am Stamm und können zwar bestäubt werden, was die Fruchtbildung auslöst, bilden aber aufgrund ihrer Sterilität keine Samen. Deswegen wird Musa cavendishii nur über Ableger vermehrt. Diese (hijos) wachsen unten neben dem alten Stamm, während oben die Früchte reifen. Meistens bildet eine alte Pflanze mehrere Ableger. Von diesen wählt der Bauer eine aus, die nach der Ernte und Entfernung der alten Pflanze weiterwachsen darf, und entfernt die anderen. Da es bei Musa cavendishii im Gegensatz zur Wildform keine geschlechtliche Fortpflanzung gibt, bleiben ihre Erbanlagen weitgehend unverändert und geben allen Pflanzen und ihren Früchten die gleichen Eigenschaften. Diese liefern uns sehr viel Energie und einige zum Erhalt unserer Leistungsfähigkeit wichtige Mineralstoffe. Auf langen Wanderungen gibt es kaum etwas Besseres – außer Gofio.
Michael von Levetzow
Tenerife on Top
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