Gnadenerlasse müssen veröffentlicht werden
Madrid – In Spanien wurden in den Jahren 1975 bis 2014 durch die jeweilige Regierung jährlich durchschnittlich 470 sogenannte „Indultos“, Begnadigungen verurteilter Straftäter, beschlossen. Eine Kontrolle dieser Vorgänge und der Beweggründe durch das Parlament gab es nicht.
Mit der Strafrechtsreform des Jahres 2015 sollte dies anders werden, denn seitdem ist die Regierung gesetzlich verpflichtet, dem Parlament gegenüber halbjährlich Rechenschaft über die gewährten Straferlasse abzulegen. Dies ist jedoch bisher noch nicht geschehen, weil sich die Regierung Rajoy dieser Verpflichtung in der langen Phase, da eine Regierungsbildung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht möglich war, mit der Begründung entzog, sie sei nur geschäftsführend tätig. Im kommenden Juni nun wird erstmals eine Vertreterin des Justizministeriums, die Staatssekretärin Áurea Roldán, über die Gnadenerlasse informieren.
Damit beginnt eine neue Ära, denn niemals zuvor hat eine spanische Regierung ihre Entscheidungen zu von ihr gewährten Begnadigungen begründet. Nach Ansicht der Kritiker dieser Praxis wurde dadurch der Willkür Tür und Tor geöffnet.
Die Gnadenakte der Regierung waren bislang kaum nachvollziehbar. Es gab keine offizielle Statistik darüber und einen eklatanten Mangel an Transparenz, der das Risiko mit sich brachte, dass die Begnadigungen nicht immer aus Gründen der Gerechtigkeit, Gleichberechtigung oder Gemein-
nützigkeit erfolgten, wie es das Gesetz vorschreibt.
Nach Daten, die der Autor Darío Badules in seinem Buch „Ich vergebe Dir“ (Yo te perdono) zusammengetragen hat, wurden zwischen 1975 und 2014 18.833 Begnadigungen gewährt. Das Jahr mit den meisten Straferlassen war 2007 mit 521 Begnadigungen gegenüber 4.107 abgelehnten Gnadengesuchen. In 2015 und 2016 wurden demgegenüber zusammengenommen nur 100 Begnadigungen gewährt und 9.346 abgelehnt. 2016 ist mit nur 27 Begnadigungen das Jahr mit den wenigsten Straferlassen in der Geschichte der spanischen Demokratie.
Einige besonders umstrittene Begnadigungen, wie die des Ex-Bankers Alfredo Sáenz sowie die der katalanischen Polizisten, die wegen Folter verurteilt worden waren, haben dem Thema große mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit eingebracht, die nach Einschätzung Darío Badules’ dazu geführt hat, dass heute immer mehr Gnadengesuche gestellt und immer weniger gewährt werden.
Ein Gesetzentwurf der Sozialisten für eine weitere Abänderung des Begnadigungsrechtes, der vorsieht, wegen Korruption und Gewalt gegen Frauen verurteilten Straftätern eine Begnadigung grundsätzlich zu verwehren, wird von allen im Parlament vertretenen Parteien einvernehmlich unterstützt.
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