Die Psychologen des Sorgentelefons für Schulmobbing-Opfer arbeiten halbtags für weniger als 500 Euro monatlich
Madrid – Seit November 2016 unterhält das spanische Bildungsministerium einen Telefondienst, bei dem Kinder und Jugendliche, die in ihrer Schule gemobbt werden, Rat suchen können (900 018 018). Bildungsminister Íñigo Méndez de Vigo hatte immer wieder vollmundig erklärt, dass die hilfesuchenden Schüler nur durch Fachleute mit entsprechenden Ausbildungsnachweisen betreut werden dürften. Und tatsächlich mussten alle Bewerber um diese Arbeit ein Diplom in Psychologie vorlegen und Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen, vorzugsweise mit Mobbingopfern, vorweisen. Diese Qualifikationen finden jedoch keinen Niederschlag in der Gehaltsabrechnung der Mitarbeiter des „Telefons gegen Schulmobbing“.
Das Callcenter, an das der öffentliche Auftrag zum Betreiben des Sorgentelefons vergeben wurde, führt die psychologischen Fachkräfte als Bürohelfer. Sie sind befristet für eine Halbtagstätigkeit mit Samstags- und Sonntagsarbeit angestellt und verdienen dabei etwa 500 Euro brutto bzw. 450 Euro netto monatlich. Das mittlere Gehalt im Sanitäts- und Sozialdienst liegt laut dem Nationalen Statistikinstitut bei 2.423,02 Euro für eine Vollzeit- und 915,30 Euro für eine Halbtagsstelle.
Wegen der prekären Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhne sind Vertreter des Spanischen Generalrats für Psychologie mit Teilen der Belegschaft des Anti-Mobbing-Telefons zusammengetroffen und haben im Anschluss die Regierung um eine Erklärung gebeten. Es sei inakzeptabel, dass ein Ministerium öffentlich erkläre, es biete einen psychologischen Beratungsdienst an, wenn die Arbeitsbedingungen prekär seien. Das Ministerium dagegen sieht sich nicht in der Verantwortung und verweist auf das Callcenter als den Arbeitgeber.
Mitarbeiter des Dienstes, mit denen die Tageszeitung El País gesprochen hat, berichten, dass sich nicht selten nur ein einziger Psychologe um alle Anrufe aus ganz Spanien kümmern muss. Dies komme auch zu Zeiten besonders hoher Nachfrage vor, wie am Wochenende, wenn sich die betroffenen Schüler aus Angst vor ihren Peinigern am darauffolgenden Montag nicht in die Schule trauen. Weiter wird berichtet, dass die Firmenleitung darauf drängen würde, so viele Anrufe wie möglich anzunehmen. Es gehe nur darum, die Statistik nach oben zu treiben.
Die neuesten Zahlen werden regelmäßig durch das Ministerium veröffentlicht und besagen, dass seit dem Start des Sorgentelefons 17.000 Anrufe angenommen und 6.000 davon an andere Institutionen weitergeleitet wurden. Die Mitarbeiter des Schulmobbing-Telefons monieren jedoch, dass sie keinerlei Rückmeldung darüber erhalten, wie es mit den Betroffenen weitergeht und ob sie überhaupt weiterbetreut werden.
Die Callcenter-Firma Alcalá BC Servicios y Procesos SA ist ein Direktmarketingspezialist, der keinerlei Erfahrung mit psychologischer Telefonberatung oder Schulmobbing hat. Bei der öffentlichen Ausschreibung unterbot er die ausgeschriebene Summe von 620.000 Euro jährlich um 35% (398.877 Euro) und bekam den Zuschlag. Die Qualitätskontrolle seitens des Ministeriums beschränkt sich allem Anschein nach auf die Berichte des Unternehmens und auf Treffen von Ministeriumsvertretern mit der Firmenleitung.
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