„Der Notstand des Notstands“


© EFE

Kanarische Ministerin für sozialen Wohlstand besucht eine Schule, die vorübergehend zum Wohnheim für minderjährige Immigranten umfunktioniert wurde

Die Lage wird immer erns­ter. Jede Woche treffen auf den Kanaren neue Flüchtlingsboote aus Afrika ein, und immer öfter sind Kinder und Jugendliche mit an Bord. Die Zahl der Flüchtlingskinder, die ohne einen Vormund auf dem Archipel ankommen, wächst und wächst, und die kanarische Regierung sieht sich einem Problem gegenüber, das sie alleine nicht mehr zu lösen vermag.

Die Gesetzgebung legt fest, dass die Regionalregierung das Sorgerecht und die Verantwortung für minderjährige Immigranten zu übernehmen hat. Schon Anfang des Jahres wurde deutlich, dass die Unterbringungsmöglichkeiten in den verschiedenen Heimen der Inseln zunehmend erschöpft sind.

Auf Teneriffa wurde vor wenigen Wochen das Heim Nummer 29 für minderjährige Immigranten geschaffen – provisorisch, in einer Schule in La Laguna. Als Schlafraum dient die Turnhalle. Bis zu 100 Kinder können dort untergebracht werden. Derzeit wohnen 74 in den Räumen der Schule.

Augenblicklich stehen 1.100 Flüchtlingskinder unter der Vormundschaft der kanarischen Regierung. „Wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, geht die Arbeit von 10 Jahren den Bach runter. Man kann nicht Hunderte und Tausende integrieren, dafür fehlt die Kapazität“, stellte die kanarische Ministerin für sozialen Wohlstand, Inés Rojas, bei einem Besuch der Schule Alonso Nava y Grimón in La Laguna fest. Sie fordert vom spanischen Minister für Arbeit und Immigration, Celestino Corbacho, dass auf seine Worte bald Taten folgen. Bei seinem Besuch auf den Kanaren im Juni hatte Corbacho versprochen, sich der Problematik annehmen zu wollen. Auf konkrete Lösungsvorschläge verzichtete der Minister jedoch.

„Diese Schule stellt den Notstand des Notstands dar“, sagte Inés Rojas. „Es kommen so viele an, dass ich, die in ständigem Kontakt mit dem Minister steht, um ihn auf dem Laufenden zu halten, wenn ich einen Bericht verfasse und ihn absende, schon wieder nicht auf dem neusten Stand bin. Die Daten sind, kaum abgeschickt, schon wieder veraltet“, klagt Rojas.

La Lagunas Bürgermeisterin Ana Oramas, die Inés Rojas begleitete, erklärte, dass diese Schule als provisorische Unterkunft gewählt wurde, weil sie über die notwendigen sanitären Bereiche und einen Speisesaal verfügt. „Dass wir die Turnhalle mit Stockwerkbetten ausstatten und zum Schlafraum umfunktionieren mussten, sollte allerdings zu denken geben“, sagte sie. Inés Rojas erinnerte daran, dass dieses Heim nur eine Übergangslösung für das Unterbringungsproblems darstellt, denn im September, wenn der Unterricht wieder beginnt, muss die Schule geräumt werden.

„Sie sollen nicht kommen“

Bei dem Besuch der kanarischen Ministerin kamen auch die Hauptdarsteller des Dramas zu Wort. Jugendliche, die erst wenige Tage zuvor mit dem Flüchtlingsboot auf die Insel gekommen waren, zeigten sich besorgt. „Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich den Jungen in meinem Alter raten, nicht zu kommen. Es ist sehr gefährlich. Wir waren zehn Tage auf hoher See und haben nur Reis gegessen. Wir dachten Spanien sei nicht so weit weg, und als klar wurde, dass diese Annahme falsch ist, wollten einige das Boot verlassen“, sagte einer der Jungen. Ganz besonders erschütternd war die Reaktion eines 15-Jährigen, der zwar zuvor die ganze Zeit Witze gerissen hatte, jedoch zusammenbrach als die Ministerin ihn nach seiner Familie fragte.

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