Museen gibt es viele. Auch auf den Kanaren. Die meisten haben etwas Besonderes. Das Museo de Naturaleza y Arqueología (MUNA) in Santa Cruz de Tenerife ist einzigartig und mehr als nur einen Besuch wert. In einer Artikelserie stellen wir es vor und erklären seine Ausstellungen.
Standort: Zweite Etage, Arqueología, Área 3.2 – El mundo funerario
Mumien wurden auf der ganzen Welt gefunden. Im ewigen Eis, in Hochgebirgen, in heißen Wüsten, in Mooren, selbst auf Friedhöfen. Sie können ohne menschliches Zutun entstehen oder durch gezielte Maßnahmen. Dabei kommt es darauf an, dass der Mumifizierungsprozess schneller abläuft als die natürliche Verwesung. Gemeinhin beschleunigt Wärme bei milden Temperaturen die Verwesung einer Leiche. Kälte verzögert sie. Das angenehm warme Klima Teneriffas begünstigt also eher die Verwesung als die Mumifizierung. Wärme begünstigt aber auch die Verdunstung von Wasser, der bei der Entstehung vieler Mumien große Bedeutung zukommt. Je mehr Wasser dem Körper entzogen wird, desto haltbarer wird er. Unter den verschiedenen Klimazonen Teneriffas sind einige meistens trocken und gut warm. Sie boten den Ureinwohnern gute Bedingungen zur Konservierung ihrer Verstorbenen. Die Guanchen waren Meister der Mumifizierung.
Mumifizierung ist zwar nicht der Regelfall, sie beruht aber immer auf natürlichen und erklärbaren Situationen und Vorgängen. Die Zahl solcher Bedingungen ist zu groß, um sie hier zu erörtern. Häufig spielen neben den schon erwähnten Faktoren Temperatur und Austrocknung auch der Entzug von Sauerstoff oder die Einwirkung vorhandener Chemikalien eine wichtige Rolle. Alle oder eine mehr oder weniger große Palette dieser Faktoren wurden weltweit von Menschen mit unterschiedlichem Erfolg zur Herstellung von Mumien genutzt. Manche konnten nur die Haut und eventuell die Knochen konservieren und mussten den Körper mit geeigneten Materialien ausstopfen. Anderen gelang auch die Konservierung der Muskulatur, während sie an den inneren Organen scheiterten oder diese – wie die alten Ägypter – getrennt mumifizierten. Die wenigsten konnten menschliche Leichen unverletzt und vollständig erhalten.
Die Gründe, Verstorbene vor der Verwesung zu bewahren, waren in den Kulturen mit Mumifizierung unterschiedlich. Jenseitsvorstellungen, Auferstehungsglaube und Ahnenkulte sind die bekanntesten. Was die Guanchen auf Teneriffa dazu motiviert hat, ist wie vieles Andere nicht überliefert, obwohl auch darüber gelegentlich spekuliert wurde. Verlässliche Belege, archäologische gar, gibt es dazu nicht. Möglicherweise waren es ganz praktische Gründe, die dazu führten. In Mitteleuropa übliche Erdbestattungen stellten beispielsweise die Urbevölkerung vor erhebliche technische Probleme. Ohne geeignete Metallwerkzeuge war das Ausheben ausreichend tiefer Gräber angesichts des steinigen Bodens nahezu unmöglich. Auf Gran Canaria wurden stattdessen an verschiedenen Orten oberirdische „Bestattungsdörfer“, Nekropolen, angelegt und über Jahrhunderte benutzt, in deren teilweise sehr umfangreichen Grabhügeln meist mehrere Verstorbene beigesetzt wurden. In Area 2 (Prehistoria de Canarias, auf der gleichen Etage) ist ein Teil der Nekropole von La Guancha (bei Gáldar) als Modell zu besichtigen. Daneben wurde in einigen Regionen dieser Insel auch mumifiziert. Von den übrigen Kanareninseln sind Mumien eher nicht bekannt. Es könnte sich bei den wenigen dortigen Exemplaren auch um Zufalls-Mumien handeln.
Auf Teneriffa hat man keine Grabkammertechnik entwickelt. Dafür erreichte hier die Mumifizierung einen Höhepunkt. Mindestens 1000 Jahre lang, bis zur Eroberung durch Spanien, war dies die übliche Bestattungsform. Entgegen den spanischen Überlieferungen zeigen die noch erhaltenen Mumien, dass keineswegs nur die Oberschicht, sondern wahrscheinlich alle Verstorbenen – ungeachtet ihres Alters und Geschlechts – so behandelt wurden. Sie wurden in trockener Hochgebirgsluft an der Sonne und nachts am Feuer entwässert. Dabei kam auch wasseraufnehmender Bimsstein zum Einsatz. Diverse Pflanzenteile mit antibakterieller und insektengiftiger Wirkung wurden hinzugefügt und möglicherweise auch in die Körperöffnungen gebracht. Die Haut blieb durch Einreiben mit Tierfett geschmeidig. Dem ungeöffneten Leichnam wurden keine Organe entnommen. So entstanden die vollständigsten künstlichen Mumien weltweit. Die alten Ägypter waren dazu nicht in der Lage.
(Ende der Serie. Die Museumsführungen in deutscher Sprache finden weiterhin jeden Mittwoch um 11:00 h statt.)
Michael von Levetzow
Tenerife on Top
Museo de Naturaleza y Arqueología, C/ Fuente Morales, Santa Cruz. Geöffnet: Di.-Sa. 9.00-20.00 Uhr; So., Mo. u. Feiertage 10.00-17.00 Uhr.
Eintrittspreise: 5 € (Residenten 3 €); Senioren ab 65 Jahre 3,50 € (Residenten 2,50 €); Kinder unter 8 Jahren frei. Freier Eintritt jeden Fr. u. Sa. 16.00 – 20.00 Uhr (falls Feiertag 13.00 – 17.00 Uhr)
Jeden Mittwoch 11.00 Uhr Führung in deutscher Sprache (ohne Aufpreis). Museums-WiFi auf Deutsch.
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