Kanaren: Ruhiger Generalstreik


© EFE

Furcht vor 29-S bestätigte sich nicht

Insbesondere in den letzten Tagen vor dem Generalstreik forderten die Gewerkschaften lautstark zur Teilnahme auf und kündigten ein Erliegen des modernen Lebens an. Dann kam der 29. September, doch auf den Kanaren verlief der Tag fast wie jeder andere. Bis auf kleine Ausnahmen arbeiteten alle Wirtschaftszweige im Normalbetrieb, der von der Regierung vorgeschriebene Mindest-Service der öffentlichen Dienste wurde eingehalten, die Demonstrationen verliefen friedlich und es kam kaum zu Zwischenfällen.

Da die Canarios, wie überhaupt alle Spanier, zumindest nach außen hin größtenteils mit der Regierungspolitik unzufrieden sind, rechneten die Gewerkschaften wohl mit einem weitaus größeren Zuspruch beim Generalstreik. Im Protest gegen die Arbeitsmarktreform sollte das normale Leben lahmgelegt werden. Doch scheinbar sahen die Inselbewohner keinen Sinn in dieser Aktion. Schließlich ist die Arbeitsmarktreform beschlossene Sache, die Notwendigkeit von Einsparungen in der Wirtschaftskrise unbestreitbar. Und die Kanaren, wirtschaftlich abhängig vom sowieso schon strauchelnden Tourismus, können es sich nicht leisten, durch das Zusammenbrechen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens ihr Image im Ausland zu verschlechtern. Und so folgten nur sehr wenige Canarios dem Aufruf der Gewerkschaften zum Streik.

Normaler Geschäftstag

Die meisten Menschen gingen ganz normal zur Abeit. Einige Ladenbesitzer konnten jedoch zunächst ihre Geschäfte nicht öffnen da nachts die Schlösser manipuliert worden waren. Ärger erweckten auch die von Unbekannten an die Fensterscheiben geklebten Schilder „Geschlossen wegen Streiks“. In den Hotels arbeitete praktisch das gesamte Personal – mehr als 98% – und der Service lief reibungslos. Selbst der Arbeitstag der Bauunternehmen gestaltete sich fast normal. Weniger als 5% der Arbeiter streikten und es kam zu keinem von Streikposten hervorgerufen Zwischenfall. Nur die Bierfabrik Compañía Cervecera de Canarias blieb geschlossen, da dort ein Drittel der Angestellten nicht zum Dienst erschienen.

Mindest-Service erfüllt

Der von der kanarischen Regierung vorgeschriebene Mindest-Service im Transport-, Schul- und Gesundheitswesen sowie der Versorgung wurde respektiert und eingehalten. Wie vorgesehen fanden 50% der regulären Flüge statt. Einzig erwähnenswert ist ein Vorfall am Flughafen von Los Rodeos: morgens verwehrten vor den Eingängen liegende Steinblockaden den Angestellten den Zutritt. Sowohl im Schiffs- als auch im Busverkehr wurden die vorgeschriebenen Quoten von 50 bzw. 40% erfüllt. Zwar warteten an vielen Titsa-Haltestellen informative Streikposten auf Fahrgäste und Busfahrer, doch Störungen wurden nicht gemeldet. Bei dem Betrieb der Straßenbahn in Santa Cruz kam es auf einer Fahrt zu einer 14-minütigen Unterbrechung als Streikende die Gleise blockierten, doch beim Anrücken von National- und Lokalpolizei verhielten sich die Demonstranten friedlich und verließen die Gleise. Bei den Schulen zeigte sich folgendes Bild: da die Gewerkschaften die Eltern mit der Aussage verschreckt hatten, am Streiktag sei die Sicherheit ihrer Kinder in den Schulen nicht gewährleistet, blieben viele Kinder der Schule fern; die vorgeschriebene Mindestbelegung wurde jedoch eingehalten. Die Studenten der Universität von La Laguna legten einen unterrichtsfreien Tag ein; Zahlen zur Besetzung der Lehrerschaft sind bislang nicht bekannt. Die medizinische Versorgung an Krankenhäusern und Gesundheitszentren fand wie an einem Feiertag statt. Bei Raffinerie, Strom- und Wasserversorgung kam es ebenfalls zu keinerlei Zwischenfällen.

Demos ohne Anklang

Gegen Mittag formierte sich der von den Gewerkschaften CCOO und UGT ausgerufene Protestmarsch in Santa Cruz. Ausgehend von der alten Stierkampfarena zogen 6.000 Streikende mit Plakaten durch die Innenstadt. Die von einer polizeilichen Hundertschaft begleitete Demonstration endete an der Plaza del Príncipe mit Reden der Gewerkschaftsvertreter gegen die Arbeitsreform. Die Kritik richtete sich auch gegen die Leistungskürzungen der Regierung, den Finanzsektor und dessen Politik der Kreditvergabe sowie die Einstellung der Arbeitgebervertretung.

Auch in Las Palmas, Gran Canaria, fand ein ähnlicher Umzug statt. Laut Gewerkschaften nahmen dort 8.000 Menschen teil, nach Angaben der Lokalpolizei beschränkte sich die Teilnehmerzahl auf 2.000. An allen von CCOO und UGT in den Inselhauptstädten veranstalteten Protestmärschen sollen insgesamt 20.000 Menschen teilgenommen haben.

Nur kleine Zwischenfälle

Abgesehen von vereinzelten Boykottaktionen und kleineren Zwischenfällen verlief der Streiktag ruhig. Erwähnenswert sind die morgendlichen Schloss- und Schild-„Überraschungen“, mit denen sich einige Ladenbesitzer und Bankangestellte von Santa Cruz und La Orotava abgeben mussten, und die viertelstündige Blockierung einer Straßenbahn in Santa Cruz. Am Sitz des kanarischen Parlaments wurde Regierungspräsident Paulino Rivero bei seiner Ankunft von Protestlern beschimpft, die später versuchten, das Gebäude zu stürmen, doch Vertreter der kanarischen Polizei konnten dies erfolgreich verhindern. Hierbei handelte es sich um kleine Aktionen; Unverständnis hingegen weckte der Boykott eines Sozialzentrums in Ofra und die Aktivitäten gegen Anaga Sonrisas Canarias in Valleseco in Form von zugeklebtem Schloss bzw. Nötigungsaktionen. Das Sozialzentrum steht ausgegrenzten Menschen bei und die gemeinnützige Organisation verteilt Essen an Bedürftige – Hilfsangebote, die am Streiktag nur eingeschränkt durchgeführt werden konnten. Zu größerem materiellem Schaden kam es in Playa de las Américas, als Müllcontainer in Brand gesetzt wurden.

Zusammengefasst kam es auf den Kanaren am Generalstreiktag nur zu geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und des Arbeitsalltags, die Demonstrationen fanden relativ wenig Zuspruch und insgesamt blieb es bei vereinzelten, kleineren Zwischenfällen. Die Gewerkschaften sprachen zwar von einem „großen Erfolg“, doch handelt es sich offenbar nur um leere Worte.

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