Erntedank – im Hier und Heute


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wir feiern in diesen Tagen das Erntedankfest. Aber an was denken wir dabei eigentlich? Heute bestimmen doch Technik und Computer, Hochhäuser und Autobahnen die Welt um uns herum weit mehr als Ackerbau und Viehzucht.

„Wie viele Kilometer haben Sie auf dem Teller?“ fragt deshalb ein Buch, das sich mit der Tatsache auseinandersetzt, dass die Lebensmittel, die wir im Supermarkt kaufen können, oft Zigtausende von Kilometern durch die halbe Welt geschafft werden. Wir sind – auch hier auf Teneriffa – weit mehr Industrie- oder zumindest Stadtgesellschaft, als eben bäuerliche Landbevölkerung. Ist da aber Erntedank nicht ein Relikt aus alter Zeit, ein Überbleibsel einer fernen Welt? Ja kann es heute noch ein Gefühl des Dankes für das alltägliche Essen und Trinken geben, wenn uns hier „all-inklusive“ alles hinterher- bzw. bei Nicht-Verköstigung einfach weggeworfen wird?

Dank empfinde ich doch dann, wenn ich etwas erhalte, das ich nicht einfach mir selber oder meinen eigenen Kräften zuschreibe und was ich quasi unverdientermaßen empfange. Vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb uns das Danken oft abgeht, weil wir selbstmächtig sind und die Dinge lieber uns selbst und unserem eigenen Können – selbst wenn es nur in der Form von Geld geben besteht – zuschreiben, als dass wir Empfänger von gnädigen Gaben sein wollen. Und sind wir in der Gestaltung unserer Welt und der Beherrschung der Natur, insbesondere der Lebensmittelproduktion, nicht besonders selbstmächtig? „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein!“, hieß es einmal auf dem Plakat eines sozialistischen Landes. Ja, wo bitte schön, sollte man noch einem anderen als sich selbst dankbar sein, wo doch selbst ausgebrachter Kunstdünger und Maschinenfuhrparks die Ernteerträge vergrößern? Sicher: Wir haben heute viel Hightech, vielleicht zu viel, aber wir leben noch immer von dem, was die Erde hervorbringt. Wenn wir – angesichts fortschreitender Klimaveränderung – diese Früchte mal nicht mehr haben, dann nützt uns aber aller technischer Fortschritt nichts. So gut und nützlich er in vielen Dingen auch sein mag: Doch Mikrochips kann man nicht essen, und der Computer deckt uns nicht den Tisch. Ja, es reicht auch nicht, dass immer mehr Nahrungsmittel produziert werden, wenn sie dabei uns Menschen krank machen.

Wenn wir deshalb heute Erntedank feiern, dann ist das nicht nur ein frommer Brauch aus vergangenen Tagen, und es ist auch kein Opfern oder Gnädig-stimmen-Müssen einer Urkraft der Erde. Durch den Erntedank kommen wir in ein rechtes Verhältnis zu Gott, zur Schöpfung und zu uns selbst. Natürlich sind wir so ausgestattet, dass wir diese Welt und Natur nutzen können; ja wir haben sogar den Auftrag, sie zu gestalten.

 Aber: Wir sind eben nicht die alleinigen Herren. Anvertraut ist uns die Erde, damit wir sie nutzen, sie hegen und pflegen. Wo wir uns aber nicht mehr in der Beziehung zu Gott sehen, da verlieren wir oft auch das rechte Maß und die Orientierung. Da geht das Bewusstsein für unsere Verantwortung verloren, da läuft zwar der Antrieb für die Gestaltung der Welt auf Hochtouren, aber eben ohne jegliches Maß und Ziel. Da gibt es zwar immensen Fortschritt, doch nicht in Richtung von mehr Menschlichkeit und Lebensqualität für alle, sondern noch mehr an Genusssucht für den Einzelnen.

Deshalb erzählt Jesus uns von einem anderen Weg. Es ist die Geschichte vom reichen Kornbauern. Dieser meinte, sein Leben mit den Schätzen der Erde sichern zu können, wenn er nur größere Scheunen baut. Die Menschen von heute denken diesbezüglich zwar weniger an Scheunen, aber sie schauen auf die Bilanzen ihres Kontos. Nur: Es reicht nicht, einzig und allein neue Scheunen im Leben zu bauen, nur in die materielle Existenz zu investieren. Je mehr wir äußerlich aufbauen, umso mehr müssten wir eigentlich auch für unsere Seele Sorge tragen. Sonst nämlich laufen wir Gefahr, innerlich schwach und leer zu werden – ohne Sinn und ohne Werte. Oder anders gesagt:  Wo allein der Profit, die Gewinnsteigerung, das Mehr-Haben-Wollen bis zum Geht-nicht-mehr das Denken und Handeln von uns Menschen bestimmen, da verkehrt sich alles ins Gegenteil. Die Welt wird verabsolutiert und alles nur noch von ihr erwartet. Da der Mensch der alleinige Herr ist, kann er sich alles dienstbar machen. Ich sehe niemanden mehr über mir und erkenne auch nicht mehr, dass dies alles hier doch nur vorläufig ist. Da ich selber der Herr zu sein scheine, brauche ich aber auch nicht mehr zu danken.

Und da sagt uns Jesus: Du Narr! Seinem Gott zu danken macht den Menschen weder klein, noch macht es ihn unmündig. Nein, das gibt ihm erst die rechte Würde. Es macht mich doch froh, zu erkennen, dass ich von jemandem beschenkt werde, und es macht mich und auch den anderen froh, wenn ich das Wörtchen DANKE höre. Das bringt uns alle in ein gutes Verhältnis zueinander und zu uns selbst. Denn so wissen und spüren wir: Wir haben nicht alles in der Hand, am wenigsten unser eigenes Leben.

Erntedank – ein schönes Fest, um Danke zu sagen, ob hier oder anderswo. Und das Fest macht mir deutlich:

Wahres Leben ist immer ein gleichmäßiges Wachsen von Gestaltung und Spiritualität, von Handeln und Glauben, von Arbeit und Sonntag, von Fabrik und Kirche. Versuchen wir in diesem Sinne auch Früchte zu werden, und sagen wir neben dem Dank für alle Gaben auch Dank für die Freude über all die Menschen, die mit uns in Liebe leben und unser Leben mitgestalten. Menschen, denen wir viel verdanken, denen auch wir viel geben konnten. Bauen wir im Miteinander ein Energiefeld des Heiligen Geistes auf, welches diese Welt trägt und nach vorne bringt – im Vertrauen an und auf den Gott, der unser größter Schatz ist und dem wir noch einmal sagen: DANKE!!

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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