Zamora – eine Reise in das Epizentrum der Entvölkerung

Blick über den Duero auf die Stadt Zamora und ihre Kathedrale Foto: pixabay

Blick über den Duero auf die Stadt Zamora und ihre Kathedrale Foto: pixabay

Die Jungen gehen, die Alten bleiben – eine Gegend blutet aus

Zamora – Im Jahr 1879 beschrieb der Architekt Eduardo Julián Pérez die Stadt Zamora folgendermaßen: „Zamora steht heute an der Spitze der großen Städte. Ihre Bewohner sind ein Vorbild und ernten nun die Früchte ihrer harten Arbeit, sodass sie von den Städten, die vor ihr den Weg des Fortschritts betraten, beneidet wird“.
Heute ist von diesem Ruhm nichts mehr übrig geblieben. Die Stadt und die Provinz Castilla y León verdeutlichen, was es für eine ganze Gegend bedeutet, ihre Einwohner zu verlieren und „auszubluten“. Statt Fortschritt bestimmt nun Rückschritt das Leben der Menschen, die hier noch geblieben sind.
Im Jahr 1950 hatte die Stadt noch über 316.000 Einwohner. Seither hat sie 40% ihrer Bevölkerung verloren; 10% allein im letzten Jahrzehnt, und die Tendenz ist weiter fallend. Mit 171.630 Einwohnern, Stand 2019 laut Statistikamt INE, ist Zamora die spanische Provinz mit dem höchsten Einwohnerverlust. In diesem Jahrhundert haben schon 30.000 Menschen die Region verlassen. Sie ziehen in große Städte wie Madrid oder Barcelona, und viele arbeiten im Ausland, in Frankreich, Großbritannien oder Deutschland. Und der Exodus geht weiter.
Nur jeder achte Einwohner ist unter 20 Jahre alt und fast ein Drittel älter als 65. Die verbliebenen 171.630 Einwohner verteilen sich auf 248 Gemeinden. Nur zwei davon haben mehr als 15.000 Bewohner. Demgegenüber stehen 204 Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und 29 Dörfer, in denen sogar weniger als 100 Menschen leben. Mit 57 Jahren ist der Hirte Javier Martínez in dem 40-Seelen-Dorf Villar de Fallaves einer der „Jungen“. „Vor einem halben Jahrhundert haben hier noch 50 oder 60 Kinder gespielt – heute lässt niemand mehr die Schaukeln quietschen oder benutzt die Fitnessgeräte, die an der Kirche installiert wurden“, erzählt er.
Und auch seine älteren Nachbarn Tirso und Emilia erinnern sich an vergangene Zeiten. Damals, als es noch Leben in den Straßen gab. „Unsere Straßen waren matschig. Heute sind sie asphaltiert, aber was nützt uns das?“, fragen sie sich.
Und selbst wenn junge Menschen und Familien überlegen, zurückzukommen, scheitern sie an den selbstverständlichsten Dingen. Es mangelt an einer adäquaten Gesundheitsversorgung, an dem Ausbau der Telekommunikationsnetze zur Nutzung neuer Technologien und beruflichen Perspektiven.
In den Städten und Dörfern leben fast nur noch alte Menschen. Häuser sind verwaist. Sie verfallen oder werden zur Miete angeboten, doch keiner zieht ein. „Das aktuelle Panorama in dieser Provinz und überhaupt im Landesinneren verschlechtert sich weiter. Schuld daran sind unter anderem ineffektive Landnutzungspläne, die von der Landesregierung Castilla y León ausgearbeitet wurden. Es gab kein Übergangsmodell zur Entwicklung der Region“, berichtet der Geograf aus Valladolid, Ignacio Molina. Seiner Meinung nach ist es nicht nur eine Frage der Überalterung und der Emigration, sondern vor allem die fehlende Chancengleichheit, die die spanische Jugend dazu treibt, die Region zu verlassen, weil sie dort keine Perspektive sieht.
Auch Basilio Calderón, Dozent an der Universität Valladolid, unterstreicht, dass in der Vergangenheit Chancen vertan wurden. Es wurde versäumt, die Region an die modernen Telekommunikationsnetze anzuschließen. Schlecht angebunden, blieb sie isoliert zurück. „Die Fortschritte des 20. Jahrhunderts blieben ungenutzt“, erklärte er. Wer lebt heute noch in einem Gebiet, in dem es an Telefonleitungen mangelt und es keinen Internetanschluss gibt? Trotzdem hat die Provinzregierung einen mit 40 Millionen Euro veranschlagten Plan ausgearbeitet, mit dem sie versuchen will, in eine bessere Zukunft zu schauen. Finanzieren soll ihn die EU. Er sieht vor, Unternehmen aus der Roboter- und Haustechnik in der Region anzusiedeln und sich auf Dienstleistungstechnik in der Geriatrie und Pflege zu spezialisieren. Grundvoraussetzung dafür ist die Anbindung an schnelle Kommunikationsnetze, ohne die es heute keine Entwicklung mehr geben kann. Nur mit einem schnellen Netz kann es für die Region eine Zukunft geben. Wenn es dafür noch nicht sogar schon zu spät ist.

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