Druck auf Madrid nimmt zu

Protest in Las Raíces: Migranten fordern das Recht auf Weiterreise nach Spanien und Europa. Foto: EFE

Protest in Las Raíces: Migranten fordern das Recht auf Weiterreise nach Spanien und Europa. Foto: EFE

Regionalregierung und Migranten fordern Verlegungen und Weiterreisemöglichkeiten

Kanarische Inseln – In den vergangenen Wochen hat der Druck zugenommen. Die seit Mitte des Monats im Zeltlager in Las Raíces oberhalb von La Laguna untergebrachten Migranten haben fast täglich für Schlagzeilen gesorgt.
Das schlechte Wetter mit heftigem Regen und sehr niedrigen Temperaturen, das an dem Tag herrschte, an dem die ersten Migranten aus Hotels auf Gran Canaria nach Las Raíces verlegt wurden, schien ein Vorbote der Unruhen zu sein. Grund dafür waren zum einen die Zustände in dem Zeltlager, in dem die Migranten in Gemeinschaftszelten in Gruppen von bis zu 45 Personen einquartiert wurden. Sie monierten unter anderem, dass es in den Zelten bitterkalt sei, sie kein warmes Wasser zur Verfügung hätten und es nur zwanzig Toiletten für Hunderte Personen gebe. Andererseits herrschte Verunsicherung angesichts drohender Rückführungen in ihre afrikanischen Heimatländer und Frust, weil es keine Aussicht auf eine Weiterreisemöglichkeit auf das spanische Festland bzw. in andere europäische Länder gab.
Es kam mehrfach zu Zwischenfällen wie Streitereien mit Handgreiflichkeiten und Verletzungen, bei denen die Polizei einschreiten musste. Mehrere Personen wurden festgenommen. Dazu befragte Insassen des Zeltlagers führten die Konflikte auf die unhaltbaren Zustände im Lager zurück, in dem Migranten verschiedenster Herkunft, die oft nicht dieselbe Sprache sprechen, auf engem Raum zusammenleben, wodurch es häufig zu Missverständnissen komme. Migranten aus Mali, Senegal, Marokko und Mauretanien teilen sich die mit Stockbetten ausgestatteten Zelte.
Einvernehmen herrschte hingegen in der Gruppe von Migranten, die sich zu einer Protestbewegung zusammenschlossen und das Zeltlager verließen, um direkt vor den Türen zu campieren. Sie schliefen trotz niedriger Temperaturen im Freien, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, und wurden von einer Gruppe kanarischer Unterstützer, die sich für ihre Freilassung und ihr Recht auf Bewegungsfreiheit in Spanien und Europa einsetzt, mit Kleidung und Essen versorgt. Auf Bettlaken schrieben sie unter anderem „Wir sind Migranten, keine Kriminellen. Freiheit“.
Am 19. Februar reiste der kanarische Regierungschef Ángel Víctor Torres nach Madrid und forderte im Senat eindringlich eine auf spanischer und europäischer Ebene „mitverantwortliche und koordinierte“ Migrationspolitik. Infolge der im Jahr 2020 massiv gestiegenen irregulären Migration auf die Kanaren – im Vergleich zu 2019 um 756,8% (von 2.287 auf 23.023 Personen) sei der Verbleib dieser Menschen auf den Inseln für die Region nicht tragbar, mahnte Torres. Es könne nicht zugelassen werden, dass alle Migranten, die auf den Kanaren eintreffen, die schließlich auch Europa seien, auf den Inseln festgehalten werden, erklärte er weiter und erinnerte an eine Vereinbarung aus dem Jahr 2002, in der festgelegt wurde, dass auf den Kanarischen Inseln höchstens 1.500 Personen aufgenommen werden können, „was wir für vernünftig halten und bereit sind anzunehmen“. Zum jetzigen Zeitpunkt befänden sich jedoch 11.000 Migranten in Aufnahmeeinrichtungen auf den Inseln. Außerdem erinnerte der kanarische Präsident daran, dass der im November entwickelte sogenannte „Plan Canarias“ zur Bewältigung der Migrationskrise eine Aufnahmekapazität von 7.000 Plätzen vorsah; diese Plätze stünden für die Aufnahme im Falle von Migrationsspitzen bereit, seien aber nicht für eine ständige Unterbringung vorgesehen. So, wie auf den Kanarischen Inseln ungenutzte militärische Einrichtungen für die Aufnahme von Flüchtlingen umgestaltet würden, könnten auch ähnliche Anlagen auf dem spanischen Festland dafür genutzt werden, verlangte Torres.
Während der Präsident sich in Madrid für die Verlegung von Migranten in andere Regionen Spaniens aussprach, stellten Migranten in Las Raíces dieselbe Forderung. Mit Papierfliegern symbolisierten sie ihren Wunsch, die Inseln verlassen zu dürfen, um ihre Reise nach Spanien und Europa fortzusetzen. Denn ihr Ziel waren nie die Kanarischen Inseln. Sie wollen weiterreisen, manche, weil bereits Angehörige anderswo in Europa auf sie warten, andere, um Arbeit zu finden und die in der Heimat zurückgelassene Familie finanziell zu unterstützen.
Obwohl aus den beiden zuständigen Ministerien – dem Innenministerium und dem Migrationsministerium – keine diesbezügliche Stellungnahme erfolgte, kam es unmittelbar nach der Rede von Torres in Madrid tatsächlich zu den ersten Verlegungen von Migranten. Die Zeitung „El Día“ berichtete unter Berufung auf „verlässliche Quellen“, dass die Verlegung von 3.500 Migranten auf das spanische Festland genehmigt worden sei. Währenddessen versicherte die Staatssekretärin für Migration, Hana Jallaul, dass die einzigen Verlegungen, die aktuell stattfänden, die von vulnerablen Personen, vor allem Mütter mit Kindern, Personen mit Anspruch auf Asyl, die nicht in ihre Heimatländer rückgeführt werden können, seien.

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