Absolventen von Studiengängen wie Medizin, Biomedizin und Biotechnologie können in Spanien froh sein, wenn sie einen befristeten Arbeitsvertrag, einen Praktikumsplatz oder ein Stipendium ergattern
Madrid – Wer in Spanien einen Studienplatz in dem Fach Biomedizin erreichen will, muss nahezu perfekte Durchschnittsnoten vorweisen. In Medizin sind die Aufnahmeregeln fast noch strenger. Wer das Studium dann aber – häufig mit Auszeichnung – absolviert hat, dem stehen harte Jahre bevor. Die Berufsaussichten für Absolventen von so anspruchsvollen Studiengängen wie Medizin, Biomedizin und Biotechnologie sind in Spanen nämlich seit vielen Jahren mehr als ernüchternd. Nach einer Untersuchung der wissenschaftlich ausgerichteten Stiftung Conocimiento y Desarrollo (FCY) befanden sich beispielsweise 86,6% der Ärzte, und 70,6% der Absolventen des Studiengangs Biomedizin, die 2015 ihren Abschluss gemacht haben, vier Jahre später immer noch in äußerst prekären Beschäftigungsverhältnissen, d. h. verfügten lediglich dank eines Stipendiums über einen Arbeitsvertrag, mussten sich mit einem befristeten Arbeitsvertrag und schlechter Bezahlung begnügen oder waren nur als Praktikanten bzw. Auszubildende beschäftigt.
In der Liste der Berufe mit prekären Berufsaussichten stehen in Spanien nach den bereits genannten Gesundheitsberufen vor allem Absolventen klassischer Sprachwissenschaften (72,4%) und Biotechnologen (66%), die dazu ausgebildet sind mit biologischem und technischem Wissen zu arbeiten, um beispielsweise Computer so zu programmieren, dass sie Medikamente entwickeln können. Ganz anders verhält es sich hingegen bei den Absolventen von Zahnmedizin, von denen sich 96,4% vier Jahre nach ihrem Abschluss in einer gut bezahlten Festanstellung befinden. Im Ranking der Berufe mit guten Aussichten auf einen sicheren Arbeitsplatz folgen auf die Zahnärzte, Podologen und Informatiker.
Ärzte, die in der Regel ein hohes Maß an innerer Berufung für ihren Beruf fühlen, arbeiten zwar in Verhältnissen mit hoher Unsicherheit und schlechter Bezahlung, aber immerhin sind 99,9% in dem Bereich tätig, den sie studiert haben. Im Gegensatz dazu ist ein Viertel der Absolventen von Fächern wie Kunstgeschichte, Kriminologie und Geisteswissenschaften in Berufen tätig, die nur eine geringe Ausbildung erfordern: Buchhalter, Büroangestellte, Kellner oder Verkäufer.
Bereits die durch die letzte Wirtschaftskrise hervorgerufene Instabilität auf dem Arbeitsmarkt in Spanien hat viele junge Mediziner und Pflegepersonal ins Ausland getrieben, damals hauptsächlich ins Vereinigte Königreich. Heute wiederholt sich das vor allem im Bereich der Biomedizin, wo sich die Absolventen aufgrund der Situation in Spanien in Scharen dazu gezwungen sehen, zur Weiterbildung oder zum Arbeiten auszuwandern. Francisco Castillo, Biologe und Vorsitzender der Nationalen Vereinigung der Krankenhausforscher (ANIH) ist keineswegs überrascht über die hohe Abwanderungsrate: „Angesichts der Blockade der Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor suchen viele Hochschulabsolventen bessere Perspektiven. Es ist schade, dass sie nach all dem, was in ihre Ausbildung investiert wurde, nun abwandern müssen. Andernorts sind sie jedoch trotz der Sprachhürden heiß begehrt.“ Er persönlich habe allein in diesem Jahr bereits sechs Arbeitsangebote aus den Vereinigten Staaten, Europa und Marokko erhalten.
Spanische Biotechnologen sind im Ausland hoch angesehen, und jeder Fünfte wandert nach Schätzung der Vereinigung nach dem Studium aus. Viele von ihnen verlassen Spanien sogar bereits während des Studiums. Der Ablauf ist dabei meist gleich: Sie absolvieren ein Auslandssemester über Erasmus und kommen dann nicht mehr zurück, weil sie von ausländischen Laboren das Angebot erhielten, dort zu promovieren. Schon für angehende Doktoranden liegen die dortigen Gehälter im Vergleich zu Spanien in der Regel um einiges höher.
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