Richter Garzón machte überraschend einen Rückzieher und übergab die Ermittlungen Provinzgerichten
Baltasar Garzón, der spanische Untersuchungsrichter, der vor etwa zehn Jahren mit der Festnahme des chilenischen Diktators Augusto Pinochet auf internationaler Ebene Aufsehen erregte, hat überraschend seine Ermittlungen zur Aufklärung der während des Bürgerkrieges und der darauf folgenden Diktatur unter Francisco Franco (1939-1975) geschehenen Verbrechen eingestellt.
Madrid – Am 18. November erklärte sich der Jurist für „nicht zuständig“ und gab die Untersuchungen an 62 Provinzgerichte ab. Die Ermittlungen sollten ab sofort von den Gerichten der Regionen durchgeführt werden, in denen Massengräber mit Franco-Opfern gefunden wurden, so der Richter.
Garzón hatte vor einigen Monaten die Ermittlungen unter anderem mit dem Argument eingeleitet, es handle sich bei den Morden um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, weswegen er sich auch für den Fall für „zuständig“ befand. Doch obwohl sein Vorgehen in weiten Teilen der spanischen Gesellschaft auf große Zustimmung traf und besonders die Angehörigen von Franco-Opfern endlich die Gelegenheit einer Aufarbeitung dieses immer noch sehr schmerzlichen Kapitels der spanischen Geschichte sahen, stieß der Richter in gewissen Gesellschaftsschichten auch in ein Wespennest.
Auf politischer Ebene monierte vor allem die konservative Opposition, unterstützt von der katholischen Kirche, er wolle unnötigerweise „alte Wunden aufreißen“. Auf gerichtlicher Ebene wurde sein Vorhaben von der Staatsanwaltschaft boykottiert, die die Morde an Franco-Gegnern nicht als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einstufte, sondern als „ganz normale Verbrechen“ ansah, die bereits verjährt seien.
Mit seinem überraschenden Rückzieher kommt Garzón einem Urteil der Audiencia Nacional, des Obersten spanischen Strafgerichtshofes zuvor, der kurz vor Redaktionsschluss die „Zuständigkeit“des Richters ablehnte. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft den vorläufigen Stopp der Ermittlungen und vor allem der bereits angeordneten Öffnungen von Massengräbern erwirkt. Unter anderem berief man sich dabei auf das 1977 verabschiedete Amnestiegesetz, mit dem die in dieser Zeit begangenen Verbrechen „unter den Teppich gekehrt wurden“, um den Übergang zur Demokratie möglich zu machen.
In seiner Begründung ließ Garzón jedoch keinen Zweifel daran, was er von den Bemühungen der Staatsanwaltschaft, seine Ermittlungen zu stoppen, hält. Unter anderem erklärte er, wenn in Deutschland dieselben Kriterien angewandt worden wären, wie sie sich die Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht hat, dann wären die Nazi-Verbrechen nie vor Gericht gekommen.
Zahlreiche Intellektuelle unterzeichneten wenige Tage danach ein Manifest, in dem sie Garzón ausdrücklich unterstützen und scharfe Kritik an denjenigen üben, die den ersten Schritt zur Aufarbeitung der Franco-Diktatur verhindern wollen.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]