Regierung kündigt Gesetzentwurf für März 2011 an
Am 19. November kündigte die spanische Regierung an, im März nächsten Jahres einen Entwurf des „Gesetzes über schmerzlindernde Maßnahmen und würdevolles Sterben“ vorzustellen.
Madrid – Zum Einen soll das Recht der unheilbar Kranken auf einen würdevollen Tod, d.h. ein durch Medikamente schmerzbefreites Sterben, festgehalten und zum Anderen sollen die behandelnden Ärzte bei der Gabe von notwendigen, aber evtl. lebensverkürzenden Mitteln legal abgesichert werden.
Vizepräsident Alfredo Pérez Rubalcaba erklärte, das neue Gesetz werde jedem Bürger „das Recht“ einräumen, „würdevoll zu sterben, d.h. ohne Schmerzen, wenn die Medizin dieses ermöglicht“. Es gehe darum, die Rechte von Kranken, Familienangehörigen und Ärzten zu garantieren. Rubalcaba fügte hinzu: „Wenn jemand unheilbar krank ist, sicher sterben wird und ein großes Leiden vor sich hat, so kann die heutige Medizin mit ihren Mitteln dem Patienten ermöglichen, zumindest ohne Schmerz und in Würde zu sterben.“ Der Vizepräsident deutete an, die Anwendung von schmerzstillenden, evtl. lebensverkürzenden Mitteln sei klar von dem Fall abzugrenzen, dem Tötungsverlangen eines unheilbar Kranken nachzukommen, also Sterbehilfe zu betreiben. In dem Gesetz soll es allein um die Leidenslinderung gehen, der schmerzbefreienden Begleitung eines friedvollen Todes.
Laut einer vor Kurzem durchgeführten Umfrage befürworten fast alle Ärzte (97,3%) Behandlungen, die unheilbar kranke Patienten von ihren Schmerzen befreien, auch wenn sie das Leben verkürzen.
Stimmen
Marciano Sánchez Bayle, Sprecher des Dachverbandes der Vereinigungen für die Verteidigung des öffentlichen Gesundheitswesens FADSP, begrüßte die Initiative der Regierung und erklärte: „Ein Gesetz zum Sterben in Würde ist absolut notwendig …, da es wichtig ist, dieses Recht … zu garantieren.“ Auch Máximo González Jurado, Präsident des Generalrates der spanischen Krankenpflege, stimmte dem Projekt zu und sagte, er sei immer dafür gewesen, dass „die Rechte und die Selbstbestimmung des Patienten respektiert“ würden.
Doch auch Gegenstimmen wurden laut. Juan Molina, Sprecher der Nationalen Vereinigung für die Verteidigung des Rechts auf moralische Verweigerung, verlangte eine Norm, die „die Gesundheit, das Glück und das Leben der Personen schützt“ und nicht eine, die „den Tod verursacht“. Auch die Vereinigung Recht auf würdevollen Tod zeigte sich skeptisch; Präsident César Caballero stufte das neue Gesetz als Wahlmaßnahme der Regierung ein, da es sich um „keinen Fortschritt für die spanischen Bürger“ handele, solange die Sterbehilfe nicht legalisiert würde.
Hintergründe
Wie in vielen europäischen Staaten so wird auch in Spanien seit Langem über die Anwendung schmerzbefreiender aber lebensverkürzender Medikamente sowie die Sterbehilfe bei unheilbar kranken Menschen diskutiert. Die öffentliche Debatte wurde insbesondere durch den Fall Ramón Sampedro im Jahr 1998 und den Fall Leganés im Jahr 2005 angeheizt.
Bei Ramón Sampedro handelte es sich um einen an das Bett gefesselten Querschnittsgelähmten, der jahrelang um Hilfe bat, sein Leiden zu beenden. Schließlich gelang es ihm, sich mit Unterstützung seiner Freundin das Leben zu nehmen.
Im Jahr 2002 wurde das Gesetz über die Selbstbestimmung des Patienten verabschiedet, das die Gabe von schmerzlindernden Medikamenten an unheilbar Kranke erlaubt und das Recht des Patienten festhält, lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen.
Jahre später belegte wochenlang der Fall Leganés die Medien. Dem Notfalldienst des Krankenhauses Severo Ochoa de Leganés (Madrid) wurde vorgeworfen, durch die Vergabe überhöhter Dosen an Schmerzmitteln 400 Schwerkranke umgebracht zu haben. Zwei Jahre später wurde der Fall zu den Akten gelegt.
Im März dieses Jahres kam Andalusien dem spanischen Gesetzentwurf bevor und verabschiedete eine Norm, die die Gabe schmerzbefreiender und lebensverkürzender Medikamente an unheilbar Kranke legalisierte und die behandelnden Ärzte gesetzlich absicherte.
Sterbehilfe
Während der Kampagne zu den Nationalwahlen im Jahr 2004 versprach die heute regierende Partei Partido Socialista (PSOE), das würdevolle Sterben eines unheilbar Kranken in all seinen Aspekten, also auch der Sterbehilfe, gesetzlich zu regeln. Bis zu der Ankündigung des neuen Gesetzes war das heikle Thema jedoch mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt worden. Das neue Gesetz wird für mehr Klarheit im Bereich der terminalen Schmerzlinderung sorgen, aber auch weiterhin das Thema der Sterbehilfe nicht angehen.
Dabei befürworten 60% der Ärzte eine Legalisierung des Patientenrechts, bei einer tödlichen Krankheit mit ärztlicher oder familiärer Unterstützung das Leben beenden zu können, denn laut 84% der Mediziner würden schmerzlindernde Mittel nicht in allen Fällen ein würdevolles und schmerzfreies Sterben ermöglichen [Umfrage aus dem Jahr 2002].
Laut Daten aus Holland und Belgien, Ländern in denen die Sterbehilfe legalisiert ist, verlangt nur eine sehr geringe Anzahl an unheilbar Kranken nach Maßnahmen zur Lebensbeendigung. Ob nun dafür oder dagegen – zumindest wurde dort eine konkrete gesetzliche Regelung vorgenommen.
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]