Ein Artikel von Rechtsanwalt Robert Stancke
Deutsche und andere EU-Bürger, die in Spanien leben, werden aufgrund einer bereits beschlossenen Verordnung der EU ab dem kommenden Jahr nicht mehr nach dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit sondern nach spanischem Recht beerbt. Das macht schon jetzt die Errichtung oder Anpassung von Testamenten und Erbverträgen sinnvoll.
Erbfälle in Europa haben zunehmend einen grenzüberschreitenden Bezug, weil viele EU-Bürger einen Wohnsitz oder Vermögen im Ausland haben. Hiervon besonders betroffen ist auch die Gemeinde deutscher Staatsbürger, die in Spanien arbeiten, hier Grundbesitz haben oder sich mehr oder weniger dauerhaft in Spanien aufhalten.
Ein einheitliches europäisches Erbrecht gibt es für solche Fälle aber nicht. Stattdessen bildet die EU einen Flickenteppich höchst unterschiedlicher und teilweise widersprüchlicher nationaler Erbrechtsordnungen. Bisher ist nicht einmal die Frage, welches dieser unterschiedlichen Erbrechte in grenzüberschreitenden Fällen zur Anwendung kommt, in der EU einheitlich geregelt. Dies ändert sich nun durch die EU-Verordnung Nr. 650/2012 (EU-ErbVO).
Die Verordnung bestimmt für Erbfälle, die ab dem 17. August 2015 eintreten, dass einheitlich das Erbrecht desjenigen Landes anzuwenden ist, in dem der Erblasser sich zuletzt dauerhaft aufgehalten hat. In Deutschland löst sie die bisherige Regelung in Art. 25 Absatz 1 EGBGB ab, durch die der Nachlass dem Recht des Staates unterstellt wird, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte.
Die neue Regelung ist von den Gerichten in Spanien wie auch in Deutschland anzuwenden. Zudem gilt sie für den gesamten Nachlass, unabhängig davon, wo sich einzelne Nachlassgegenstände befinden. Dadurch werden innerhalb der EU sogenannte Nachlassspaltungen, also die Anwendung unterschiedlicher Erbrechtsordnungen auf einzelne Bestandteile des Nachlasses, vermieden.
Wenn der letzte dauerhafte Aufenthaltsort in Spanien gelegen hat, ist also zukünftig spanisches Erbrecht anzuwenden und zwar auch dann, wenn der Erblasser Deutscher war, seine Erben Deutsche sind und der Nachlass sich in Deutschland befindet.
„Dauerhafter Aufenthalt“
Die Verordnung legt nicht konkret fest, was unter einem „dauerhaften“ Aufenthalt zu verstehen ist. Entsprechend unterschiedliche Meinungen werden von den Experten schon jetzt vertreten. Eine Mindestaufenthaltsdauer ist für einen dauerhaften Aufenthalt wohl nicht erforderlich, sodass schon mit der Aufnahme eines neuen Wohnsitzes in Spanien der gewöhnliche Aufenthaltsort wechseln und das spanische Recht anwendbar sein kann. Andere Regelungen des EU-Rechts lassen vermuten, dass ein Aufenthalt stets und von Beginn an als „dauerhaft“ gilt, wenn eine Zeitspanne von mehr als sechs Monaten Aufenthaltsdauer beabsichtigt ist. Dennoch bleiben Fragen. So wird diskutiert, ob ins Ausland entsandte Arbeitnehmer und Diplomaten einen „dauerhaften“ Aufenthalt begründen. Und gerade bei deutschen „Überwinterern“, die einen wesentlichen Teil des Jahres in Spanien verbringen, aber doch regelmäßig nach Deutschland zurückkehren, wird die Bestimmung des „dauerhaften“ Aufenthaltsortes häufig schwierig und zweifelhaft sein. Sicher ist nur, dass es allein auf die faktischen Verhältnisse ankommt. Ein „dauerhafter“ Aufenthalt kann also auch ohne „Empadronamiento“ oder „Residencia“ begründet werden.
Um einer allzu schematischen Betrachtung entgegenzuwirken, bestimmt Art. 21 Abs. 2 EU-ErbVO zudem, dass ausnahmsweise das Recht eines anderen als des Aufenthaltsstaates anzuwenden ist, wenn der Erblasser zu diesem offensichtlich engere Bindungen hat. Durch diese Regelung sollte insbesondere der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Befürchtung Rechnung getragen werden, pflegebedürftige Angehörige könnten von ihren potenziellen Erben in Pflegeheime im Ausland abgeschoben werden, um sie einem für sie günstigen Erbrecht zu unterstellen.
Rechtliche Konsequenzen für Deutsche in Spanien
Der Todesfall eines in Spanien lebenden Deutschen kann daher für die Hinterbliebenen nicht vorhergesehene und nur schwer zu korrigierende erbrechtliche und steuerliche Konsequenzen haben, weil sich aus dem nun anwendbaren spanischen Erbrecht andere Rechtsfolgen ergeben, als nach deutschem Erbrecht zu erwarten gewesen wären.
In der erbrechtlichen Praxis hat sich insbesondere die unterschiedliche Behandlung der in Deutschland weit verbreiteten gemeinschaftlichen Ehegattentestamente und Erbver-träge als problematisch herausgestellt. So besteht z.B. die Möglichkeit, dass ein in Deutschland errichtetes sog. „Berliner Testament“ in Spanien inhaltlich nicht anerkannt wird.
Ein weiteres Beispiel für praxisrelevante Unterschiede ist der Umstand, dass im deutschen Recht der enterbte Pflichtteilsberechtigte einen Geldanspruch gegen die Erben hat, während das spanische Recht den enterbten Angehörigen in bestimmten Fällen unmittelbar am Nachlass beteiligt (sogenanntes Noterb-recht).
Schließlich enthalten die nationalen Rechtsordnungen aufeinander abgestimmte Regelungen des Erb- und Familienrechts über eine Beteiligung des hinterbliebenen Ehegatten am Nachlass. So kann in Deutschland gemäß § 1371 BGB der Zugewinnausgleich im Todesfall durch eine Erhöhung der Erbquote des Ehegatten realisiert werden. Da die EU-ErbVO nur die Anwendung des Erbrechts regelt, kann die Anwendung jeweils unterschiedlicher Rechtsordnungen im Bereich des Erb- und Familienrechts zu inkonsistenten und als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen.
In der Vergangenheit getroffene erbrechtliche Gestaltungen gehören daher auf den Prüfstand.
Möglichkeit der Rechtswahl und testamentarischen Gestaltung
Die Verordnung eröffnet in Spanien lebenden EU-Bürgern die Möglichkeit, entgegen der in der EU-ErbVO vorgesehenen Anwendung des spanischen Erbrechts die Anwendung ihres jeweiligen Heimatrechts durch eine Rechtswahl anzuordnen. Eine solche Rechtswahl muss in Form eines Testaments oder Erbvertrags getroffen werden. Die Rechtswahl kann – und sollte! – so früh wie möglich, also auch schon vor dem 17. August 2015 getroffen werden.
Für Deutsche, die dauerhaft in Spanien leben, besteht daher in jedem Fall Handlungsbedarf. Entweder sollten sie die Fortgeltung ihres deutschen Heimatrechts anordnen, um bisher getroffene erbrechtliche Regelungen nicht zu gefährden, oder sie sollten ihr Testament oder ihren Erbvertrag dem zukünftig geltenden spanischen Recht entsprechend gestalten. Dabei sind gerade bei Fällen mit Auslandsbezug durchdachte und individuell ausgestaltete testamentarische Regelungen unverzichtbar.
Das Testament kann nach deutschem Recht handschriftlich errichtet oder beurkundet werden. Eine Beurkundung kann in Deutschland bei einem Notar aber auch in Spanien bei der deutschen Botschaft in Madrid vorgenommen werden. Es kann sich empfehlen, zusätzlich die Formvorschriften auch der anderen Staaten einzuhalten, mit denen der Fall Berührung hat.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Prokurist der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Berlin (www.kpmg-law.com; rstancke@kpmg-law.com). Das internationale KPMG-Netzwerk betreut seine Mandanten mit rund 152.000 Mitarbeitern und Niederlassungen in weltweit 156 Ländern. KPMG International Cooperative („KPMG International“) ist eine juristische Person schweizerischen Rechts, bestehend aus unabhängigen Mitgliedsfirmen, welcher die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH über ihren Kooperationspartner KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verbunden ist.
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