Die spanischen Sozialisten wählten ihren neuen Generalsekretär
Madrid Die Mitglieder der PSOE nahmen Mitte Juli massiv an der Wahl ihres neuen Generalsekretärs teil und fällten ein eindeutiges Urteil. Mehr als 130.000 eingeschriebene Mitglieder – rund 65 Prozent – stimmten für Pedro Sánchez als neuen Parteiführer, während sein nächster Konkurrent, Eduardo Madina aus Madrid mit einer Differenz von 13 Punkten abgeschlagen auf dem zweiten Platz landete.
Madrid – Die Partei hatte sich zur Wahl eines neuen Liders entschlossen, nachdem der langjährige Parteichef Alfredo Pérez Rubalcaba nach dem Debakel bei den Europawahlen im vergangenen Mai seinen Posten niedergelegt hatte.
Als das Ergebnis bekannt wurde, feierten mehr als zweihundert Abgesandte der Regionalverbände frenetisch ihren neuen Parteiführer in der Zentrale in Madrid. Er werde die PSOE ändern und erneuern und danach auch Spanien, rief er seinen Parteifreunden zu und bot seinen beiden Rivalen und allen Mitgliedern an, einen Kongress der Einheit abzuhalten und ein Siegerprojekt auszuarbeiten.
Pedro Sánchez galt schon während der Wahlkampagne als Favorit und wurde mit der größten Stimmenzahl in der Parteigeschichte zum Generalsekretär gewählt. Es war auch das erste Mal, dass eine der führenden Parteien Spaniens in direkter und geheimer Wahl durch die Mitglieder ihren Führer gewählt hat.
Der 42-jährige neue Generalsekretär der spanischen Sozialisten ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Als die wichtigsten Ziele der „neuen PSOE“ zeigte er den Schutz der Schwächsten, die Einheit Spaniens sowie die Konstruktion eines anderen Europa als das der derzeitigen konservativen Mehrheit auf.
Er versprach eine Sozialistische Partei mit einer Führungsriege, die ebenso linksgerichtet sein wird, wie ihre Mitglieder. „Der Wechsel in der Partei ist der Beginn eines Wechsels in Spanien und der Anfang vom Ende Rajoys als Regierungschef. Nur die PSOE kann Spanien mit einem fortschrittlichen Projekt regieren und nicht in Populismus und Demagogie verfallen“, rief er seinen Zuhörern zu.
Inzwischen hat sich der smarte Politiker sozusagen als das neue Gesicht der spanischen Sozialisten im Lande umgetan. Und wie es scheint, findet er mit seinem Konzept bei den Bürgern Anklang.
So hat seine Wahl nicht nur den Mitgliedern seiner Partei Auftrieb gegeben, sondern auch den Wählern, die in der Vergangenheit für die Sozialisten gestimmt hatten. Nach einer Umfrage von „Metroscopia“ gebe es einen technischen Gleichstand (32,3 zu 31,7%) zwischen PP und PSOE wenn jetzt Wahlen abgehalten würden. Ein Ergebnis, das sich bedeutend von dem einer Umfrage unterscheidet, die Anfang Juli mitten in der internen Krise der PSOE stattfand und bei der die PP mit acht Punkten vorne lag.
Diese positiven Daten haben Pedro Sánchez offenbar dazu bewogen, seiner Partei mitzuteilen, dass er sich als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen präsentieren möchte, die, wenn auf der politischen Bühne alles normal verläuft, im November 2015 stattfinden werden. Auch in diesem Fall soll ein außerordentlicher Kongress einberufen werden, bei dem Wahlmänner aus allen Regionen über die Kandidatur abstimmen. Doch zuvor werden im Mai kommenden Jahres die Kommunal- und Regionalwahlen stattfinden.
Offensive gegen die Steuerpolitik der Regierung
Die PSOE wird im September, wenn die neuen Beratungen beginnen, einen Änderungsantrag gegen die Steuerreform einbringen, welche die Regierung dank der absoluten Mehrheit der PP im Abgeordnetenkongress verabschiedet hat. Das gab die neue Direktion der Partei unter Pedro Sánchez kürzlich bekannt. Eine Maßnahme, um den Sozialstaat neu zu definieren, der von der Regierung Rajoy praktisch komplett demontiert worden sei. Die Führungsspitze möchte beweisen, dass ihre Politik im Gegensatz zur Linie der konservativen Regierung sozial geprägt sein wird. Für die beginnende parlamentarische Arbeit hat die Partei eine Agenda festgelegt, die sie als „Sozialdemokratische Finanz-Offensive“ bezeichnet. Eine politische Offensive, bei der sie, sozusagen mit einem Fuß im Parlament, die Debatte auch in die Medien, in die Verbände und Vereinigungen und schließlich in die Bevölkerung tragen wird.
Sozialisten wollen Langzeitarbeitslose finanziell unterstützen
Zwar herrscht derzeit Sommerpause, doch Pedro Sánchez nimmt seinen Auftrag ernst und hat noch vor seinem Urlaub eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die das aktuelle soziale Drama von Arbeits- und Mittellosigkeit zu mindern sucht.
Mariluz Rodríguez und María Luisa Carcedo, Verantwortliche für Arbeit bzw. Sozialpolitik der PSOE, gaben dieser Tage nähere Informationen zu der Geseztesvorlage bekannt, die eine Art befristetes Arbeitslosengeld II – sprich eine Leistung zur Sicherung eines würdevollen Lebens – vorsieht. Demnach soll vor allem Langzeitarbeitslosen mit familiären Verpflichtungen nach der Ausschöpfung aller staatlichen Leistungen – was in der Regel nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit der Fall ist – eine finanzielle Unterstützung von 426 Euro plus 100 Euro pro Kind zugestanden werden.
Soziales Drama
Für eine solche Hilfe besteht ausreichend Bedarf. Laut der neuesten Umfrage zur aktiven Bevölkerung (Encuesta sobre la Población Activa, EPA) beläuft sich die Zahl der Arbeitslosen ohne jegliche staatliche Unterstützung auf 3.842.438 Personen. Sprich: fast vier Millionen Spanier müssen ohne jegliches Einkommen irgendwie überleben. Laut der EPA sind in rund 740.000 Familien alle Mitglieder arbeits- und einkommenslos. Zu den erschütterndsten Folgen dieser sozialen Krise gehört sicherlich die starke Zunahme der Kinderarmut und der Mangelernährung spanischer Kinder, auf die bereits diverse internationale Hilfsorganisationen aufmerksam wurden, und die zweifellos auf die hohe Arbeitslosigkeit und den Mangel finanzieller Unterstützung seitens der Gesellschaft zurückzuführen sind.
Eine Art Arbeitslosengeld II
Der neue Führer der Sozialisten hat nun entschieden, die erste Gesetzesvorlage den Arbeitslosen und ihren Kindern zu widmen, die vom Staat im Stich gelassen wurden. Laut Rodríguez und Carcedo sieht der Entwurf vor, Langzeitarbeitslosen ohne jegliche Unterstützung und mit familiären Verpflichtungen, mittellosen Frauen, Opfern häuslicher Gewalt, behinderten Personen und Langzeitarbeitslosen über 45 Jahren – in dieser Reihenfolge – mit 426 Euro monatlich unter die Arme zu greifen. Pro Kind sollen noch einmal 100 Euro dazukommen. Zunächst soll die Hilfe für ein halbes Jahr bewilligt, danach jedoch verlängert werden können. Nach Vorstellung der Sozialisten soll diese finanzielle Hilfe wieder abgeschafft werden, wenn die Arbeitslosenquote auf 15% gesunken ist.
Die beiden Mitglieder aus Sánchez’ neuem Führungsstab erklärten auch, wie die Sozialisten diese Initiative finanzieren wollen. Laut Rodriguez und Carcedo erhalten nur 57% der Arbeitslosen finanzielle Mittel aus dem entsprechenden Haushaltsposten, obwohl alle Personen ohne Einkommen versorgt werden könnten. Der Differenzbetrag könnte also für die Sicherung der Lebensgrundlage der Langzeitarbeitslosen herangezogen werden.
Im September wird die Gesetzesinitiative dem Abgeordnetenhaus vorgelegt.
Pedro Sánchez Pérez-Castejón
1972 in Madrid geboren, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern, Doktor der Wirtschaftswissenschaften und seit 2008 Dozent an der Universität Camilo José Cela in Madrid. Er ist Autor verschiedener Fachbücher. In seiner Jugend war er passionierter Basketballspieler, und er ist Fan des Fußballclubs Atlético de Madrid.
Unter Felipe González trat er 1993 in die Sozialistische Partei ein. Mit 26 Jahren war er im Europäischen Parlament Berater der sozialistischen spanischen Abgeordneten Barbara Dührkop, und später stieg er zum Kabinettschef des hohen Kommissars der Vereinten Nationen in Bosnien und spanischen Diplomaten und Ex-Außenminister Carlos Westendorp während des Kosovokriegs auf.
2000 nahm er am 35. Nationalen Kongress der PSOE teil, auf dem José Luis Rodríguez Zapatero zum Generalsekretär und José Blanco zum Organisations-Sekretär gewählt wurden. Sánchez gehörte dessen Beratergruppe an.
2003 stand er auf der Kandidatenliste für die Kommunalwahlen in Madrid, erreichte jedoch nur den 23. Platz. Erst als zwei Stadtverordnete ausschieden, zog er in den Stadtrat von Madrid ein. Neben seinem Sitz in der Opposition war er in Kommissionen für Wirtschaft, Urbanismus und Wohnungsbau tätig und gehörte dem Verwaltungsrat der Sparkasse Caja Madrid an.
Als der Ex-Wirtschaftsminister Pedro Sólbes 2009 nicht nur sein Amt sondern auch sein Abgeordnetenmandat niederlegte, zog Pedro Sánchez als sozialistischer Abgeordneter ins Parlament ein. Er wurde Mitglied der Kommission für auswärtige und europäische Angelegenheiten. und Sprecher der Kommission des Abgeordnetenhauses für Studien des Klimawandels.
Obwohl er niemals dem Parteivorstand angehört hatte, wurde sein Name Anfang 2014 als möglicher Kandidat für die Vorstandswahlen der Partei gehandelt, die ursprünglich für November 2014 vorgesehen waren. Durch die Vorstellung seines Buches „Die neue spanische Wirtschaftsdiplomatie“, an der zahlreiche sozialistische Spitzenpolitiker teilgenommen hatten, war er unerwartet in der Öffentlichkeit bekannt geworden.
Nach dem außerordentlich schlechten Abschneiden der Sozialisten bei den Europawahlen und dem Rücktritt von Alfredo Pérez Rubalcaba erreichte die Angelegenheit eine neue Dynamik. Es wurde beschlossen, den neuen Parteichef per Direktwahl durch die Mitglieder bestimmen zu lassen, und Pedro Sánchez, mit 40.000 „Avalen“ ausgestattet, legte seine Kandidatur vor. Bei der Wahl am 13. Juli erhielt er 49% der Stimmen vor den beiden Konkurrenten Eduardo Madina mit 36% und José Antonio Pérez Tapias mit 15%. Auf dem außerordentlichen Parteikongress, der am 27. Juli stattfand, wurde er schließlich in seinem Amt bestätigt.
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