Das Wochenblatt sprach mit dem neuen Leiter der Abteilung Qualität und Umwelt bei TUI Deutschland, Dr. Harald Zeiss
Nicht auf dem Jakobsweg, sondern auf dem „grünen Weg“ sind nach Ansicht des neuen Umwelt-Mannes der TUI, Dr. Harald Zeiss, die Kanarischen Inseln. Der Vergleich mit dem berühmten Pilgerweg hinkt insofern nicht, als auch der Weg zur ökologischen Nachhaltigkeit für ein deutlich vom Tourismus geprägtes Gebiet, wie es die Kanaren nun einmal sind, ein steiniger und mühseliger Prozess ist, der durchgestanden werden muss.
Hannover – Doch nach dem qualifizierten Urteil von Dr. Zeiss – er kennt die Verhältnisse auf den Kanaren bestens – sind die Inseln gut dabei und haben die Nase, zumindest umwelttechnisch gesehen, im richtigen Wind.
Dr. Harald Zeiss (38, verheiratet, zwei Kinder) ist im März zum Leiter der Abteilung Qualitäts- und Umweltmanagement der TUI ernannt worden. Und nicht nur die Tourismusbranche der Kanaren blickt gespannt nach Hannover. Wir haben ihn um ein Gespräch gebeten.
Wochenblatt: Herr Dr. Zeiss, welche Prioritäten haben Sie sich für die nächste Zeit gesetzt? Welche Ansätze verfolgen Sie derzeit konkret?
Dr. Harald Zeiss: Das Umweltmanagement genießt bei der TUI einen hohen Stellenwert. Einer unserer vier Unternehmenswerte heißt „Verantwortlich handeln“ und genau dies wollen wir durch unser Umweltengagement auch umsetzen. Meine Prioritäten liegen derzeit auf drei großen Themen:
1. Reduktion von klimaschädlichem CO2,
2. Ausweitung unseres Umweltengagements in den Gastländern
3. Überprüfung und Weiterentwicklung von Umweltstandards in unseren Hotels.
Konkret bedeutet dies zu 1. dass wir unsere Kunden sensibilisieren und darüber informieren, dass insbesondere Flugreisen eine Belastung für die Umwelt sind, die aber jeder Urlauber leicht und bequem bei der Buchung durch einen Beitrag an unseren Partner myclimate kompensieren kann. Die TUI engagiert sich ebenfalls und wird alle Dienstreisen der Mitarbeiter ab dem kommenden Geschäftsjahr kompensieren.
Bezüglich unseres Engagements im Zielgebiet werden wir Ende Oktober auf Mallorca den ersten Baum für unseren TUI Wald pflanzen. Im Naturpark Llevant im Osten der Insel entsteht ein 48 Hektar großes Aufforstungsprojekt in Zusammenarbeit mit der balearischen Regierung. Damit können wir die Erosion reduzieren und setzen ein wachsendes Zeichen für unser ökologisches Engagement. Last but not least interessiert uns schließlich weiterhin das Umweltniveau unserer Hoteliers. Auf Teneriffa gibt es einige bekannte Aushängeschilder wie das Hotel Tigaiga, das sich seit Jahren für den Umweltschutz vor Ort einsetzt. Erfolgsstorys wie diese wollen wir gerne in alle Vertragshotels tragen. Dafür organisieren wir beispielsweise eine Umweltkonferenz und verleihen den TUI Umwelt Champion an unsere führenden, nachhaltig arbeitenden Hotels. Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass unsere eigenen Hotelketten wie beispielsweise Robinson sehr gut dabei abschneiden.
Wochenblatt: Der ehemalige TUI-Umweltdirektor Dr. Wolf-
Michael Iwand hatte den Slogan „Nicht sanft, sondern sustainable“, also „Kraftvoll für Nachhaltigkeit“ geprägt. Wie lautet Ihr Motto?
Dr. Harald Zeiss: Ehrlich gesagt, habe ich mir in den letzten 100 Tagen noch kein Motto angeeignet. Dafür möchte ich mir erst mein eigenes Bild machen. Beim Thema Umweltschutz habe ich jedoch immer Charles Darwin vor Augen, der bekanntlich festgestellt hat, dass nicht die Stärksten überleben, sondern die, die sich Veränderungen am besten anpassen. Ich meine, wir stehen vor weitreichenden und grundlegenden ökologischen Herausforderungen auf der ganzen Welt. Daher darf man Investitionen in den Umweltschutz nicht als Image- oder Marketingtool verstehen. Wer sich jetzt nicht konkret engagiert, wird bildlich gesprochen aussterben. Deshalb will die TUI im Umweltmanagement bester Reiseveranstalter sein.
Wochenblatt: Hat sich das Anspruchsdenken der Urlauber in der letzten Zeit verändert? Sind die Qualitätsansprüche insgesamt höher oder hat ein Umdenken in Bezug auf Umweltbewusstsein stattgefunden?
Dr. Harald Zeiss: Auf jeden Fall! Qualitätsansprüche wachsen fast schon zwangsläufig durch die Entwicklung einer Gesellschaft. Unsere Gäste möchten es im Urlaub besser haben als daheim. Mit der zunehmenden Modernisierung der Haushalte wächst daher auch der Anspruch an die Hotelleistungen im Gastland. Das gilt auch hinsichtlich Umweltansprüchen. Wer zuhause den Müll trennt, wird diesen im Urlaubsland nicht am Straßenrand sehen wollen. Über die Medien sind unsere Kunden vielfach über aktuelle Themen wie Klimaveränderung, Wasserknappheit und verantwortungsvollen Umgang mit Energie informiert. Die Rücksichtnahme bzgl. dieser Themen fordern sie dann über Reiseveranstalter wie die TUI im Gastland auch ein.
Wochenblatt: Bei Internet-Buchungen bei der TUI sieht sich der Kunde vor Buchungsabschluss vor die Frage gestellt, ob er „seinen Anteil“ am CO2-Ausstoß seiner Flugreise bezahlen bzw. diese Umweltbelastung in Form einer Spende für TUI-Umweltprojekte ausgleichen möchte. Wir denken, dies ist u.a. auch ein gutes Barometer für das Umwelt-Engagement der TUI-Kunden. Wie ist die Resonanz auf diese Aktion?
Dr. Harald Zeiss: Wer bei TUIfly im Internet eine Reise bucht landet automatisch bei der CO2 Kompensation. Mit einem Klick kann der Gast entscheiden, ob er die Emissionen seines Fluges kompensieren will. Das haben auch viele Gäste getan, sodass TUIfly mehr als 500.000 Euro an myclimate überweisen konnte. Im Reisebüro liegt die Nutzung dieses Angebots jedoch hinter unseren Erwartungen. Wir sind jedoch dabei, einen Weg zu finden, der mehr Gäste zum Kompensieren animiert.
Wochenblatt: Inwieweit können Sie Ihre Erfahrung als Area Manager Produkt und Einkauf Kanarische Inseln und Ihre gute Kenntnis der Inseln einbringen?
Dr. Harald Zeiss: Ich bin sehr froh, knappe 2 Jahre für den Einkauf der Kanarischen Inseln verantwortlich gewesen zu sein. Ich kenne die Wünsche und Sorgen der Hoteliers, habe mich mit Regierungsvertretern ausgetauscht und viel vom touristischen Geschäft gelernt. Das hilft mir und meinem Team, nicht im „Elfenbeinturm“ zu sitzen, sondern Projekte und Prozesse gleich auf ihre Umsetzungstauglichkeit zu überprüfen. Ich bin mit vielen Partnern weiterhin in Kontakt und kann mich schnell informieren, wie und wo unsere Projekte den größten Nutzen stiften. Mein Ziel ist, mittelfristig auf den Kanaren – obwohl wir hier traditionell bereits sehr stark sind – einige wichtige ökologische Projekte umzusetzen.
Wochenblatt: In letzter Zeit wird viel von der Konkurrenz anderer Urlaubsziele gesprochen, die von Europa aus schnell erreichbar sind und oft günstigere Preise anbieten. Welche Stärken sollte Ihrer Meinung nach die Destination Kanaren weiter ausbauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Dr. Harald Zeiss: In meiner Funktion als Umwelt- und Qualitätsmanager kann ich nur sagen: Hotels, die eine hohe Gästezufriedenheit verzeichnen, sind nachweisbar wirtschaftlich erfolgreicher. Also sollten hier auch die kanarischen Hoteliers verstärkte Anstrengungen unternehmen. Investitionen in die Zufriedenheit der Gäste lohnen sich – gerade in Krisenzeiten, in denen unsere Gäste verstärkt nach qualitativ verlässlichen Hotels suchen.
„Die derzeitige Wirtschaftslage ist in der Tat eine Herausforderung“
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie die Herausforderung für die kanarische Tourismusbranche bei der derzeitigen Wirtschaftslage?
Dr. Harald Zeiss: Die derzeitige Wirtschaftslage ist in der Tat eine Herausforderung. In vielen Hotels wird jetzt massiv an die Kosten herangegangen. Aus der Perspektive eines Umweltmanagers kann ich jedoch nur davor warnen, in Krisenzeiten das Engagement zurückzufahren. Dann wären die Anstrengungen der vergangenen Jahre vielfach in ihrem Nutzen begrenzt und Gäste hätten den Eindruck, dass alles nur ein Marketing-Gag gewesen sei. Umweltengagement misst sich in Nachhaltigkeit und Langfristigkeit. Aus wirtschaftlichen Gründen einen Zick-Zack-Kurs zu fahren ist da kontraproduktiv.
Wochenblatt: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie würden Sie das Umweltengagement der Hotels auf den Kanaren bewerten und warum?
Dr. Harald Zeiss: Das Engagement für die Umwelt ist ganz unterschiedlich zwischen den einzelnen Hotels. Es gibt echte Umweltfreaks, wie bereits erwähnt. Diese reißen sich sprichwörtlich ein Bein für den Schutz und Erhalt der Umwelt aus. Andere sind leider noch nicht überzeugt. Einige Hotels halten sich nur an den gesetzlich vorgegebenen Mindeststandard. Insgesamt muss ich aber sagen, dass die Kanarischen Inseln eher „grün“ sind und sich für das Thema interessieren. Das kommt sicherlich auch vom Inselstatus. Wenn es nur wenig Landfläche gibt, dann gehen Bewohner in der Regel auch vorsichtiger mit ihren Ressourcen um. Ich kann das nur begrüßen und halte die gesamten Inseln für besonders schützenswert. So viel Abwechslung und außergewöhnliche Naturerlebnisse habe ich selten auf so kleinem Raum gesehen.
Wochenblatt: Sind die Bemühungen der Kanaren um ihre Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung bzw. die der Hotels um ein nachhaltiges Management für TUI-Reisende wichtig bzw. beeinflussen sie die Entscheidung für oder gegen ein Urlaubsziel oder spielt in der heutigen Zeit nur noch der Preis die entscheidende Rolle?
Dr. Harald Zeiss: Die TUI investiert viel in Marktforschung, und unsere Ergebnisse zeigen, dass bei unseren Gästen der Trend zu einem höheren Anspruch hinsichtlich Nachhaltigkeit und Umweltschutz geht. Darüber hinaus werden auch soziale Themen immer wichtiger, wie beispielsweise der Schutz von Kindern vor Ausbeutung. In der Krise mag man meinen, dass Kunden in erster Linie auf den Preis schauen. Das hat sich bei uns nicht bestätigt. Wie bei vielen Markenprodukten zählt in unsicheren Zeiten das Vertrauen in ein Unternehmen bezüglich seiner Leistungen. Und das schließt den Umweltschutz mit ein. Daher sollten die Kanaren weiterhin in einen nachhaltigen Schutz ihrer Umwelt investieren.
Wochenblatt: Wo sehen Sie weitere Steigerungsmöglichkeiten bzw. welche Empfehlungen würden Sie geben?
Dr. Harald Zeiss: Meine Empfehlung an Hoteliers ist, sich konsequent und regelmäßig mit ökologischen Themen zu beschäftigen. Einzelmaßnahmen sind nur ein Strohfeuer und bringen relativ wenig. Es empfiehlt sich, alle Bereiche eines Hotels zu überprüfen, von der Energie, über das Wasser bis hin zur Mülltrennung. Und das nicht nur einmal, sondern regelmäßig, um neue Trends, Verbesserungen und Sanierungen nicht zu verpassen. Wenn diese Maßnahmen noch mit einer offenen Kommunikation an unsere Gäste begleitet werden, schafft es ein Hotel, sich am Markt als ökologisch zu etablieren. Wer dabei Hilfe braucht, kann sich gerne an mein Team oder mich wenden. Wir entwickeln gerade eine Hotelberatung, die bei ökologischen Themen Hoteliers konkret unterstützen kann.
Wochenblatt: Was halten Sie von der Möglichkeit, dass die Kanaren für den Bau von Offshore-Windparks immer interessanter werden und vermutlich schon bald die ersten Windparks dieser Art entstehen werden?
Dr. Harald Zeiss: Solche Projekte werden weltweit kontrovers diskutiert. Ich kann das nachvollziehen, da die Gewinnung von „grüner“ Energie einerseits die Umwelt entlastet und einen Beitrag zur CO2 Reduzierung
leistet, gleichzeitig aber durch den Bau dieser Anlagen punktuell die Umwelt verändert oder gar beschädigt wird. Die Gesamtbilanz sollte jedoch für die Umwelt deutlich positiv sein.
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie die Pläne der kanarischen Regierung, in Granadilla einen neuen, großen Industrie- und Handelshafen zu bauen?
Dr. Harald Zeiss: Mit dem Bau eines Industrie- und Handelshafens steht es ähnlich wie bei der letzten Frage. Ein Großhafen hat einen enormen negativen Einfluss auf die Umwelt. Der Hafen wird jedoch auf der anderen Seite auch einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben und hoffentlich zu einem höheren Einkommen der kanarischen Gesellschaft führen. Unsere Erfahrung ist, dass Gesellschaften, die ein höheres Einkommen haben auch sensibler hinsichtlich ökologischer Themen sind. Daher hoffe ich, dass der beim Bau entstehende ökologische Schaden letztlich ausgeglichen wird, da an andere Stelle ein vielfach höherer ökologischer Nutzen entsteht.
Wochenblatt: Und jetzt noch ein paar persönliche Fragen: Dr. Iwand machte seinerzeit Schlagzeilen, weil er mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Wie kommen Sie ins Büro?
Dr. Harald Zeiss: Ich fahre auch mit dem Fahrrad ins Büro, und zwar ausnahmslos jeden Tag. Im Winter, wenn es morgens noch kalt und dunkel ist, kann das ziemlich ungemütlich sein. Ansonsten fällt mir das Radfahren aber nicht schwer, denn ich wohne nicht weit von meiner Arbeit entfernt.
Wochenblatt: Wenn Sie Urlaub machen, wohin reisen Sie – und warum?
Dr. Harald Zeiss: Vor meiner TUI Zeit war ich ein großer Fan von Rucksackreisen. Mit meiner Frau war ich in Mittel- und Südamerika, Asien, Afrika und vielen Ländern Europas. Jetzt bin ich natürlich daran interessiert, die Pauschalprodukte der TUI kennen zu lernen und tue das in ganz unterschiedlichen Ländern. Mein liebstes Reiseland ist aber Frankreich, mit dem mich persönlich viel verbindet.
Wochenblatt: Kommen auch die Kanaren in Ihren Urlaubsplänen vor? Wenn ja, welche Insel(n) und warum?
Dr. Harald Zeiss: Auf jeden Fall. Nur weil ich in den vergangenen Jahren beruflich regelmäßig auf den Kanaren war und die Inseln gut kenne, bin ich jetzt schon länger nicht mehr dort gewesen. Aber das wird sich bald ändern, denn die Menschen, die Natur und das gute Essen haben mich zu einem echten Kanaren-Fan gemacht.
Wochenblatt: Herr Dr. Zeiss, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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