Wie Fuerteventura für den Tourismus entdeckt wurde


© Wochenblatt

Rul Bückle, der Mann der ersten Stunde, wurde vom Cabildo posthum geehrt

Hotels so weit das Auge reicht, nahezu perfekte Infrastrukturen und touristische Dienstleistungen. Wer das heutige Fuerteventura kennt, der wird sich kaum vorstellen können, dass eine Tourismushochburg wie das im Süden der Insel liegende und besonders unter deutschen Urlaubern höchst beliebte Jandía noch vor nicht allzu langer Zeit eine Sandwüste war.

An deren Rand lebten nur ein paar Einheimische in einem kleinen Fischerdorf (Morro Jable), in dem es nicht einmal fließendes Wasser geschweige denn Strom gab. Und die wenigsten werden wissen, dass dieses heutige Urlaubsparadies – die Karibik der Kanaren – von einer Handvoll Deutscher vor rund 40 Jahren entdeckt wurde. Das erste Hotel in Jandía, das „Casa Atlántica“ entstand Mitte der 60er Jahre dank des Pioniergeistes dieser Männer. Die Lage an den traumhaften Stränden von Jandía lockte im Laufe der Jahre immer mehr Hotelinvestoren an und führte zu einem regelrechten Bauboom, der Fuerteventura und insbesondere Jandía zu einem Mekka für überwiegend deutsche Urlauber machte.

Die meisten der heute dort tätigen Unternehmen kennen wohl die Anfänge der Entwicklung nicht mehr, und die Männer der ersten Stunde, die den Qualitätstourismus auf die Insel brachten, geraten immer mehr in Vergessenheit.

Das Cabildo von Fuerteventura hat nun beschlossen, in diesem Jahr den „Fuerteventura-Entdecker“ Rul Bückle für seine Verdienste um den Tourismus zu ehren. Das Wochenblatt nimmt dies zum Anlass, noch einmal die Geschichte der touristischen Anfänge in Erinnerung zu bringen.

Die Anfänge

Zu den Männern der ersten Stunde gehörte der Luftfahrtpionier Rul Bückle, der mit seiner heute leider in Vergessenheit geratenen „Südflug“ 1952 in Stuttgart die erste deutsche Luftverkehrsgesellschaft nach dem Krieg gründete. Die „Südflug“ bot in den 60er Jahren die ersten Nonstopflüge auf die Insel Teneriffa an, die damals noch ausschließlich ein Winterurlaubsziel war, und es war Rul Bückle, der die Reize der größten Kanareninsel auch für die Sommersaison entdeckte. So war es die „Südflug“, die ab 1964 als erste Charterfluggesellschaft überhaupt auch während des Sommers Teneriffa anflog.

Während eines Aufenthaltes auf Teneriffa entstand die Idee bzw. der Traum von der Urlaubs-Destination Fuerteventura. Bückle lernte damals während eines Flugs auf die Insel die Architekten Manfred Heneken und Gustav Schütte kennen. In seinem autobiographischen Buch „Turbulenzen“ schreibt Rul Bückle: „Die beiden wollten in Puerto de la Cruz ein Ferienhaus für einen Deutschen bauen (…) Wir verabredeten uns für den nächsten Abend im Café Oasis, und die Architekten brachten ihren künftigen Bauherrn, Walther Schirnecker, mit. Schirnecker kannte Teneriffa schon länger, verbrachte immer wieder einige Wochen auf der Insel. Seine Aufenthalte hatte er immer wieder dazu genutzt, auch die anderen Inseln der Kanaren kennen zu lernen: „Was Sie auf Teneriffa vergeblich suchen, finden Sie auf Fuerteventura. Da gibt es Sandstrände so weit das Auge reicht, schneeweiß, wie Puderzucker – ein Paradies“. Nachdem Bückle außerdem erfuhr, dass die Halbinsel Jandía einem Deutschen, Gustav Winter, gehörte, der angeblich versprochen hatte, demjenigen, der das erste Hotel auf Jandía baut, das Bauland zu schenken, entstand die Begeisterung für ein neues Projekt, das der geborene Optimist Rul Bückle schon verwirklicht sah.

Nach einer ersten Reise auf die Insel und einer Fahrt in den traumhaften Süden war er restlos überzeugt. Er würde das erste Hotel in dieser Wüstenlandschaft bauen, und sie in ein Urlauberparadies verwandeln. Von seinem ersten Besuch in Jandía berichtet Bückle: „Hinter Gran Tarajal verstand ich, warum der Wagen mit Allrandrantrieb ausgestattet war. Bis dahin führte uns eine Asphaltstraße in Richtung Süden. Doch bald wechselte der Weg in eine unbefestigte Schotterpiste, die uns gehörig durchschüttelte. Je weiter südlich wir fuhren, desto schmaler wurde der Weg. Die Landschaft war unwirtlich, trocken und staubig. Jetzt konnte ich verstehen, warum auf der zweitgrößten Insel der Kanaren die wenigsten Menschen lebten.

Endlich kamen wir an eine Umzäunung. Am Tor stand ein finster dreinblickender Insulaner und öffnete uns das Gatter. Der Zaun grenzte von Osten nach Westen die Halbinsel Jandía, Winters Besitz, vom Rest Fuerteventuras ab. Dahinter begann eine Sandwüste, wie ich sie zuletzt in der Sahara gesehen hatte. Schon bald war der Weg unter dem feinkörnigen Sand verschwunden. Jetzt versagte auch der Allradantrieb unseres Jeeps. Immer wieder stiegen wir aus und schoben den Wagen an. Der Fahrer orientierte sich an den Felsen. Kein Wunder, dass Winter mit dem Versprechen lockte, das Bauland großzügig zu verschenken. Hier musste eine komplette Infrastruktur aufgebaut werden. Meine anfängliche Begeisterung hatte während der Fahrt einen leichten Rückschlag bekommen.“

Doch Aufgeben lag nicht im Naturell Rul Bückles, und nachdem er den kilometerlangen weißen Strand von Jandía, die unberührten Dünen und den klaren, in der Sonne funkelnden Atlantik erblickt hatte, reiften die Hotelpläne weiter.

Vom Ziegenstall zum Hotel

Nach zähen Verhandlungen mit Winter, der zunächst doch nicht Wort halten und das Grundstück kostenlos hergeben wollte, erhielt Bückle eine Parzelle für sein Hotel. Darauf stand ein alter Ziegenstall. Dieser wurde mit Hilfe von Einheimischen „ausgemistet“ und peu à peu zu einem Flachbau mit 14 Zimmern ausgebaut. Die Anfänge des Hotels „ Casa Atlántica“. Um das Baumaterial auf die Insel zu schaffen, war ein Aufwand nötig, über den heutige Bauherren auf Fuerteventura staunen würden. In den Frachträumen der DC-7C der Südflug wurde alles aus Deutschland herübergeflogen: Werkzeug, ganze Zimmerausrüstungen, oft wurde Material auch kofferweise angeschleppt.

Das „Casa Atlántica“ wuchs zu einem terrassenförmig angelegten Hotel mit 48 Betten heran. Den Gästen, die zahlreich kamen, standen eine Bar, ein Restaurant, Gesellschaftsräume, ein Tennisplatz und natürlich ein Pool zur Verfügung.

Rul Bückle verkaufte Anfang der achtziger Jahre seine Anteile und erlebte (zum Glück) nicht mehr hautnah, wie der Massentourismus auf Fuerteventura Einzug hielt.

Auch Manfred Heneken kehrte Fuerteventura etwas später den Rücken. Als einziger blieb Gustav Schütte. Er bezeichnet sich selbst heute als „Majorero“ – als Einheimischer. Er besitzt eine Appartementanlage mit Traumblick direkt am Strand von Jandía.

„Sechs Millionen für eine Wüste?“

 Übrigens: Noch bevor Anfang der 70er Jahre der Bauboom auf Fuerteventura einsetzte, hatte Gustav Winter dem Tourismuspionier Rul Bückle angeboten, einen großen Teil seines Besitzes auf Jandía für sechs Millionen Mark zu verkaufen. Bückle lachte ihn aus: „Sechs Millionen? Für eine Wüste?“ Nicht einmal er erkannte das große Potential, das hinter dieser Halbinsel steckte.

Ehrung für Rul Bückle

Im Hotel Kempinski in Corralejo fand am 6. Oktober im Rahmen eines Festaktes die Verleihung der diesjährigen „Premios Distinguidos del Turismo de Fuerteventura“ statt. Ausgezeichnet wurden das Lebenswerk von Rul Bückle und die kanarische Unternehmerin María Victoria Cabrera, die mit ihrem Landhotel „Era de la Corte“ diese Tourismusvariante auf der Insel initiierte.

Für Rul Bückle, der am 12. Juni 2005 in seinem Haus in Stuttgart-Degerloch verstorben ist, kommt diese Auszeichnung leider zu spät. Seine Lebensgefährtin Margret Auwärter und seine Tochter Maiken Bückle, denen er sein autobiographisches Buch „Turbulenzen“ gewidmet hatte, waren zu der Preisverleihung angereist und brachten ihre Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass mit der Auszeichnung ein wichtiger Teil des Lebenswerks von Rul Bückle offizielle Anerkennung findet. Maiken Bückle erinnerte sich in ihrer Rede an die Zeiten, in denen die Strände noch menschenleer waren und jedem Urlauber scheinbar ganz allein gehörten, an das einzigartige Flair des „Casa Atlántica“ und an „Lora“, den hoteleigenen blaugefiederten Ara, der die Gäste begrüßte.

Das Hotel „Casa Atlántica“ wurde übrigens vor ein paar Jahren abgerissen. An seiner Stelle steht heute ein Einkaufszentrum mit Geschäften und Restaurants.

[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.