In der nahezu unberührten Vulkanlandschaft El Julan können die Spuren der Ureinwohner verfolgt werden
Wer sie kennt, weiß es. Wer noch nie auf der kleinsten Kanareninsel war, mag denken, dass sich eine Reise dorthin kaum lohnt. „Bei der Größe hat man die Insel ja an einem halben Tag gesehen“, sagen viele. Weit gefehlt.
El Hierro bietet viel mehr, als man zunächst vermutet. Ruhesuchende finden hier den idealen Ort für zugleich erholsame und unternehmerische Urlaubstage. Taucher sind begeistert von der Unterwasserwelt, die besonders im Gebiet Mar de las Calmas als einzigartig und unwahrscheinlich reich gilt. Unter Gleitschirmfliegern ist El Hierro längst als Geheimtipp bekannt, und auch Mountainbiker finden traumhafte Strecken auf der kleinen, aber vielseitigen Insel. Eine Inselrundfahrt an einem Tag? Kaum machbar, wenn man alle schönen Ecken der Insel erkunden will.
Beeindruckend wirkt auf El Hierro jedoch vor allem das Ursprüngliche der Kanaren, das hier, am westlichsten Zipfel des Archipels noch erhalten geblieben ist. Nahezu unberührt breitet sich die Vulkanlandschaft El Julan aus. Hier und dort finden sich am Rande Gewächshäuser, ansonsten pure Wildnis und scharfes Vulkangestein, manchmal unterbrochen von grünen Pflanzen-oasen.
Besucherzentrum eröffnet
Am 3. Oktober haben der Cabildo-Präsident der Insel, Alpidio Armas, die Leiterin des Tourismusressorts, Verónica Montero, und der Bürgermeister der Gemeinde El Pinar, Juan Miguel Padrón, den „Parque Cultural de El Julan“ für Besucher wieder eröffnet. Drei Jahre lang war dieser geschlossen gewesen, um Instandsetzungs- und Verbesserungsarbeiten durchzuführen. Nun können El Hierro-Reisende das archäologisch interessante Gebiet wieder besuchen und so auf den Spuren der Ureinwohner – der Bimbapes oder Bimbaches – wandeln.
In El Julan liegt die wohl bekannteste Fundstätte von Schriftzeichen der Ureinwohner der Kanarischen Inseln: „Los Letreros“ und „Los Números“. Die ersten schriftlichen Belege über diese Fundstätte datieren aus dem 18. Jahrhundert und stammen von dem Gelehrten Juan Antonio de Urtusáustegui. Später war es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Priester Aquilino Padrón, der die Felszeichnungen entdeckte. Unweit von „Los Letreros“ wurden die Überreste eines Gerichts- beziehungsweise Versammlungsplatzes der Ureinwohner entdeckt. An einem Tagoror genannten Ort befindet sich eine stufenförmige Anordnung von Steinplatten, die dem Stammeskönig einst als Stuhl gedient haben soll. Rundherum versammelten sich die alten Stammesmitglieder, um über wichtige Entscheidungen zu beratschlagen. Der Tagoror ist noch heute erhalten und unter Schutz gestellt. Der Ort gilt als einziges erhaltenes megalithisches Monument auf den Kanaren, und seine Symbolik als Ort, an dem wichtige Entscheidungen der Ureinwohner getroffen wurden, macht ihn für die Geschichte der Insel zur wertvollen Hinterlassenschaft.
Besucher finden nun in El Julan ein Informationszentrum vor, das täglich zwischen 10.00 und 18.00 Uhr geöffnet ist. Hier bekommen Interessierte Auskunft über die Umgebung und die Fundstätten und können auch geführte Touren buchen. „Mit diesem Zentrum geben wir nicht nur den Einwohnern unserer Insel die Möglichkeit, unser Kulturerbe kennenzulernen, sondern zeigen auch unseren Gästen, dass die Kanarischen Inseln weit mehr sind als nur Sonne und Strand“, erklärte Cabildo-Präsident Armas bei der Eröffnung am 3. Oktober. Das Gebiet von El Julan beherbergt neben den Felszeichnungen, für das es berühmt ist, auch Opferaltäre, „Concheros“ (Muschelhaufen), Höhlen, die als Unterkunft dienten und Grabhöhlen.
In dem Besucherzentrum ist derzeit außerdem eine Ausstellung über die Verarbeitung von Fellen und Leder zu besichtigen, die von der Nachbarinsel La Palma nach El Hierro gebracht wurde. Titel der Ausstellung ist „Dos mil años del trabajo de la piel en La Palma“. Obwohl es vordergründig über die Fellverarbeitung und die daraus resultierenden Produkte und Handwerksgegenstände auf La Palma geht, ist ein kleiner Teil der Ausstellung auch der Fellverarbeitung auf El Hierro gewidmet. Die Ausstellung blickt zurück auf die Verwendung und Verarbeitung von Tierfellen in der Zeit der Ureinwohner, die sie zu Kleidungsstücken und Gefäßen verarbeiteten und im Totenkult verwendeten. Auf El Hierro haben die „Carneros“ – in Schafsfelle gekleidete Männer – heute noch im Karneval eine besondere Bedeutung. Im kleinen Ort Tigaday auf El Hierro laufen am Sonntag vor Rosenmontag die „Carneros“ (Schafböcke) durch die Straßen. Sie tragen Schafsfelle und Hörner und um die Taille einen Gürtel aus Schellen. Ihre Gesichter, Arme und Beine sind mit Holzkohle oder Schuhwichse geschwärzt, und wer ihnen in die Quere kommt wird ebenfalls schwarz angemalt. Der Brauch stammt aus den Zeiten, in denen die Schafhirten um diese Jahreszeit aus den Bergen in das Tal von El Golfo zogen, um sich dort landwirtschaftlichen Arbeiten zu widmen.
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