Abriss von Cho Vito als Exempel


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Der Großteil der Häuser, die seit 40 Jahren diesen Fischerort bilden, wurde abgerissen

Das umstrittene spanische Küstengesetz von 1988, das von der sozialistischen Regierung Spaniens verstärkt in die Tat umgesetzt wird, sorgt nun auch in Großbritannien und Deutschland für Schlagzeilen. Die Botschaften beider Länder haben die spanische Regierung um Aufklärung gebeten, weil auch zahlreiche ihrer Staatsbürger direkt davon betroffen sind. Das Gesetz bestimmt, dass in erster Linie am Meer keine Bebauung erfolgen darf bzw. dieses Gelände öffentlicher Grund und Boden ist.

Madrid – Seit mehreren Jahren werden Vermessungen für eine neue Abgrenzung dieses Gebietes vorgenommen, die bis 2011 abgeschlossen werden sollen. Bis dahin ist noch vieles ungewiss. Wie es heißt, sollen Häuser, die auf diesem Küstenstreifen stehen und vor 1988 genehmigt und gebaut wurden, in Staatseigentum übergehen. Die Besitzer können ein Nutzungsrecht von 30 bis maximal 60 Jahren beantragen, ihr Eigentum jedoch nicht verkaufen und ohne Genehmigung auch keine Bauarbeiten vornehmen.

Wie die Zeitung El País berichtete, sind Tausende Spanier und Hunderte Ausländer davon betroffen. Im September traf sich die Staatssekretärin im britischen Außenministerium, Meg Munn, mit der Direktorin des spanischen Küstenamtes, Alicia Paz Antolín, um sich über Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anwendung zu informieren. Die europäischen Nachbarn haben Verständnis dafür, dass Spanien den Schaden durch die urbanistische Ausbreitung in den Küstenregionen begrenzen will, sind jedoch was die Vorgehensweise anbelangt skeptisch.

Betroffene haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, deren Präsidentin, Carmen del Amo, von 45.000 bedrohten Häusern       in ganz Spanien – 15% davon im Besitz von Ausländern – spricht. Antolín hält diese Zahl für übertrieben. Während sie versicherte, dass die Regierung vorerst keine Pläne für eine Gesetzesreform hat, wird immer deutlicher, dass die scheinbare Willkür bei der Anwendung des Gesetzes und die immer größer werdende Zahl der Betroffenen der Regierung noch einige Schwierigkeiten bereiten werden.

In Anwendung des Küstengesetzes wurde in den letzten Tagen mit dem Abriss des Fischerortes Cho Vito auf Teneriffa begonnen.

Am 7. Oktober wurden die ersten Häuschen des Fischerorts Cho Vito in Candelaria dem Henker vorgeführt. Innerhalb von ein paar Tagen wurden über die Hälfte der insgesamt 31 Wochenendhäuser abgerissen. Daran konnten weder das von den Besitzern eingeleitete und noch laufende Berufungsverfahren, noch die verzweifelten Versuche der Häuslebesitzer, ihr Eigentum zu beschützen, etwas ändern. Noch vor einem Jahr hatte die Eigentümergemeinschaft in ihrer Hoffnungslosigkeit gar mit einem „Massensuizid“ gedroht. Später protestierten sie mit einem Hungerstreik, mit dem sie ein Gespräch mit der Regionalregierung erzwingen konnten. Dennoch war alles umsonst. Die spanische Regierung handelte über das Umweltministerium und dieses wiederum über das zuständige Küstenamt gnadenlos und setzte den Abriss der auf öffentlichem Grund und Boden gebauten Häuser um. Deren Besitzer gaben sich schließlich deprimiert geschlagen.

Die Regierungspläne für eine „Küstenbereinigung“ waren seit 2006 bekannt. Damals wurden auch die ersten illegalen Bauten, vorwiegend Bretterbuden und Fischerhütten, an der Küste von El Sauzal entfernt. Auch hier hatten die Proteste der Eigentümer keinen Erfolg. Dass die Regierung nun mit dem Abriss in Cho Vito ein Exempel statuiert liegt daran, dass es sich hier nicht mehr nur um selbstgezimmerte Buden, sondern um Häuser die einen kleinen Ort bilden handelt. Einige davon wie das von David, sind sogar mit einer Hypothek belastet und wurden deshalb und weil sie nachweislich der einzige Wohnsitz ihrer Bewohner sind, vor dem Abriss verschont – solange, bis die Eigentümer umgezogen sind.

Die restlichen Häuser wurden samt ihrer 40-jährigen Geschichte vom Bagger zermalmt. Der erste Baggerfahrer, der das Todesurteil vollstrecken sollte, weigerte sich im letzten Moment, wodurch er sich die Kündigung einhandelte. Trotzdem stellte er sich auf die Seite der Anwohner von Cho Vito. Doch bei 180.000 Arbeitslosen auf dem Archipel hatte das Küstenamt keine größeren Schwierigkeiten, eine Vertretung zu finden. Und der zweite Baggerfahrer führte den Auftrag ohne zu Zögern aus. 

Der Ort wurde abgesperrt und die Betroffenen schimpften: „Das ist wie in Guantánamo, sie behandeln uns wie Verbrecher“. Später ließ die Guardia Civil die Arbeiten einstellen, weil die Sicherheit der Anwohner der verschonten Häuser im Zuge der Abrissarbeiten nicht gewährleistet schien.

An einer Protestaktion beteiligte sich sogar der Umweltbeauftragte des Cabildos von Teneriffa. „Ich bin als freier Bürger hier und weil ich mich hierdurch gedemütigt fühle“, sagte Wladimiro Rodríguez.

Die regierende Partei im Cabildo (CC) beeilte sich, durch eine Mitteilung ihre Ablehnung der Aktion zu bekräftigen und gibt die Schuld einzig der in Spanien regierenden sozia-listischen Partei. „Seit die PSOE an der Regierung ist, bemüht sie sich um den Abriss von Küstenorten, um ein Beispiel zu geben. Doch was in Cho Vito geschehen ist, zeigt die Willkür, mit der die Regierung vorgeht, die anscheinend versessen auf Teneriffa ist“, heißt es in der Mitteilung.

Im kanarischen Parlament ließ der kanarische Umweltminister Domingo Berriel auch keinen Zweifel an seiner Ablehnung des Handelns des Küs­tenamtes, dessen Verantwortlichen er vorwarf, Cho Vito absichtlich nicht zum „Ort von völkerkundlichem Interesse“ erklärt zu haben. Die Gemeinde hatte dies im Zuge der Ausarbeitung des neuen  Flä­chennutzungsplans PGO beantragt. Das Küstenamt lehnte die Unterschutzstellung kategorisch ab und argumentierte, dass an dieser Stelle eine Promenade vorgesehen sei.

Candelarias Bürgermeister Gumersindo García unterstrich ebenfalls, dass vonseiten der Gemeinde alle Anstrengungen unternommen wurden, um Cho Vito zu retten.

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