ADVENTure!


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Wer heute einen Katalog für Urlaubsreisen durchblättert, der sollte meinen, dass es auf diesem Gebiet eigentlich nicht mehr viel Neues geben kann. Weiße Flecken auf der Urlaubslandkarte sind kaum noch zu finden. Deshalb haben sich clevere Leute was Neues einfallen lassen: den Abenteuerurlaub.

Wem das Gedränge hier oder an anderen beliebten Ferienorten zu groß ist, dem wird bei einem solchen Angebot das Richtige geboten: ein Urlaub, bei dem man oft tagelang keine Menschenseele zu Gesicht bekommt. Ob nun in der Einsamkeit kanadischer Wälder, bei einem Kameltrip durch den Jemen oder auf dem Kajak den Amazonas entlang – hier geht man volles Risiko, wenigstens ein paar Tage lang. Und das Tolle dabei ist: wer in diese Fremde aufbricht, der entdeckt nicht nur unbekanntes Gelände – nein, der sieht auch oft sich selbst in einem ganz neuen und anderen Licht.

Nun gibt es aber Abenteuer, für die brauche ich weder ein Kamel noch ein Kajak und dafür brauche ich auch keine Karte. Genau genommen muss ich dafür nicht mal mein Haus oder meine Wohnung verlassen. Denn die Reise, zu der ich aufbreche, die findet in mir statt. Ja – Sie haben richtig gelesen: in mir. Und die beste Reisezeit, das ist die Zeit des Advents, der in diesen Tagen, in denen Sie diese Ausgabe des Wochenblatts in Händen halten, beginnt. Advent – das hat etwas mit Aufbruch zu tun, sich auf etwas Neues gefasst zu machen. „Advent“ und „Adventure“ (also Abenteuer) – das liegt ganz nah beieinander. Wer richtig Advent feiern will, lässt sich auf ein Abenteuer ein, eine Reise an den Ort, an dem Gott sich jeder und jedem von uns zuwendet. Das kann einmal die Wüste sein, denn in die Wüste hat Jesus sich zurückgezogen, um ganz bei sich zu sein und die Stimme Gottes in sich zu hören. Dafür steht aber auch in der Weihnachtsgeschichte der Ort Beth­-lehem, wo Jesus geboren wurde – dafür stehen aber auch noch viele andere Orte auf dieser Welt, wo der Himmel die Erde berührt.

Brechen wir also auf und machen wir uns auf den Weg. Dabei nehme ich als Startpunkt jetzt einfach mal meine Sicht der Dinge. Wie ich die Verhältnisse einschätze und was ich so von meinen Mitmenschen halte. Ich denke schon, dass das jede und jeder von uns ganz gut von sich selbst kennt: wir haben ja so eine Art innerer Ordnung für die Leute, die wir kennen oder auch nur sehen. Diese Urteile in meinem Kopf lasse ich jetzt mal zurück und beginne an diesem Punkt meine abenteuerliche Adventsreise.

Wie so eine Reise aussehen kann? Nehmen wir doch einfach mal das Gedankenspiel, dass wir Unternehmer wären und eine neue Stelle zu besetzen hätten. Da sagt die alte Ordnung in mir: Frauen und Männer, die sich aus einer festen Anstellung heraus bewerben, die sind besser als die Leute, die schon länger ohne Anstellung sind. Schau dir also gleich die Richtigen an. Jetzt könnte aber mein Adventsaufbruch kommen: Woher hab’ ich eigentlich diese Meinung, frage ich mich. Ist das wirklich eine Erfahrung, die ich mit Beispielen untermauern kann? Oder denke ich nur so, weil alle so denken? Vielleicht ist ja gerade unter den arbeitslosen Bewerbern die oder der Richtige! Schau genau hin. Noch genauer! Vielleicht riskierst du etwas, aber vielleicht kannst du auch jemandem helfen.

Und weiter: wie sicher bin ich mir denn sonst in meiner Meinung über die Menschen? Auch und gerade darüber, wer woran schuld ist, wie wichtig jemand ist und wo einer hingehört. Abenteuer Advent heißt eben auch zu entdecken, dass mein Urteil falsch sein kann und dass nicht alles, was auf dieser Welt ist und passiert, gottgegeben ist. Wenn sich der große Gott so klein macht, dass er Mensch wird, als Kind auf diese Welt kommt, dann ist damit ja so ziemlich alles umgestürzt, was unsere Vorstellungen und Ordnungen von Oben und Unten, von Groß und Klein, sind.

Wenn wir uns auf diese Abenteuerreise einlassen, dann können da auch Gefühle zu Tage treten, die ich so bislang gar nicht wahrgenommen oder sie zumindest erfolgreich verdrängt habe: z.B. Ängste, Wünsche und Abneigungen. Sie wahrzunehmen und sie zuzulassen, das ist oft gar nicht so leicht. Aber mitunter ist es bitter nötig, weil es so etwas wie eine Seelenhygiene ist.

Wenn uns der Advent als eine solche Abenteuerreise gelingt, dann können wir nämlich mit allem Möglichen rechnen: dass wir alte Sichtweisen und Urteile verabschieden müssen und auch können. Und dass wir neue Entdeckungen machen. Ich bin überzeugt davon, dass wer zu einer solchen Reise aufbricht, der ist gut vorbereitet auf Weihnachten.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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