Anfechtung von Verträgen


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Spanisches Immobilienrecht von A – Z

Die Autoren des Artikels, Löber & Lozano, haben als praktizierende Rechtsanwälte, Abogados und Steuerberater die Hand am Puls des spanischen Immobilienmarktes. In lockerer Folge bringen wir Vorabdrucke von Beiträgen aus der Neuauflage 2012 von Löbers Handbuch „Grundeigentum in Spanien“, in dem neueste Entwicklungen des Gesetzgebers und der zuständigen Gerichte aufgezeigt werden. Sowohl rechtliche als auch steuerliche Aspekte werden beleuchtet.

Nach Abschluss eines Vertrages plagen einen Vertragspartner häufig Zweifel an dessen Wirksamkeit. Die Gründe hierfür können ganz unterschiedlicher Natur sein: Zu nennen sind beispielsweise die Verletzung gesetzlicher Verbote, z.B. von Verbraucherschutzvorschriften, die Nichtbeachtung von Formvorschriften, Irrtum, Täuschung oder Arglist. Was sagt das spanische Recht zu diesem Themenkreis?

Zwei Anfechtungs­­tatbestände

In Art. 1300 Código Civil ist die Möglichkeit vorgesehen, einen Vertrag mit der sog. Nichtigkeitsklage (der „acción de nulidad“) anzufechten. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Konstellationen sind dabei zu unterscheiden: die sog. „absolute Nichtigkeit“ („nulidad absoluta“) einerseits und die „relative Nichtigkeit“ („nulidad relativa“) andererseits.

Die Anfechtungsklage kann darauf gerichtet sein, die Nichtigkeit eines schon von Gesetzes wegen unwirksamen Rechts­geschäfts (Fall der „nulidad absoluta“) festzustellen. Ein Vertrag kann schon deshalb unwirksam sein, weil es an der Erfüllung bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Mindestvoraussetzungen mangelt. Die von gesetzlicher Seite gestellten Voraussetzungen ergeben sich grundsätzlich aus Art. 1261 Código Civil. Nach dieser Vorschrift liegt ein Vertrag schon nicht vor, wenn es an einer oder mehreren Vertragskomponenten fehlt:

– Einigung (consentimiento) der Vertragsschließenden,

– bestimmter Vertragsgegenstand (objeto cierto)

– Rechtsgrund (causa).

Denkbar ist auch, dass eine bestimmte, gesetzlich vorgesehene Form nicht eingehalten worden ist. In diesen Fällen der sog. „nulidad absoluta“, in denen in den Augen des Gesetzes schon kein Vertrag besteht,  kann die Anfechtung genau genommen den inexistenten Vertrag zwar nicht beseitigen. Unter praktischen Gesichtspunkten ist die Nichtigkeitsklage aber auch in diesen Sachverhalten sinnvoll, damit das angerufene Gericht die zwischen den Vertragsparteien umstrittene Unwirksamkeit im Urteilsspruch feststellt. Ein Beispielsfall: Ehemann und Ehefrau sind im gesetzlichen Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft verheiratet. Veräußert der Ehemann ohne Zustimmung seiner Ehefrau die spanische Immobilie als den einzigen, zu seinem Vermögen gehörigen Vermögensgegenstand, so ist diese Veräußerung grundsätzlich unwirksam, § 1365 BGB. Bei einem unwirksamen Immobilienkaufvertrag wird sich ein spanisches Grundbuchamt in der Regel nicht mit der eingehenden Prüfung von Umständen befassen, die außerhalb der Vertragsurkunde selbst liegen. Das Grundbuchamt führt keine Beweisaufnahme durch, hört z.B. keine Zeugen zu der Frage an, ob der Ehemann nicht vielleicht doch über andere erhebliche Vermögenswerte verfügt. Die Löschung des Erwerbers und die Wiedereintragung des ursprünglichen Erwerbers („des Verkäufers“) kommt unter diesen Umstände erst in Betracht, wenn sich entweder beide Parteien über die grundbuchmäßige Rückabwicklung einigen oder aber ein Gerichtsurteil vorgelegt wird, das die Unwirksamkeit des Vertrages ausspricht und die Rückumschreibung im Grundbuch anordnet.

Anfechtungsgründe und Anfechtungsfrist

Ist der Vertrag grundsätzlich wirksam aber anfechtbar, liegt ein Fall der sog. „nulidad relativa“ vor. Die Anfechtungsklage selbst bzw. das darauf ergehende stattgebende Urteil bewirken rückwirkend die Unwirksamkeit des angegriffenen Vertrages. Die Anfechtung führt hier aus Sicht des Anfechtenden nur zum Erfolg, wenn der Anfechtungstatbestand (Anfechtungserklärung und Anfechtungsgrund) gegeben und die Frist eingehalten ist. Die Anfechtung ist not­­wendigerweise im Wege der Nichtigkeitsklage geltend zu machen. Als Gründe für eine Anfechtung kommen beispielsweise Irrtum, Zwang, Drohung oder Arglist in Betracht (Art. 1265 CC). Auch die Minderjährigkeit eines Vertragsschließenden führt aus spanischer Sicht nicht grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Vertrages, sondern macht diesen vielmehr anfechtbar. Die Anfechtungsfrist beträgt vier Jahre. Es handelt sich um eine Frist, die ausschließlich durch die Erhebung der Anfechtungsklage selbst gewahrt werden kann. Der Fristbeginn orientiert sich an dem jeweiligen Anfechtungsgrund. So kann bei einem auf Irrtum beruhenden Vertragsschluss die Anfechtung innerhalb von vier Jahren ab Vollzug des Vertrages (also dem Zeitpunkt der gegenseitigen Leistungserbringung) geltend gemacht werden. Beispiel: Die durch den Käufer zum Zwecke der Errichtung eines Einfamilienhauses käuflich erworbene spanische Liegenschaft erweist sich als unbebaubar. Der Käufer kann den Vertrag gerichtlich anfechten und vom Verkäufer die Erstattung des Kaufpreises verlangen.

Vorstehender Artikel ist Bestandteil der geplanten Neuauflage 2012 des Ratgeberklassikers „Grundeigentum in Spanien“, die das Wochenblatt vorab abdruckt. Die Autoren sind Dr. Burckhardt Löber, Rechtsanwalt und Abogado in Frankfurt (Tel. 00 49 – 69 96 22 11 – 23) und Fernando Lozano, Abogado und Asesor Fiscal in Valencia (Tel. 00 34 – 963 – 287793).

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