Artenschutz – eine große Aufgabe

Schon zehn Papageienarten konnten dank der Loro Parque Fundación vor dem unmittelbar bevorstehenden Aussterben gerettet werden.

Schon zehn Papageienarten konnten dank der Loro Parque Fundación vor dem unmittelbar bevorstehenden Aussterben gerettet werden.

Interview mit Wolfgang Rades, Artenschutzbeauftragter
des Loro Parque – Teil 1

Wolfgang Rades ist mit Herz und Seele Biologe und leitete im Laufe seiner Karriere unter anderem 14 Jahre lang den Herborner Tierpark, ehe er Ende Dezember 2015 die Aufgaben eines zoologischen Direktors im Loro Parque auf Teneriffa übernahm.
Nach zwei Jahren zog es ihn aus persönlichen Gründen zurück nach Deutschland. Trotzdem hat ihn der Loro Parque nicht mehr losgelassen. Seit Januar 2019 vertritt er die Interessen des Loro Parque als Artenschutzbeauftragter für Europa. Eine umfassende und spannende Aufgabe, die er im nachfolgenden Interview erklärt.

Was ist genau die Aufgabe eines Artenschutzbeauftragten?

Wolfgang Rades: Meine wichtigste Aufgabe ist eine zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit. Der Loro Parque hat sich, unter der engagierten Führung seines Gründers und Präsidenten Wolfgang Kiesling, vom kleinen Papageienpark zu einem der führenden Zoos der Welt entwickelt. Er hebt sich sowohl in Bezug auf die Qualität seiner Infrastruktur und der Tierhaltung als auch insbesondere durch sein vorbildliches Natur-, Arten- und Tierschutzengagement hervor. Eine große Rolle spielt die 1994 gegründete Naturschutzstiftung Loro Parque Fundación, dank deren Engagement bislang weltweit mehr als 180 Naturschutzprojekte mit über 21,5 Millionen Dollar maßgeblich unterstützt werden konnten.
Auch deshalb wurde der Loro Parque in den Jahren 2017 und 2018 von den Kunden des Tourismusportals TripAdvisor zum besten Zoo der Welt gekürt. Dass TripAdvisor diese Auszeichnung derzeit nach massiver Einflussnahme einer lautstarken Minderheit radikaler Zoogegner aus populistischen Gründen nicht aufrecht­erhält, weil wir in unseren großzügigen Installationen Große Tümmler und Orcas im Bestand haben, macht ein großes Problem deutlich, dem wir in unserer zunehmend naturentfremdeten Gesellschaft immer mehr begegnen: Tiere werden im Sinne einer naturfernen Disney´schen „Bambi-Mentalität“ viel zu sehr vermenschlicht. Ein Schimpanse ist, trotz 98,6 Prozent mit den Menschen übereinstimmenden Erbguts, ein Schimpanse, mit artspezifischen Eigenschaften und kein Mensch mit Fell! Ein Großer Tümmler ist ein Delfin, in dessen Sozialverhalten oftmals auch sexuelle Attacken, Gruppen-Vergewaltigungen und sexuell motivierte Kindstötungen vorkommen, und kein Mensch mit Flossen.
Der Anti-Zoo- und Anti-Delfinarien-Aktionismus ideologisch verblendeter Tierrechtler ist nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern zudem ein wachsendes Problem für den Naturschutz und den pragmatischen Tierschutz. Statt moderne Zoos, die sich gemeinsam mit engagierten Naturschutzeinrichtungen, gegen den Raubbau an der Natur und ihrer Artenvielfalt engagieren, zu unterstützen, werden sie von selbsternannten „Tierrechts“-Aktivisten mit Verleumdungskampagnen überzogen und unsachlich attackiert. Aktivisten geben vor, mehr von diesen Tieren zu verstehen als die Experten, die sich schon seit Jahren und Jahrzehnten mit ihnen beschäftigen. Dabei sind viele bedeutende Experten in modernen Zoos tätig. Die wahren Fachleute sitzen nämlich nicht bei den Verbänden der „Tierrechtsindustrie“ hinter dem Schreibtisch. Und warum attackieren die selbsternannten „Tierrechtler“ kaum die leider immer noch existierenden schlechten Tierparks, sondern bevorzugt die renommierten, wissenschaftlich geführten, modernen Zoos? – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? – Dabei kommen die üppig fließenden Spendengelder, die radikale Tierrechtsorganisationen mit wahrheitswidrigen Kampagnen gegen Zoos und Delfinarien bei wohlmeinenden, aber fehlinformierten Tierfreunden einsammeln, kaum dem Tierschutz zugute. Vielmehr pflegen die ideologisch verbohrten Funktionäre mit den Spendeneinnahmen ihre Selbstgefälligkeit inklusive teurer Reisen.
Als seit Jahrzehnten engagierter Tiergartenbiologe, Ökologe und ehemaliger Zoologischer Direktor des Loro Parque ist es mir ein großes Anliegen, im Sinne des Natur- und Artenschutzes auch über diese Zusammenhänge zu informieren und aufzuzeigen, wie bedeutend die international koordinierten Erhaltungszuchtprogramme und die Sensi­bili­sierung der weltweit mehr als 700 Millionen Besucher pro Jahr wissenschaftlich geführter Zoos für den Natur- und Artenschutz sind. Dieses „ex situ“-Engagement des Loro Parque und der anderen modernen Zoos ist im Sinne des ONE PLAN APPROACH (OPA) der Weltnaturschutzunion IUCN eine ganz bedeutende Ergänzung der klassischen Naturschutzmaßnahmen „in situ“ für den Erhalt der biologischen Vielfalt.

Tierfreund Wolfgang Rades mit einem Hyazinthara. Foto: Loro Parque
Tierfreund Wolfgang Rades mit einem Hyazinthara. Foto: Loro Parque

Wer sind die Gesprächspartner und was soll erreicht werden?

Wolfgang Rades: Als Artenschutzbeauftragter suche ich den Dialog mit den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung, sei es in den nationalen Parlamenten oder auch im Europa-Parlament in Brüssel, mit den Vertretern der Medien, der Bildung und der Wissenschaft sowie mit den seriösen NGOs. Es gilt, im Interesse des Natur- und Artenschutzes Netzwerke zu bilden, die dazu beitragen, dass moderne Zoos in ihrem bedeutenden Engagement nicht behindert, sondern vielmehr unterstützt werden. Ungerechtfertigte Forderungen wie Nachzuchtstopp für Zootiere muss als das entlarvt werden, was sie sind – extrem kurzsichtig und tierschutzwidrig. Denn dadurch würde sozialen Wildtieren die Möglichkeit vorenthalten, ihr natürliches Sozialverhalten auszuleben.
Entgegen der Behauptung von Tierrechtsorganisationen geht es Wildtieren in sogenannten „Sanctuaries“ meist bei Weitem nicht so gut wie in den modernen Zoos, in denen die Betreuung durch kompetente Wildtier-Experten sichergestellt ist. Hinzu kommt, dass funktionsfähige „Sanctuaries“, insbesondere für Meeressäuger, kaum existieren, obwohl deren Errichtung von den Tierrechtsverbänden schon seit Jahren immer wieder angekündigt und Spenden dafür eingeworben werden. Solche Netzkäfige als „betreute Meeresbuchten“ böten im Übrigen weder für das Wohl der zu betreuenden Tiere noch für die Umwelt des entsprechenden Standorts Vorteile.
Die in den modernen Zoos tätigen Tierpfleger, -trainer, -mediziner und Biologen betreuen die ihnen anvertrauten Tiere mit großer Liebe und Respekt und sind keinesfalls „skrupellose Geschäftemacher“ , als die sie von radikalen Tierrechtsaktivisten immer wieder dargestellt werden. Nicht der moderne Zoo ist ein „skrupelloses Geschäft“, sondern viel eher gilt dies für die Tierrechtsindustrie. Wer Tierrechtler für Tierschützer hält, der glaubt auch noch an den Klapperstorch und an den Osterhasen!

Wie sind die Reaktionen?

Wolfgang Rades: Bei den meisten Gesprächspartnern stoßen wir auf eine erfreulich positive Resonanz. Denn leider waren zahlreiche Ansprechpartner in der Vergangenheit einseitig der lautstarken Desinformation radikaler Tierrechtler ausgesetzt, die ihre ideologisch motivierte Ablehnung der Wildtierhaltung in Zoos als angeblich wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse „verkaufen“. Umso wichtiger ist es, unseren Gesprächspartnern die Bedeutung moderner Zoos und die positive Mensch-Tier-Beziehung in unseren Einrichtungen zu vermitteln.

Eine Spende in Höhe von 20.000 Euro für die Loro Parque Fundación, übergeben am Netzpatentag.
Eine Spende in Höhe von 20.000 Euro für die Loro Parque Fundación, übergeben am Netzpatentag.

Was sind die häufigsten Vorurteile oder Falschinformationen?

Wolfgang Rades: Fälschlicherweise gehen viele Zookritiker – genährt von den Kampagnen radikaler Tierrechtler – davon aus, dass die Zootierhaltung etwas mit einem „bestrafenden Freiheitsentzug“, analog den menschlichen Gefängnissen, zu tun hat. Fachleute vermeiden deswegen bewusst den irreführenden Terminus „Haltung in Gefangenschaft“ und sprechen korrekter von „Haltung in menschlicher Obhut“.
In vielen Fällen waren die Zookritiker noch nie persönlich in einem modernen Zoo und orientieren sich an manipulierenden Internet-Beiträgen oder an Erfahrungen aus der Zeit der hygienisch motivierten „Badezimmer-Architektur“ in den Zoos der Sechziger- und Siebzigerjahre. Die modernen Zoos haben sich jedoch im Interesse des Tierwohls längst von der Menagerie zu modernen Naturschutzzentren gewandelt, die höchste Standards erfüllen.
Die pauschale Behauptung, dass Zootiere leiden würden, da die Größe der Gehege, verglichen mit den natürlichen Lebensräumen, um ein Vielfaches zu klein sei, trifft nicht zu. Ein Lebensraum in der Natur muss eine größere Dimension haben, um das Überleben zu sichern. So hat beispielsweise ein männlicher Luchs ein Territorium von bis zu 400 Quadratkilometern. Die Raubkatze legt in der Natur jedoch nicht zum Vergnügen über 20 Kilometer am Tag zurück, sondern, weil sie dies tun muss, um zu überleben. Im Zoo wird dem Luchs das Futter gebracht, er muss sich nicht gegen Rivalen verteidigen, im Krankheitsfall hilft der Tierarzt, und Tierpfleger sorgen durch gezielte Verhaltensanreicherungen für Kurzweil. Die Lebenserwartung im modernen Zoo ist folglich höher und die Lebensqualität besser!
Ähnliches gilt für die Haltung von Cetaceen (Delfine und andere Kleinwale) in den modernen Delfinarien der westlichen Welt. Zunächst wird hier von Kritikern die „Intelligenz“ von Delfinen angeführt. Zwar ist es richtig, dass Delfine gerne und schnell lernen, aber das gilt beispielsweise auch für das Huhn – das viele Menschen dennoch in erster Linie als Eierlieferant oder gegrillt am Spieß sehen… Zudem möchte ich betonen, dass die Tiere in den Delfinarien der westlichen Welt von residenten Populationen abstammen, die auch in der Natur (abhängig vom Nahrungsangebot) recht standorttreu sind und küstennah leben. Auch in der Natur schwimmen diese Delfine keineswegs „150 Kilometer am Tag“ oder tauchen „500 Meter tief“, wie dies von verklärten Zoogegnern behauptet wird – eben, weil sie es nicht müssen! Wenn wir Menschen keine Hochleistungssportler sind, machen wir doch auch nicht täglich einen Marathonlauf.
Natürlich achten wir darauf, dass wir die Tiere mental und körperlich fit halten. Dazu dienen im modernen Delfinarium das tägliche Trainingsprogramm und die Shows. Und natürlich werden hier die Tiere nicht „ausgehungert“, wie von Tierrechtlern immer wieder behauptet wird, sondern sie werden nach neuesten tiergartenbiologischen Erkenntnissen ernährt. Ihr Training basiert ausdrücklich auf positiver Verstärkung, und sie entwickeln dabei erwiesenermaßen sogar Glückshormone.
Von den Aktivitäten profitieren nicht nur die Tiere, sondern im Sinne des „Edutainments“ auch die Zoobesucher. Wir begeistern die oftmals naturentfremdeten Besucher für die Eleganz und Schönheit dieser attraktiven Tiere und sensibilisieren sie dadurch für den Schutz der wildlebenden Artgenossen und ihrer Lebensräume. Nur wer Tiere kennt, wird Tiere schützen! Delfinarien haben wesentlich dazu beigetragen, dass die meisten Delfinpopulationen bis in die heutige Zeit noch recht stabil sind.

Gibt es den Dialog mit Tierschutzvereinen und wie reagieren diese?

Wolfgang Rades: Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit ideologisch verklärten Anti-Zoo-Aktivisten nicht sachlich diskutiert werden kann, weil sie sich gegenüber wissenschaftlichen Argumenten verschließen.
Hingegen sind die wirklich engagierten Naturschützer und auch die im Tierschutz mit Augenmaß engagierten Menschen glücklicherweise zumeist für unsere Argumente zugänglich.

Das Interview führte
Sabine Virgin

Teil 2 des Interviews mit Wolfgang Rades lesen Sie im nächsten Wochenblatt, das am 20. Mai erscheint.

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