Bangemachen gilt nicht


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wie viele von uns haben nach dem Sturm der vergangenen Woche gehört: „Komm, Kopf hoch. Das wird schon wieder. Das schaffst Du doch. Wäre doch gelacht, wenn ihr das nicht wieder hinbekommen würdet.“

Es sind Aussagen, die wir auch oft schon in anderen Zusammenhängen zu hören bekommen oder selbst gesagt haben: Gegenüber Kindern und Enkeln, wenn sie mal in der Schule nicht so gut drauf waren; gegenüber Freun­den und Bekannten, wenn diese ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben zu bewältigen hatten. Letztendlich bringen wir mit solchen Aussagen zum Ausdruck: Hab’ keine Angst; lass Dich nicht entmutigen, trau’ Dich. Und wenn Du den Kopf hoch nimmst, siehst Du besser, siehst Du weiter, Du gehst aufrechter und somit auch zuversichtlicher. 

„Kopf hoch“ und dazu noch „Augen auf“, das ist auch eine biblische Botschaft für diese Tage des Advents. Es sind ermutigende und tröstliche Worte, die einem die Angst nehmen sollen. Denn es stimmt doch: Es tut gut, wenn mir gesagt wird – „Du brauchst den Kopf nicht hängen zu lassen. Lass nicht die Angst von Dir Besitz ergreifen.“

Kein anderer als Jesus selbst hat das gesagt. Und zwar mitten hinein in eine Beschreibung von dem, was den Menschen damals Angst gemacht hat. Da werden in düsteren Farben die Zeichen der Zeit an die Wand gemalt. Eine Zeit voller Schrecken und Angst. Krieg und Zerstörung. Menschen werden verfolgt, Erdbeben und Naturkatastrophen angekündigt. Endzeitstimmung ist angesagt, so wie sie heute manche auch kennen. Angst vor der Zukunft. „Die Menschen werden vergehen vor Furcht“, hat Jesus damals gesagt. Aber dann ganz überraschend: „Wenn dies anfängt, dann steht auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe.“

Zum Advent gehört nicht nur vorweihnachtlich-romantische Gemütlichkeit. Das ist ganz gut, wenn wir das nicht vergessen. Denn es hat ja keinen Sinn, dass wir uns da etwas vormachen. Das Eis ist doch dünn, auf dem wir Menschen leben und auf dem wir uns oft so einrichten, als gäbe es kein Morgen. Erinnern Sie sich noch an die angstgeweiteten Augen von Bankern und Politikern vor wenigen Wochen und Monaten? Von einem Beben, das die Eurolandschaft durchzieht, war da die Rede und nicht Wenigen wurde angst und bange, weil sie in den Abgrund blickten. Und selbst heute – mit all den zwischenzeitlichen Dramen um die Eurozone und der in ihr gefährdeten Länder – weiß doch noch niemand, ob alles überstanden ist und wie sich alles entwickeln wird.

Die Angst vor der Zukunft geht also bei vielen weiterhin um. Die muss erst mal vertrieben werden. Augen zu und durch, das hilft aber in den wenigsten Fällen. Besser ist da schon: „Kopf hoch und Augen auf! Eure Erlösung ist nahe!“ Erlösung – damals stand hinter diesem Begriff die Erfahrung des Freikaufens von Sklaven. Also hat Erlösung etwas mit frei werden zu tun. Und da Angst schon immer ein schlechter Ratgeber war, sollten wir also von unserer Angst befreit werden. Wenn ich Jesus recht verstehe, dann will er uns die Angst nehmen, weil jetzt – hier und heute – Gottes neue Welt mitten in der alten anbricht.

Der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch, der sich viel mit biblischen Geschichten auseinandergesetzt hat, hat das einmal so ausgedrückt: „Wir haben Angst und müssen mutig sein.“ Die Angst lässt sich nicht einfach wegreden, aber sie darf einen Menschen auch nicht bestimmen. Bangemachen gilt nicht. Da ist es gut, dass es den Mut gibt. Und Jesus fordert uns quasi auf, einander mit Mut zu beschenken. Ein schönes Bild: Wer gerade mutig, wer zuversichtlich ist, der gebe davon dem, der momentan vor lauter Angst nicht weiß, wie es weitergehen soll. Doch – wie soll das gehen?

Vielleicht so, dass man Kindern und Enkeln nicht nur diese Welt erklärt, sondern ihnen auch zu träumen ermöglicht. Dass man ihnen etwas mitgibt von der Hoffnung, wie es auch sein könnte auf dieser Welt. Menschlich, fürsorglich, gerecht. Und es ihnen dann im Kleinen vorlebt. Nehmen wir doch eine Kerze. In unseren Taizé-Gottesdiensten zünden wir immer wieder zu Beginn Kerzen an, weil sie Hoffnungslichter sind. Wir überlassen die Welt und ihre Zukunft nicht den Schwarz- oder Hellsehern, sondern wir zünden Kerzen der Hoffnung an. Genau so, wie ja auch Jesus ein Bild gegen alle dunklen Endzeitprophezeihungen stellt: Es ist das Bild des blühenden Feigenbaums. Er zeigt mitten im kalten Winter an, dass der Sommer wieder kommt. Für Jesus ist es ein Zeichen der Nähe Gottes, ein Zeichen für Gottes neue Welt – die er durch sie und mich schaffen will. Trauen wir es uns zu. Also: „Kopf hoch und Augen auf – unsere Erlösung ist nahe!“

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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