Ciudadanos und PP fordern die erneute Aktivierung des Artikels 155


Bei einer Kundgebung der Separatisten vor dem Gefängnis, in dem Joaquim Forn einsitzt, kündigte Quim Torra (2.v.r.) an, den spanischen Staat anzugreifen. Foto: EFE

Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra will den Staat „angreifen“

Madrid – Präsident Pedro Sánchez setzt auf Deeskalation und gegenseitigen Dialog in der anhaltenden Katalonien-Krise. Dabei gerät er zunehmend unter Druck, denn die Oppositionsparteien Ciudadanos und PP verlangen angesichts der wiederholten Attacken des katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra ein härteres Vorgehen von Sánchez. Torra, der sich, wie seine Vorgänger, für die Unabhängigkeit der Region einsetzt, hat angekündigt, den spanischen Staat „angreifen“ zu wollen. Nun fordern Ciudadanos und PP sogar die erneute Anwendung des Artikels 155 der Spanischen Verfassung.

Am 17. August, dem ersten Jahrestag der Terroranschläge in Barcelona und Cambrils, besuchte Quim Torra den damaligen Leiter des Innenressorts der katalonischen Regionalregierung, Joaquim Forn, im Gefängnis. Danach nahm er an einer Kundgebung der Separatisten vor dem Gefängnis teil. Im Rahmen einer Ansprache sagte Torra, das von ihm geleitete Govern (Name der Regionalregierung Kataloniens) „kämpft für eine gerechte Sache, für ein Land, das für Demokratie und Freiheit einsteht“. Und: „Wir werden uns nicht verteidigen, wir werden diesen ungerechten Staat angreifen.“

Zwar erklärte Quim Torra nicht, wie er sich einen Angriff gegen den spanischen Staat vorstelle, doch war es nicht die erste, jedoch die härteste verbale Attacke gegen den spanischen Staat. Das nahmen nun die Oppositionsparteien zum Anlass, um ein härteres Vorgehen gegen die katalanische Regionalregierung zu fordern. Pedro Sánchez verfolgt derzeit einen friedlichen Kurs im Umgang mit Katalonien, doch insbesondere Ciudadanos sieht alle Voraussetzungen erfüllt, um zumindest die Aktivierung des Artikels 155 der Spanischen Verfassung, also den sogenannten Staatszwang, zu beantragen. Die PP zeigte sich etwas gemäßigter und ließ verlauten, erst wenn Torra mit seinen Attacken fortfahre, werde man sich der Forderung von Ciudadanos offiziell anschließen. Mit dem Antrag auf Aktivierung des Artikels 155 – der entspricht Artikel 37 des Deutschen Grundgesetzes – will die Bürgerpartei erreichen, dass Quim Torra offiziell erklärt, die Spanische Verfassung und Gesetze zu befolgen, sich also zum spanischen Staat und System bekennt. Sollte das nicht geschehen, will Ciudadanos auf die Absetzung von Torra hinarbeiten.

Dabei steigert die Bürgerpartei den Druck auf Sánchez. Generalsekretär José Manuel Villegas bezichtigte den Präsidenten, „zur Seite zu schauen“ und „gelähmt“ zu sein. Parteivorsitzender Albert Rivera erklärte gegenüber dem Radiosender Cadena Cope: „Es ist offensichtlich, dass man Torra dazu auffordern muss, sich zur Legalität zu bekennen.“

Nach Ansicht seiner Partei sind zumindest die Voraussetzungen für einen Antrag zur Aktivierung des Artikels 155 erfüllt: Der katalanische Regionalpräsident spreche darüber, den Staat anzugreifen und die katalanische Republik auszurufen, bezeichne Carles Puigdemont als legitimen Präsidenten der Generalitat, eröffne Botschaften im Ausland, um für den Staatsstreich zu werben, und benutze öffentliche Gelder, um die Demokratie anzugreifen. Für den Antrag, den Artikel 155 zu aktivieren, sei es nicht erforderlich, dass der Staatsstreich unmittelbar bevorstehe.

Die PP zeigt sich gemäßigter. Parteivorsitzender Pablo Casado verlangt von Sánchez, darüber aufzuklären, welche juristische, administrative oder konstitutionelle Maßnahme er als Antwort auf die Attacken Torras anzuwenden gedenke. Bleibe der Präsident untätig, wolle er ebenfalls die Aktivierung des Staatszwanges beantragen, so Casado. Nach Ansicht des PP-Vorsitzenden habe es sich bei der Aussage von Quim Torra „sehr wohl um einen Angriff auf den Staat“ gehandelt. Die Drohung sei deutlich gewesen.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Regierung von Mariano Rajoy den Artikel 155 aktiviert, nachdem das katalanische Regionalparlament das Gesetz über den juristischen Übergang und die Einberufung eines Referendums zur Unabhängigkeit beschlossen hatte.

Die neue Regierung von Pedro Sánchez sieht ähnlich schwere Gründe derzeit nicht gegeben.

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