Das Ende der Fußball-WM


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Wenn ich diese Zeilen zu Papier bringe, dann weiß ich nicht, ob Deutschland bei der Fußball-WM im eigenen Land noch im Rennen ist oder ob im Viertelfinale gegen Argentinien Schluss war; vielleicht aber schauen wir alle in diesen Tagen ganz gebannt auf das Halbfinale oder sogar das Endspiel..? Wie dem auch sei, das Event „Die Welt zu Gast bei Freunden“ geht zu Ende und wir dürfen – zumindest nach dem derzeitigen Stand der Dinge – sagen: Es war schön und Deutschland hat sich von seiner besten Seite gezeigt.

Für mich hat diese Fußball-WM zwei ganz wesentliche Erkenntnisse gebracht: Zum einen, dass Deutschland Flagge gezeigt hat, was ja ganz neu ist – und dass einer seinen Weg ganz konsequent gegangen ist: Jürgen Klinsmann.

Die erste Erkenntnis hat uns, so glaube ich, alle überrascht. Wohin sich eine Fernsehkamera auch gedreht hat, allüberall sah man schwarz-rot-goldene Fähnchen und Fahnen. Es wimpelte von Autodächern und flaggte von Balkonen, ja ganze Häuser und Stadtteile erschienen in diesem dreifarbig-bunten Licht. War es bis vor kurzem um die Aktien von Deutschlandfahnen-Herstellern nicht zum Besten bestellt, so hat uns diese WM etwas anderes gelehrt. Schwarz-rot-gold boomt – wir Deutsche entdecken den Patriotismus, der uns bislang so schwer fiel. Sicherlich: Aus guten Gründen haben wir uns schwer getan mit stolz geschwellter Brust umherzugehen und bis heute kann ich sehr gut, im Gegensatz zu anderen Ländern, auf eine Militärparade am Nationalfeiertag verzichten.

Doch dieser durch die Weltmeisterschaft inspirierte Patriotismus hat etwas angenehm Spielerisches an sich. Er lässt nämlich auch zu, dass neben der deutschen eben auch andere Fahnen wehen: Grüne und blaue, rote und weiße, welche mit Sternen oder auch mit Bildern. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ – rechtsradikale Übergriffe vor der WM ließen diesen Satz beinahe schon zynisch erscheinen. Aber jetzt zeigt sich Deutschland tatsächlich weltoffen, und das eben gerade dadurch, dass es deutlich Flagge zeigt. Wie sagte einmal Altbundespräsident Richard v. Weizsäcker: „Patriotismus ist Liebe zu den Seinen; Nationalismus ist Hass auf die anderen.“ In diesem Sinne hat diese Fußball-WM einen gesunden Patriotismus in Deutschland und bei den Deutschen im Ausland bewirkt. „Stolz auf Deutschland zu sein, ohne auch nur ansatzweise zum Nazi zu mutieren, das geht“, so konnte man in der Süddeutschen Zeitung lesen und vielleicht kann ja dieses neue Wir-Gefühl wirklich dazu beitragen, dass der oft herbeigesehnte und bislang fehlende „Ruck durch Deutschland“ doch noch Wirklichkeit wird. 

Die zweite Erkenntnis dieser WM verdanken wir dem Bundestrainer: Jürgen Klinsmann. Er, der es immer mit Hunderttausenden von Sofa- und Bierbank-Bundestrainern aufnehmen muss, hat die Latte für sich und die Mannschaft recht hoch gelegt. Aber gerade das gefällt mir an meinem mitunter recht starrköpfigen schwäbischen Landsmann. Was er macht, das will er richtig machen, mit Herz und Verstand. Konflikten geht er dabei nicht aus dem Wege, sondern benennt sie und bei Personalentscheidungen entscheidet wirklich er und nicht die täglich erscheinende Zeitung mit den vier Buchstaben. Was wurde ihm alles vorgehalten und vorgeworfen. Vom Wohnsitz bis hin zur Torwartfrage wurde er täglich angegangen und das bisweilen fast unter die Gürtellinie. Erinnern wir uns: Als er bei einem Workshop für Nationaltrainer nicht anwesend war, sondern zu seiner Familie nach Kalifornien geflogen ist, da zog „Kaiser“ Franz Beckenbauer vom Leder und ließ kein gutes Haar an ihm. Dabei wussten die Wenigsten, weshalb er das gemacht hat: Er hatte seiner Mutter versprochen, sie am 1. Jahrtag des Todes seines Vaters zu sich und seiner Familie zu holen. Und wer weiß, wie schwer das erste Jahr nach dem Tod eines geliebten Menschen ist, der versteht auch, warum „Klinsi“ sein Versprechen gehalten hat.

In seiner Geradlinigkeit hat er all diese offene und manchmal auch versteckte Kritik weggesteckt und ist unbeirrt seinen Weg gegangen. Wohl wissentlich, dass er den Kopf hinhalten muss und nicht andere. Und jetzt? Er hat einen neuen Teamgeist in dieser Mannschaft entfacht – und bisweilen steht das ganze Land Kopf. Klinsmann – nicht nur Bundestrainer, sondern Motivator fürs ganze Land. Wenn das schlussendlich heißt, dass sich in Deutschland wirklich wieder etwas bewegt und dass Werte wie Verlässlichkeit, Geradlinigkeit und Teamgeist einen vorrangigen Platz einnehmen, dann wird uns diese WM nachhaltig in Erinnerung bleiben – gleichgültig ob wir nun Weltmeister auf dem Platz geworden sind oder Weltmeister in der Sichtweise, dass andere „zu Gast bei Freunden“ waren.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.wochenblatt.es

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.