Das Feuer des Evangeliums


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Waldbrände in unvorstellbarem Ausmaß haben in den letzten Wochen weite Teile Europas fest im Griff gehabt und unzähligen Menschen nicht nur Angst und Schrecken eingejagt, sondern ihnen Hab und Gut genommen, vielen sogar das Leben.

Ob nun hier auf den Kanaren oder in Griechenland, wo das Feuer wohl am schrecklichsten gewütet hat und zahlreiche Todesopfer forderte, man hat die Bilder weinender und schreiender Menschen immer noch konkret vor Augen. Allein schon der Gedanke, es könnte – wo auch immer – des Nachts der Schrei mich wecken: „Feuer, Feuer!“ – er lässt mir einen Schauer den Rücken herunterlaufen. Und wahrscheinlich geht es Ihnen ähnlich. Feuer ist nicht nur ein nützliches, sondern auch ein unheimliches und unberechenbares Element. Es frisst sich durch, es greift und ergreift alles, was sich ihm in den Weg stellt. Kaum etwas kann ihm dauerhaft widerstehen und deshalb macht es eben vielen Menschen auch unsagbare Angst.

Deshalb stimmt es mich mehr als nachdenklich, dass Jesus in der Heiligen Schrift das Feuer einmal als Bild für seine Sendung und seinen Auftrag benutzt. Er hat gewusst, von was er redet: Denn zu seiner Zeit war das Element Feuer ja noch weit weniger beherrschbar als heute. Und die römische Besatzungsmacht hat so manches Haus in Schutt und Asche gelegt, in dem sie irgendwelche Aufrührer oder Oppositionelle vermuteten. Und dann lese ich da wie Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen! Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! – Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung!“ 

Was Jesus in seiner Botschaft verkündet – z.B. das gerechte Teilen unseres Reichtums mit den armen dieser Erde, das unbegrenzte Verzeihen, die Feindesliebe u.v.a.m. –, das ist eben kein Friede, wie wir ihn so gerne haben oder wie er uns am Liebsten erscheint. Es geht hier nicht um Behäbigkeit und Ruhe, erst recht nicht um eine Friedhofsruhe, sondern in dieser Botschaft geht es um ein Feuer, das gefährlich werden kann und das gefährlich für jede und jeden von uns werden will, ja – das sich durchbrennen will durch unser ganzes Leben. Und deshalb kann es dann durchaus passieren, dass sich Familienmitglieder durch diese Botschaft einander entfremden und die Gemeinschaft spalten; es kann passieren, dass Kollegen und Hausgemeinschaften sich gegeneinander aufbringen; ja es kann und wird sogar Christen in den einzelnen Kirchen untereinander in Gegensätze treiben über die Frage, wie ernst und wörtlich man wohl diese Aussagen Jesu zu nehmen hat.

Das Feuer wird brennen müssen und wie froh wäre Jesus darüber, wenn das eben auch heute geschehen würde: Denn dann würde es den Mantel unserer bürgerlichen Zufriedenheit verbrennen, den wir um eben diese – in ihrem tiefsten Kern so radikalen – Forderungen Jesu umgelegt haben, damit uns das Evangelium etwas leichter über die Lippen und von der Hand geht.

„Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ Feuer wird in der Goldschmelze gebraucht, um taubes Gestein vom edlen Metall zu trennen. Nur durch die Kraft des Feuers kommt das wertvolle Gold hervor. Jesus will sein Evangelium als Einladung an uns alle verstanden wissen, die Radikalität seiner Worte ohne Wenn und Aber in unser Leben einzulassen. Sicher, es würde mehr Erschrecken bewirken, es würde mehr an Auseinandersetzung bedeuten, auch mit meinen Angehörigen und Freunden darüber zu reden, nicht zuletzt auch meine vielen persönlichen Kompromisse zu durchleuchten, wie denn der Glaube in dieser Welt praktisch zu leben ist. Aber am Ende würde ein glaubwürdigeres, weniger verwässertes Christsein herauskommen, das für viele – nicht zuletzt auch für viele junge Menschen – sicherlich ehrlicher und einladender ist. Denken Sie doch mal in den Wochen Ihres Urlaubs auch über diese Gedanken nach und über die Fragen: An welcher Stelle meines Lebens möchte ich das Feuer des Evangeliums wirklich an mich heran- und in mich hineinlassen? Will ich das Risiko mit dem Feuer Jesu wirklich wagen?

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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