Der Duft von Weihnachten


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

„Weihnachten kann man riechen“, so sagte mal ein kleines Mädchen zu seiner Mutter. Und ich meine, sie hat durchaus recht damit. Weihnachten kann man tatsächlich riechen.

Auf Weihnachtsmärkten tut sich ja oft ein ganz eigener Duft auf, es riecht nach Tannenreis und Kerzen, nach gebratenen Mandeln und Maronen. Manchmal mischt sich sogar der Duft von Weihrauch dazwischen – und deshalb wird wohl in dem Lied „Fröhliche Weihnacht überall“ auch „vom Weihnachtsduft in jedem Raum“ gesungen.

Weihnachten riecht nach Geborgenheit, nach Licht, Frieden und Heimat. Das ist wahr und doch gleichzeitig nur die eine Seite des Festes. Die andere, die hat einmal ein Jugendlicher genannt, der auf die Frage nach dem Weihnachtsduft antwortete: „Weihnachtsduft? – Dicke Luft!“ Und weshalb? Vielleicht, weil in diesen Tagen schon eine Kleinigkeit den Hausfrieden ganz gewaltig ins Wanken bringen kann; vielleicht, weil der Urlaub nicht so ist wie er sein sollte; vielleicht auch, weil der Jugendliche selbst in den familiären Frieden durch irgendeine Bemerkung oder Ankündigung eine Art „Stinkbombe“ geworfen hat. Wie auch immer: Beides ist wahrscheinlich wahr. Die Bemerkung des kleinen Mädchens und auch der Spruch des Jugendlichen: „Weihnachtsduft – dicke Luft!“

Und wie roch es wohl damals in Bethlehem? Die gar nicht so festliche und für verwöhnte Nasen eher anrüchige Antwort lautet: Es riecht nach Stall und Mist! Für mich hat das durchaus eine tiefere Bedeutung. Denn es weist uns auf eine Wahrheit hin, die im übertragenen Sinne gilt: Gott wird Mensch, er wird einer von uns und er kommt gerade dort zur Welt, wo nicht Wohlgeruch herrscht, sondern wo es stinkt! Weihnachten heißt demnach: Gott will gerade dorthin kommen, wo dicke Luft herrscht; wo Menschen in ihrem Leben viel Mist gebaut haben und   wo nicht eitel Wohlgeruch herrscht.

Die wahre weihnachtliche Botschaft heißt also: Gott rümpft nicht die Nase und er zieht nicht an uns und unserem Leben vorbei, sondern er will zu jeder und jedem von uns kommen – auch und gerade dorthin, wo es derzeit nicht so angenehm duftet. In den späteren Jahren seines Lebens hat Jesus das übrigens genau so gehalten. Immer wieder ist er in die Häuser eingekehrt, vor deren Tür die Menschen mit den feinen Nasen dieselbe ganz empfindlich gerümpft haben: Hier riecht es nach armen Leuten; hier „stinkt“ es nach Elend; hier ist etwas faul; da riecht es nach Schuld – in eben solche Situationen ist er hineingegangen; hat er die Menschen wahrgenommen und er tut dies auch heute. 

„Mir stinkt’s, ich kann euch nicht mehr riechen“, so schreien sich Menschen manchmal an, drehen sich um und schlagen die Tür zu. Gott aber macht es umgekehrt: Er macht die Tür auf und kommt herein in diese Welt, auch wenn es in ihr nach Unrecht riecht, nach Spießigkeit, Unfrieden, Leid und Kummer. So gesehen „duftet“ es aber am ersten Weihnachtsfest in Bethlehem nicht nur nach Stall und Mist, sondern es duftet auch ganz gewaltig nach: Liebe! Nach einer solch großen Liebe, dass man es kaum glauben kann. Wer sich aber durch den ersten Eindruck nicht verwirren lässt; wer sich bei diesem Stallgeruch nicht sofort die Nase zuhält, der kann da im Stall eine so große Liebe spüren, dass allen, die sich darauf einlassen, eben auch alle anderen Sinneseindrücke vergehen.  

Es riecht nach Liebe. Wer das zu spüren beginnt, wer etwas schmeckt, fühlt, riecht von dieser grenzenlosen Liebe Gottes zu uns Menschen, die sich uns in diesem Kind an Weihnachten schenkt, der beginnt erst den wahren Weihnachtsduft zu ahnen. Und dieser Wohlgeruch der Liebe hat in sich die Kraft, den ganzen Stall zu füllen – und sei er auch so groß wie die ganze Welt.

So wünsche ich Ihnen nun aus ganzem Herzen, dass Sie beide Seiten der weihnachtlichen Wahrheit erfahren dürfen. Dass Sie zum einen eben nicht ihre Nasen zu verschließen brauchen vor all dem, was in dieser Welt faul ist und stinkt. Denn genau in dieser Welt erfahren wir auch den Wohlgeruch der Liebe Gottes, die sich nicht davon abhalten lässt, unbeirrbar an uns Menschen festzuhalten und zu uns zu stehen, selbst wenn wir oder andere schon längst gesagt hätten: „Mir stinkt’s“ oder wir vielleicht längst davongelaufen wären. Schmecken, fühlen, spüren und riechen Sie an Weihnachten die unbeirrbare Liebe Gottes. Vielleicht können wir so auch ganz anders den Inhalt des alten Weihnachtsliedes verstehen, welches zwar nicht mehr unbedingt unsere Wortwahl heutzutage trifft, welches aber unbeirrbar kundtut: „Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis. Wahr Mensch und wahrer Gott – hilf uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.“

Ihnen allen, ein herzhaft-schmeckendes und zärtlich-wohlriechendes Weihnachtsfest, sowie ein voll Liebe duftendes und durch Gott begleitendes neues Jahr wünscht Ihnen Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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