Der größte Stein des Anstoßes der Welt


Seit 1713 gehört Gibraltar an der Südspitze Spaniens zu Großbritannien

Am Felsen von Gibraltar scheiden sich die Geister. Zumindest die der Spanier und Briten. Das ist nicht neu, sondern seit 1713 so, als der Felsen formell der britischen Krone zugesprochen wurde.

Madrid – Spanien hat diese britische Kronkolonie nie anerkannt, und El Peñón ist immer wieder Stein des Anstoßes in den diplomatischen Beziehungen beider Länder.

Zwar hatte man sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Punkten geeinigt und Annäherungspolitik in Sachen Gibraltar betrieben, um die ansonsten guten bilateralen Beziehungen zu festigen, doch wird in diesem Jahr offensichtlich wieder ein härterer Kurs gefahren. Immer wieder finden unschöne Begegnungen zwischen der spanischen und britischen Marine statt, die das prekäre Gleichgewicht stören. Spanische Schiffe werden in rüdem Ton aufgefordert, umgehend abzudrehen und die britische Drei-Meilen-Zone zu verlassen.

Gefährliche Zwischenfälle

Und es gibt auch gefährliche Zwischenfälle. So zum Beispiel der Fall  von „ein paar übermütigen Jungs der Royal Navy, die mit einem Patrouillenboot knapp vor unserem Bug vorbeischossen, als wir 12 Knoten draufhatten“, so ein erfahrener Offizier eines spanischen Schiffes. „Das hätte übel ausgehen können. Man kann nicht mit 25 oder 30 Knoten in einem so stark befahrenen Seegebiet   herumsausen. Irgendwann wird es da einen Unfall geben.“

Der unschönste Zwischenfall ereignete sich jetzt im November. Das spanische Patrouillenboot Alcotán befand sich sieben Meilen südlich von Gibraltar, als es auf eine britische Patrouille traf und sofort über Lautsprecher zum Abdrehen aufgefordert wurde: „Keep clear! Keep clear!“, während zwei Marineinfanteristen eine Boje aus dem Wasser angelten, auf der die spanische Flagge angebracht war, die ganz offensichtlich für Schießübungen gedient hatte.

Das britische Verteidigungsministerium wiegelte den Vorwurf zwar mit der Begründung ab, es habe sich nicht um die spanische Flagge gehandelt, sondern um die Flagge Nummer 1 aus dem internationalen Flaggencode, die zwei rote und einen gelben Streifen trägt und somit leicht mit der spanischen Flagge verwechselt werden kann. Die britische Diplomatie entschuldigte sich dafür, dass die spanischen Nationalfarben zu Schießübungen verwendet worden seien.

„Es kommt uns so vor, als wollten die irgendwie einen diplomatischen Streit vom Zaun brechen“, sagt ein Guardia Civil-Mitglied dazu, „denn die Schießübungen hatten in spanischen Hoheitsgewässern stattgefunden, und wir hätten sie leicht wegen Beleidigung der spanischen Fahne festnehmen können.“

Der neue Ton in den spanisch-britischen Gewässern von Gibraltar herrscht seit April. Am 10. April forderte das britische Schnellboot Sabre auf der Höhe des Flughafens von Gibraltar ein Boot der Guardia Civil auf, umgehend abzudrehen. Die beiden Maschinengewehre der Sabre, so versichern die Spanier, seien feuerbereit und auf ihr Schiff ausgerichtet gewesen. Das streitet die britische Marine ab. Die Sabre habe mit dem Heck zu der spanischen Patrouille gelegen und die Maschinengewehre seien am Bug montiert.

Historischer Besuch nach 300 Jahren

Der PP-Abgeordnete José Ignacio Landaluce macht den Beginn der Schroffheiten an dem Besuch des spanischen Außenministers Miguel Angel Moratinos in Gibraltar fest, den die PP von Anfang an als „gravierenden Fehler“ verurteilt hat.

Tatsächlich hat diese Minis­terreise am 21. Juli großes Aufsehen erregt. Immerhin war es seit 300 Jahren der ers­te Besuch eines spanischen Ministers in der britischen Kronkolonie. Hierzu wurde von spanischer Seite Wert auf die Feststellung gelegt, dass es sich lediglich um den logischen Standort für die dritte Runde des Dreierforums – Spanien, Großbritannien und Gibraltar – nach den ersten beiden Gesprächsrunden in Córdoba und London handelte, die immerhin eine gewisse Entspannung der heiklen Situation gebracht hatten.

Derzeit fordern die bei Gibraltar stationierten Guardia Civil-Einheiten das Innenministerium auf, ein „klares Handlungsprotokoll“ für derartige Zwischenfälle zu verfassen. Sie trauern den Zeiten hinterher, in denen die Sicherheitskräfte zu beiden Seiten des Zaunes zusammenarbeiteten. „Damals haben wir sogar gemeinsame Mittagessen organisiert. Daran ist heute nicht mehr zu denken.“

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.