Der Rücktritt


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Die Ankündigung des Papstrücktritts war für viele Menschen weltweit die Sensation schlechthin. Als am Rosenmontag über die Agenturenticker die Meldung ging, dass der Papst am 28. Februar sein Amt niederlegen und ein zurückgezogenes Leben in Meditation und Gebet führen werde, da überraschte das nicht nur zahlreiche Deutsche, die gerade den Rosenmontag feierten und die Nachricht aus Rom für einen Karnevalswitz hielten.

Die ganze katholische Welt und viele Menschen darüber hinaus zeigten sich verwundert über die Entscheidung Benedikts XVI. Es schien ja fast festzustehen, dass ein Papst nicht zurücktritt, sondern sein von der Kirche übertragenes Amt bis zum Ende, auch wenn es bitter sei, ausübt. Selbst die Kardinäle, in deren Anwesenheit der Papst seinen Rücktritt ankündigte, waren nicht auf diese Neuigkeit vorbereitet. Wie aus heiterem Himmel sei Benedikts Schritt für sie gewesen.

Dieser „heitere“ Himmel zeigte dann auch in der folgenden Nacht, was er vom angekündigten Rücktritt hielt: Ein Blitz schlug nämlich in die Kuppel des Petersdoms ein. Einige Kommentatoren deuteten dies sofort als Zeichen von oben – frei nach dem Motto: Da oben gefällt es jemand nicht, dass der „Stellvertreter Christi“ auf Erden sein Amt aufgibt. Diese, in meinen Augen mehr als kindliche Deutung des Naturspektakels, ist natürlich nichts anderes als eine versteckt formulierte Kritik am Rücktritt Benedikts. Der Verzicht auf das Petrusamt erscheint manchen Kreisen in der Kirche einfach als tabu. In ihren Augen muss diese Aufgabe durchgehalten werden bis zum Tod des jeweiligen Amtsinhabers. Das habe auch etwas mit dem Gehorsam gegenüber Gott zu tun, und so habe es schließlich auch der selige Papst Johannes Paul II. vorgelebt. Trotz kräftezehrender Krankheit habe er seinen Dienst erfüllt und sei Papst geblieben. Und genau durch dieses Beispiel und sein nicht verstecktes Leiden sei er zu einem Vorbild für alle Gläubigen und zum Trost für Kranke geworden.

Doch bei dieser richtigen Darstellung darf eben auch nicht vergessen werden, dass Benedikts Vorgänger durch seine Krankheit der Kirche eine Zeit bereitet hat, in der das Oberhaupt nur noch sehr eingeschränkt einsatzfähig war. Dieses Beispiel des seligen Papstes aus Polen hatte Benedikt in seiner Zeit als Kardinal Joseph Ratzinger zugleich bewundert und befremdet. Seine Entscheidung, das Papstamt zu Lebzeiten zu verlassen, ist wohl auch in der Furcht begründet, ein zweiter Papst zu werden, der die letzten Monate oder gar Jahre seines Dienstes mit einer schweren Krankheit zu vollbringen hat. Dabei ginge der Kirche aber jene starke Führung ab, die gerade heute aufgrund der zahlreichen Skandale mehr als notwendig ist. Wegen dieser klugen Vorsicht wurde die Entscheidung des Papstes zum Rücktritt von vielen Stimmen in den Medien und innerhalb der Kirche positiv aufgefasst. So meinte ein Vatikankenner dieser Tage, dass „Benedikt einen Wegweiser für die Zukunft gesetzt” habe.

In der Tat haben sich die Anforderungen an einen Papst in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die wachsende und globale Kirche benötigt einen Hirten, der mobil ist und alle Kontinente besuchen kann. Ein Oberhaupt, das die Sprache sowohl der Jugend als auch der Menschen im dritten und vierten Lebensalter spricht. Einen Pontifex, der mit den modernen Kommunikationsmitteln Brücken zu allen Menschen bauen kann. Daher benötigt die katholische Weltkirche einen intellektuell wendigen und auch physisch mobilen Papst. Doch es wird vermutet, dass Benedikt XVI. sich auch aus anderen Gründen von seinem Amt zurückziehen möchte. Nach dem italienischen Skandaljournalisten Nuzzi vertrete “nur wer an Märchen glaubt” die Version, dass der Rücktritt nur wegen der offiziell angeführten krankheits- und altersbedingten Gründe geschehe. Nuzzi sieht vielmehr die Machenschaften innerhalb der römischen Kurie als Beweggründe für den Rücktritt und attestiert dem Papst „fehlende Führungsqualitäten”.

Wie man auch zu dieser Erklärung stehen mag, sie ist ein Hinweis darauf, dass der Rücktritt Benedikts ein ganz persönlicher Schritt war. Es ist ein historischer Akt, der zu seiner Person passt, zu seinem Charisma, mit dem er den Petrusdienst ausgefüllt hat. Benedikt stellt seine Person in den Hintergrund, und genau deshalb tritt er zurück. Er ist sich seiner Schwäche durch Alter und persönliche Veranlagung bewusst. Benedikt will mit diesem Schritt zeigen, dass er auf eine demütige Weise Papst sein wollte. Für den kommenden Papst – dessen Wahl wir in den Tagen dieser Ausgabe des Wochenblattes mit Spannung erwarten – bedeutet diese Entscheidung Benedikts eine große Bestärkung und Freiheit darin, das Papstamt nach seinem persönlichen Charisma zu leben. Als individueller Nachfolger des heiligen Petrus.

Herzlichst Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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