Der spanische Grundsteuerbescheid (IBI), ein Beweis für die Chaos-Theorie?


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Ein Artikel von Dr. Armin Reichmann

„Die Chaostheorie beschreibt das zeitliche Verhalten eines Systems, das heißt seine Dynamik, wenn diese … komplex und deshalb nicht einfach „durchschaubar“ ist.“

Diese Definition  laut Wikipedia fällt einem schon ein, wenn man einen Grundsteuerbescheid (Impuesto sobre Bienes Inmuebles; IBI) in den Händen hält.

Man fragt sich oft, weshalb eigentlich gerade Bescheide von öffentlichen Behörden so völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar sind, und das gilt nun wirklich über alle Landesgrenzen hinweg. Meine persönliche Theorie ist die, dass in dem Wahn, wirklich jedem Einzelfall gerecht werden zu wollen, man so viele Fallkonstellationen und Einzelinteressen berücksichtigen will, dass man völlig den Überblick verliert.

Der IBI sollte eigentlich in seiner Kargheit, denn er enthält nur wenige Begriffe und Zahlen, leicht nachvollziehbar und verständlich sein. Es geht um eine der Gemeinde zustehende, jährlich zu zahlende Steuer auf den Wert der Immobilie, kann man das eigentlich komplizieren? Nachstehend will ich die wenigen Begriffe, die in dem Bescheid vorkommen, kurz erläutern: 

1. Es fängt ganz einfach an:  in der Kopfzeile wird die zuständige Gemeinde erwähnt, die Steuerart (Impost Bens Imobles)  und der Name des Steuerpflichtigen.

2. Neben der Angabe einer Vielzahl von Referenznummern einschließlich der allseits überschätzten Katasternummer (referencia cadastral)  folgt der Hinweis darauf, ob es sich um einen Bescheid für eine erschlossene Immobilie handelt (urbana) oder um nicht erschlossenes Land (rústica),  ebenso wie auf das Steuerjahr.

3. Eine erste Verwirrung kann dadurch entstehen, dass die Bezeichnung der Immobilie selbst strikt nach den bei der Gemeinde vorliegenden Angaben erfolgt, es gibt weder einen Hinweis noch einen Abgleich mit dem eigentlich für Eigentumsfragen maßgeblichen Grundbuchamt. Erfolgt ein Eigentümerwechsel im Lau­fe des Jahres, kann es durchaus sein, dass trotz pflichtgemäßer Notifizierung des Katasters der Bescheid noch auf den Alteigentümer ergeht.

4. Es folgen die Angaben zum Katasterwert, getrennt für Grund und Boden einerseits und für die Aufbauten andererseits. Wie dieser Katasterwert zustandekommt, liegt in der Zuständigkeit der Generaldirektion des Katasters (Dirección General del Catastro). Die Berechnung ist extrem komplex, aber immerhin, der Katasterwert soll die Hälfte des Marktwertes darstellen.  Der Katasterwert ändert sich vor allem durch eine Neufestlegung (mindestens) alle zehn Jahre, durch automatische Anpassung an die Inflation  über das Gesetz zum Staatsetat (Ley de Presupuesto General del Estado) oder etwa aufgrund Umbau oder Veränderung der Immobilie.

5. Der Zeitpunkt der letzten Anpassung ist in dem Bescheid ausdrücklich erwähnt mit dem Begriff „Any Rev.“, dem dann eine Jahreszahl folgt.

6. Nun wäre es ja wirklich zu einfach, wenn der Katasterwert gleichzeitig die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Steuer darstellen würde;  deshalb steht nach der Summe der Katasterwerte aus Grund und Boden sowie Aufbauten (Val. Cadastral total)  der Begriff „base liquidable“, der die tatsächliche Besteuerungsgrundlage darstellt. Und wodurch unterscheiden sich nun die beiden Begriffe und Zahlen? Damit in den (langen) zehn Jahren, in denen der Katasterwert unverändert bleibt, die Gemeinde dennoch einen Steuerungsmechanismus hat, wird die Steuer eben nicht aus dem Katasterwert selbst berechnet, sondern aus der Bemessungsgrundlage (base liquidable). Damit die teilweise dramatische Anhebung des Katasterwertes nach zehn Jahren nicht bereits im kommenden Jahr in voller Höhe auf den armen Steuerpflichtigen durchschlägt (was definitiv einen ziemlichen Skandal auslösen würde) wird die Bemessungsgrundlage in 10-Jahresschritten dem (neuen) Katasterwert langsam angepasst, mit der Folge also, dass im zehnten Jahr der Katasterwert mit der Bemessungsgrundlage übereinstimmen sollte.

7. Fehlt nur noch der Steuersatz.  Dieser kann je nach Größe der Gemeinde zwischen 0,4% und 1,1% (bei Städten mit über 100.000 Einwohnern) variieren, wird aber konkret vom Gemeinderat festgesetzt und ist deshalb selbst auf der kleinen Insel Mallorca durchaus unterschiedlich, liegt aber in der Regel zwischen 0,5% und 0,9%.

Abhängig von der Art der Immobilie oder deren Eigentümer kann es Abschläge geben, ganz leicht haben es nur der Staat und die Katholische Kirche, die zahlen überhaupt keine Grundsteuer.

Dr. Reichmann

Rechtsanwälte

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Palma de Mallorca

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