Deutscher nach zwei Jahren Haft freigesprochen


© Moisés Pérez

Geschworenengericht in Santa Cruz sprach den 60-jährigen Kunibert H.S. frei, der des Mordes an seiner alzheimerkranken Mutter angeklagt war

„Ich wusste dass ich unschuldig bin und deshalb habe ich die 25 Monate im Gefängnis ertragen“, sagte der Deutsche Kunibert H.S. (60), nachdem er die Entscheidung des Geschworenengerichts in Santa Cruz de Tenerife zur Kenntnis genommen und damit erfahren hatte, dass er wieder ein freier Mann ist.

Der deutsche Resident von der Insel La Palma war des Mordes an seiner 80-jährigen Mutter angeklagt, die er mit ihrem Gebiss am 1. August 2006 mutmaßlich erstickt haben soll. Am 3. August 2006 wurde er von Beamten der Guardia Civil in seinem Haus in El Paso verhaftet und saß danach über zwei Jahre im Gefängnis von Santa Cruz de La Palma in Untersuchungshaft. Mitte September wurde er in das Gefängnis Tenerife II in La Esperanza (Teneriffa) verlegt, um vor dem Geschworenengericht in der Hauptstadt aussagen zu können. Die Verhandlung dauerte mehrere Tage.

Am 25. September 2008 entschieden die Mitglieder des Schöffengerichtes in Santa Cruz de Tenerife schließlich, dass es in diesem Todesfall keine Anzeichen von Brutalität oder eines finanziellen Motivs gebe. Die Geschworenen gehen davon aus, dass die an Alzheimer erkrankte alte Dame ihr Gebiss selbst verschluckte und daran erstickte. Erbschaftsinteressen des Angeklagten, dessen Mutter eine Wohnung in Deutschland besaß, die ihm von der Staatsanwaltschaft unterstellt worden waren, erwiesen sich als falsch. Anscheinend war der Besitz schon fünf Jahre vor dem Tod der Mutter auf deren Wunsch auf den Sohn überschrieben worden. Dies zumindest versicherte der Angeklagte.

Die Staatsanwaltschaft hat bekanntgegeben, dass sie keinen Einspruch gegen das Urteil des Geschworenengerichts einlegen werde, wenngleich der Verdacht bestehe, dass Kunibert H.S. durch die Pflege seiner kranken Mutter überfordert war.

Der Deutsche hatte seinen Wohnsitz vor 24 Jahren nach La Palma verlegt. Jahre später hatte er seine inzwischen an Alzheimer erkrankte Mutter zu sich geholt. Er habe befürchtet, dass sie aufgrund ihrer Krankheit ihre Medikamente nicht mehr selbstständig und korrekt einnehmen könnte und beschlossen, sie selbst zu pflegen. Er kochte für sie, wusch sie und übernahm in jeder Hinsicht die Aufgabe einer Pflegeperson. Am 1. August 2006 hatte Kunibert H.S. seine Mutter auf dem Bett liegend gefunden und festgestellt, dass sie nicht mehr atmete. Daraufhin rief er den Hausarzt, der als mögliche Todesursache Erstickung feststellte und seinerseits den kanarischen Gesundheitsdienst verständigte. Die Hiobsbotschaft für Kunibert H.S. kam zwei Tage später, als fünf Polizeibeamte an seine Tür klopften und ihm mitteilten, dass er als mutmaßlicher Mörder seiner Mutter verhaftet sei.

Alle, die Kunibert auf der Insel kannten, zeigten sich erschüttert und erstaunt über seine Verhaftung. Dass der Mann, der seine Mutter mit soviel Hingabe gepflegt hatte sie getötet haben sollte, schien unfassbar.

„Das spanische Justiz-system funktioniert nicht wie es sollte“

Der Zeitung El Día sagte Kunibert H.S. nach seinem Freispruch: „Das spanische Jus­tizsystem funktioniert nicht wie es sollte“. Nicht nur seine persönliche Erfahrung, sondern auch das Schicksal vieler anderer Menschen, die er während seiner Inhaftierung kennengelernt hat, habe ihm das vor Augen geführt. „Die Zahl der Untersuchungshäftlinge im Gefängnis ist unglaublich“, sagte er.

Tatsächlich lag im Fall von Kunibert H.S. sogar ein forensisches Gutachten vor, in dem auf einen Unfalltod hingewiesen wurde. Die Gerichtsmediziner Aurelio Hernández und Begoña Morente erstellten das Gutachten im Auftrag von Kunibert H.S., in dem sie feststellten, dass es sich um einen „tödlichen Unfall ohne Anzeichen von Gewaltanwendung“ handelte. Aurelio Hernández erklärte nach dem Freispruch, dass es ihm schleierhaft sei, warum der Mann dennoch inhaftiert geblieben ist. „Obwohl dem Gericht ein Gutachten vorlag, hat dieser Mann 25 Monate im Gefängnis verbracht, ohne dass sich in diesem Zeitraum vor der Verhandlung jemand um den Fall gekümmert hätte. Das ist eine Ungeheuerlichkeit“.

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